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30 Jahre Erasmus-Programm
Die große europäische Erfolgsgeschichte

Es gibt wohl kaum eine EU-Maßnahme, die so beliebt ist wie das Erasmus-Programm: Das europäische Austauschprogramm für Studierende ist eine Erfolgsgeschichte. Es fördert nicht nur den akademischem Austausch, sondern schafft ein positives Bild von Europa. Am 1. Juli 1987 trat das Programm in Kraft.

Von Vanessa Loewel |
    Astrid Franke gehört zu den ersten Jahrgängen, die mit dem Erasmus-Stipendium unterwegs waren: Die Professorin für Amerikanistik, die heute in Tübingen lehrt, hat an der Freien Universität Berlin Englisch und Biologie studiert. 1990 ging sie für ein Jahr als Austauschstudentin nach Edinburgh: "Ich habe sehr viele Menschen kennengelernt, gar nicht unbedingt so viele Briten, aber Finnen und Amerikaner, Spanier, die sich dort immer im internationalen Café getroffen haben. Insofern habe ich das Gefühl, dass es gar nicht direkt ein so beruflich entscheidendes Jahr war, sondern eher, ja, im alten Sinne der Bildung."
    Damals war das Programm kaum bekannt. Heute ist das Stipendium, dessen Name auf den kosmopolitischen Gelehrten Erasmus von Rotterdam zurückgeht, zu einem feststehenden Begriff geworden. Wer für ein oder zwei Semester ins Ausland geht, sagt: "Ich mache Erasmus". Zwischen 150 und 500 Euro monatlich bekommen Studierende, abhängig vom Zielland. Daneben macht vor allem die Tatsache, dass viel Organisationsaufwand abgenommen wird, das Programm attraktiv: Die Studienleistung im Ausland wird anerkannt, an den Austausch-Universitäten gibt es extra Sprachkurse und ein Empfangskomitee organisiert internationale Erasmus-Partys, die legendär sind. Spanien ist als Austauschland bei deutschen Studierenden übrigens am beliebtesten.
    Mehr als 40.000 Studierende im Ausland
    Das Ziel des EU-Programms ist es, die Identifikation mit Europa zu stärken und ein positives europäisches Lebensgefühl zu schaffen. "Das war sicherlich eines, was jetzt im Rückblick zu einer großen Erfolgsgeschichte der Europäischen Gemeinschaft geführt hat", sagt Siegbert Wuttig. "Es war so, dass wir im ersten Jahr, ja, da hatten wir europaweit ein bisschen mehr als 3000 Studierende im Austausch, in Deutschland hatten wir weniger als 700, und heute, wenn man allein auf Deutschland schaut, haben wir jährlich ungefähr 40.000 Studierende, die allein diese Möglichkeit von Erasmus wahrnehmen", erklärt Wuttig, der ab 1989 25 Jahre lang oberster Erasmus-Beauftragter in Deutschland war.
    Dreieinhalb Millionen Studierende haben bis heute die Förderung erhalten. Mit einem solchen Erfolg hatte niemand gerechnet: Dreimal war das Programm zurückgewiesen worden, bis es vom Rat der Europäischen Bildungsminister verabschiedet wurde und am
    1. Juli 1987 in Kraft trat. "Es gab großes Gezerre um dieses Programm am Anfang. Es gab ja keinen speziellen Artikel im EU-Vertrag, damals Römische Verträge natürlich, in Bezug auf Hochschulbildung zum Beispiel. Es gab andere Probleme, nämlich die Frage, soll die EU und die Europäische Gemeinschaft damals überhaupt so viel Geld ausgeben für etwas, was vielleicht die Mitgliedstaaten selber machen können."
    Den Bürgern Europa näherbringen
    Anfang der Achtziger war die europäische Wirtschaft geschwächt, die Arbeitslosigkeit hoch, viele Länder kämpften um ihre eigenen Interessen - auf Kosten der Europäischen Gemeinschaft. England forderte von Brüssel einen "Britenrabatt" und boykottierte die Beschlüsse im Europarat. Die Situation war so verhärtet, dass von einer "Eurosklerose" die Rede war: "Insgesamt eine Gemengelage, die wir heute auch kennen und als Krise bezeichnen würden. Und eine sehr große Entfremdung eigentlich auch der Bürger von der EU in dieser Zeit. Und die EU gab damals in Auftrag einen Bericht, der zum Ziel hatte, Europa wieder den Bürgern näher zu bringen. Und in diesem Bericht war unter anderem als ein Instrument genannt, das Treffen von Bürgern, der Austausch von Schülern, der Austausch von Studierenden."
    Elf Staaten der Europäischen Gemeinschaft beteiligten sich damals, heute sind es 33. Das Erasmus-Programm vereint mehr Länder als die Europäische Union. Die EU investiert damit in ihre Zukunft. In Zeiten von Rechtspopulismus und Brexit, braucht es Enthusiasten für die europäische Idee: "Ich hoffe, dass Europa und Großbritannien zusammenbleiben, also kulturell zusammenbleiben, wenn auch nicht politisch. Die Türkei ist in dem Erasmusprogramm, also ich bin optimistisch, dass Großbritannien auch bleiben kann", sagt Chris Dobson aus Großbritannien, zurzeit Austauschstudent in Berlin und er ergänzt: "Die meisten Menschen, die EU nicht mögen, sie kennen keine Europäer. Also das ist sehr effektiv, dass wir uns kennenlernen, als Europäer."