Der Schritt erfolge aus "Gründen der nationalen Sicherheit", teilte die ukrainische Regierung nach einer Kabinettssitzung mit. Die EU und die Ukraine sollten die Folgen des Abkommens zunächst gemeinsam mit Russland besprechen, hieß es. Genau dies hatte der russische Präsident Wladimir Putin vorgeschlagen. Ein Sprecher Putins sagte, man begrüße die Entscheidung der ukrainischen Regierung, die Partnerschaft mit Moskau weiterzuentwickeln. Sieben Jahren hatte die Arbeit an dem 1200-Seiten-Vertragswerk gedauert. Auch die USA hatten eine gewaltige Aktie in dem Machtpoker um Einfluss im postsowjetischen Raum. Der Sieger heißt Russland. Das Abkommen hätte Ende des Monats unterzeichnet werden sollen. Die Reaktionen europäischer Politiker waren entsrpechend enttäuscht.
Opposition protestiert mit "Schande, Schande"-Rufen
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, der CDU-Politiker Elmar Brok, sagte, der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch wolle den Vertrag offenbar wegen des Drucks aus Moskau nicht unterzeichnen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, das Interesse Europas an guten Beziehungen zur Ukraine sei ungebrochen. "Das setzt aber voraus, dass in Kiew der Wille herrscht, einen europäischen Weg der Entwicklung zu gehen", so Westerwelle. Der Ball sei nun im Feld der Ukraine. "Es ist ihr souveränes Recht, über ihren Weg frei zu entscheiden."
Die Opposition in der Ukraine warf Janukowitsch Verrat vor. Der Politiker Arseni Jatsenjuk meinte, wenn der Präsident das Abkommen nicht unterzeichne, sei das Anlass für ein Amtsenthebungsverfahren. Unter "Schande, Schande"-Rufen protestierte im ukrainischen Parlament die Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko gegen ein Scheitern des Europakurses des Landes. Klitschko sieht die Ukrainer einmal mehr um eine prowestliche Zukunft in Europa mit visafreien Reisen und freiem Handel betrogen. Die Opposition kündigte zum Jahrestag der Revolution neue Proteste gegen Janukowitsch an.
Ukraine spielt eine wichtige Rolle im geopolitischen Machtspiel
Vor allem die Führung in Moskau machte immer wieder Front gegen diese Art der Erweiterungspolitik der EU. Es war Kremlchef Wladimir Putin, unlängst von dem US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" erstmals zum mächtigsten Mann der Welt gekürt, der die Kehrtwende von Kiew einleitete. Er schlug vor, in Dreier-Gesprächen der EU, Ukraine und Russlands gründlich über die Folgen eines solchen Assoziierungsabkommens zu sprechen.
Das politische Moskau schaute seit Monaten mit Schrecken auf den in der litauischen Hauptstadt Vilnius geplanten Gipfel der EU-Ostpartnerschaft. Russland hätte dort seine schwerste Niederlage seit dem Zerfall der Sowjetunion befürchten müssen. Die Ukraine mit ihren 46 Millionen Einwohnern ist im geopolitischen Machtspiel mit Abstand das wichtigste Land unter den insgesamt sechs früheren kommunistischen Staaten im Partnerschaftsprogramm der EU. Zuletzt hatte Russland bereits die verarmte Südkaukasusrepublik Armenien von einer Assoziierung mit der EU abgebracht - und das Land in eine von Putin geplante eurasische Wirtschaftsunion geholt. Auch Weißrussland steht an der Seite Russlands. Putin versucht seit langem, auch die Ukraine in seine Zollunion zu locken - ohne Erfolg bisher.
Freilassung Timoschenkos gescheitert
Zuvor waren im ukrainischen Parlament erneut Initiativen gescheitert, die in Haft erkrankte Oppositionsführerin Julia Timoschenko mit einem Sondergesetz zur Behandlung nach Deutschland zu schicken. Die EU hatte dies verlangt für das Assoziierungsabkommen. Doch seit längerem ist klar, dass der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch seine Rivalin um keinen Preis in die Freiheit entlassen will.
anukowitsch, der sich in Österreich aufhielt, musste auf den Tag genau vor neun Jahren bei einer Stichwahl eine Niederlage gegen das Timoschenko-Lager hinnehmen. Die prowestliche Orangene Revolution - mit angeführt damals von Timoschenko - dürfte er bis heute nicht vergessen haben. Auch Putin erinnert immer wieder daran.