"Das war's."
Die Schreibtrainerin Katja Günther steht am Eingang einer alten Scheune, die zum Seminarhaus umgebaut wurde. Der rote Backstein hält den großen Raum mit den freigelegten Balken an diesem heißen Sommertag angenehm kühl. 14 Frauen und Männer zwischen Ende 20 und Mitte 60 sitzen je an einem Schreibtisch – ihr Laptop vor ihnen, hier und da ein paar Bücher, Stifte, Karteikärtchen. Als die Trainerin den Beginn der Mittagspause einläutet, bleiben sie unbewegt sitzen.
"Das dauert, bis die aus ihrer Konzentration wieder rauskommen."
Eine zweistündige Schreibphase liegt hinter den Teilnehmern des Schreibaschrams. Die meisten arbeiten an ihrer Dissertation, aber auch eine Masterarbeit ist dabei und eine Habilitationsschrift. An dieser arbeitet Andrea Behrens - immer wieder, seit mehreren Jahren. Viele der Teilnehmer finden in ihrem Alltag kaum Zeit zum Schreiben.
"Ich mache ein Doktoratsstudium und arbeite aber jetzt schon als wissenschaftlicher Volontär an einer Kunstsammlung in Chemnitz, und zum anderen hab ich einen 13 Monate alten Sohn. Es ist die erste Gelegenheit seit einem Jahr, wo ich wieder so konzentriert dran arbeiten kann und ich bin jetzt konzentriert, so konzentriert wie schon lange nicht mehr."
Höchste Konzentration
Neu Schönau, das Dorf an der mecklenburgischen Seenplatte, in dem der Schreibaschram stattfindet, bietet wenig Möglichkeit zur Ablenkung. Sanfte Hügel, Felder, Wiesen umgeben das Seminarhaus und genau eine Straße führt durch den Ort. Dazu geben die Trainerinnen einen verbindlichen Tagesplan vor: Nach dem Aufstehen Sport in der Natur, kurzes Frühstück, drei zweistündige Schreibphasen über den Tag verteilt, dazwischen klar begrenzte Pausen. Jeden Tag das gleiche.
"Ich muss mich nur noch entscheiden, an was arbeite ich jetzt, an was schreibe ich, welches Kapitel möchte ich heute bearbeiten? Aber nicht mehr, wohin gehe ich zum Arbeiten, wann fange ich an, und das hilft mir sehr."
Internet gibt's genau 60 Minuten am Tag.
"Das schreckt viele erst mal ab, überhaupt in den Schreibaschram zu kommen, ist aber häufig eine kleine Erweckung, weil sich dann doch eine ganz andere Produktivität einstellt, wenn man eben nicht abgelenkt ist und wenn man eben selber denkt. Also häufig neigt man ja dazu, das Denken outzusourcen – ich hab einen Gedanken, dann google ich den gleich mal – wenn's die Möglichkeit nicht gibt, bleibt mir nichts anders über, als eben den selbst fertig zu denken."
Gegenüber der Scheune, im alten Gutshaus, liegen die Schlafzimmer der Teilnehmer sowie der große, helle Essraum mit Blick auf den Garten.
"Was unheimlich bereichernd ist, find ich, dass man so bei den so ganz unverbindlichen Gesprächen, wie beim Essen und den Workshops, merkt: All das, was einem schwerfällt‚ ach das mit der Gliederung, das geht dem so! Mit dem roten Faden, das geht dem so! - Ist das vielleicht so, dass das, wo man denkt, persönlich zu scheitern, dass das einfach ein ganz normaler Teil von dem Prozess ist?"
Ähnliche Schwierigkeiten
Die Initiatoren des Schreibaschrams, Ingrid Scherübl und Katja Günther, unterstützen die Teilnehmer auch darin, ihren eigenen Schreibstil und vor allem Freude am Schreiben zu finden. Hierfür geben sie täglich einen Workshop, der auch mal spielerisch angelegt ist, sowie ein individuelles Schreibcoaching. Trotz der Hochleistung von morgens um sieben, wenn der Gong das Aufstehen einläutet, bis abends um 11, wenn der Tagesplan "Licht aus!" vorschreibt, wirken die Teilnehmer ausgeglichen, fast entspannt. Am Freitag werden sie wieder in ihren Alltag entlassen – ihre Arbeiten werden ihnen nach wie vor viel Aufmerksamkeit abverlangen.
"Wir wissen alle, die Ablenkungen sind groß und insofern ist der Schreibaschram ein Versuch, über ne bestimmte Zeit so eine Art Gewohnheit auszubilden und man dadurch sagen kann, wenn das für dich jetzt hier gut funktioniert hat, guck doch mal wie du dir zu Hause auch ne Regelmäßigkeit schaffen kannst, ne Routine schaffen kannst, was musst du, was darfst du nicht machen, damit du gut schreiben kannst?"