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ADAC
Krise, wohin man schaut

Der ADAC war der Vorzeigeklub der Republik - nah an seinen Mitgliedern, an den Autofahrern auf der Straße. Doch das Image des Vereins ist angeschlagen. Die Enthüllungen um den Autopreis "Gelber Engel" sind nicht das einzige Problem. Der ADAC könnte mit seinen vielen kommerziellen Tätigkeiten seinen Vereinsstatus verlieren.

Von Andreas Kolbe und Michael Watzke |
    ADAC-Autos stehen auf einem Parkplatz
    Bei all den Fehlern, die beim ADAC jetzt ans Tageslicht kommen, muss sich der Automobilclub den Vorwurf gefallen lassen, Vereins- und Wirtschaftsinteressen miteinander vermischt zu haben. (Karl-Josef Hildenbrand dpa / picture-alliance)
    "Guido Daams, ADAC Straßenwacht, guten Tag! ... In circa fünf Minuten bin ich bei Ihnen, ja?"
    Unterwegs in Düsseldorf. Seit viertel vor sechs am Morgen ist Pannenhelfer Guido Daams im Dauereinsatz. Starthilfe, Geräusche beim Fahren, ein platter Reifen. Und nun: Autoschlüssel im verschlossenen Fahrzeug.
    "Guten Morgen! Hallo! ... Herr Nehrmann, irgendetwas außerhalb des Fahrzeugs? Personalausweis? Fahrzeugschein?"
    Ein Fahrzeug öffnen - das gehört zu den Routine-Einsätzen für den groß gewachsenen Straßenwacht-Fahrer mit der leuchtend gelben Arbeitshose. Doch schon nach wenigen Augenblicken ist klar, dass Guido Daams bei diesem Transporter wohl nicht helfen kann.
    "Wo ist denn der Schlüssel?
    - Im Laderaum.
    - Den Fahrerraum kriegen wir auf, aber wir kriegen nicht den Rest auf.
    - Scheiße!"
    Guido Daams und seine Kollegen sind das Gesicht des ADAC auf der Straße. 1.700 sogenannte Gelbe Engel sind bundesweit rund um die Uhr unterwegs. Mehr als zweieinhalb Millionen Panneneinsätze im Jahr, bei Wind und Wetter. Vor allem deshalb sind rund 19 Millionen Menschen Mitglied geworden - im "Skandal-Klub" ADAC.
    Möglichst wenig preisgeben
    Auch Bastian Obermayer. ADAC-Mitglied seit 2009. Der 36-Jährige ist Investigativ-Journalist bei der Süddeutschen Zeitung. Seine Recherchen um den Autopreis "Gelber Engel" haben die Lawine ausgelöst, die den Klub beinahe unter sich begraben hat. Krise, wohin man schaut - das wird Thema sein bei der ADAC-Hauptversammlung am Samstag in Saarbrücken. Morgen bereits treffen sich Präsidium und Verwaltungsrat zu internen Besprechungen.
    Es sind inzwischen so viele Affären und Vorwürfe, dass Reporter Obermayer ein Buch damit füllen konnte. "Gott ist gelb", heißt es. "Wie der ADAC Deutschland belügt." Auf 160 Seiten trägt Obermayer eine Skandal-Geschichte nach der anderen zusammen.
    "Nur ein Beispiel: Es gibt einen sogenannten Treue-Tarif. Für langjährige Mitglieder über 60, die nicht mehr so viel Auto fahren. Von diesem Tarif erfährt man aber nur, wenn man selber kündigt. Dann wird gefragt: 'Sagen Sie mal, bevor Sie uns ganz verlassen - wollen Sie nicht in den Treue-Tarif wechseln? Der kostet nur 30 Euro.' Da haben wir Leute, die uns sagen: Wir wurden 25 Jahre lang beschissen. Denn die sind jetzt 85 und hatten so lange schon das Recht auf diesen Tarif - von dem wurde ihnen aber nie etwas gesagt!"
    Möglichst wenig sagen - so hat Bastian Obermayer den ADAC auch bei seinen Recherchen erlebt:
    "Vor der ganzen Aufdeckung habe ich eine Mail geschrieben und wollte vom ADAC wissen: Was sind denn die Wirtschafts-Kennzahlen? Wo geht das ganze Geld hin, diese Milliarden? Wie viele Firmen gibt es denn? Ich hab eine ganz schöne Abfuhr bekommen. Nämlich so ungefähr: Wir sind ein Verein. Wir müssen gar nichts sagen. Was wir sagen müssen, steht auch im Geschäftsbericht. Viel Spaß beim Lesen."
    Ein ADAC-Mitarbeiter liegt unter einem Fahrzeug, links im Bild sein ADAC-Pannenhilfewagen
    Eigentliches Kerngeschäft des ADAC: Pannenhilfe auf der Straße (dpa/picture alliance/Julian Stratenschulte)
    Viel zu lesen gibt es im Geschäftsbericht des ADAC e. V. allerdings nicht. Die Ergebnis-Rechnung des Regionalklubs Südbayern beispielsweise umfasst für das Jahr 2013 gerade mal vier luftig bedruckte Seiten. Und das bei Gesamteinnahmen des ADAC von rund einer Milliarde Euro pro Jahr.
    Ein Großkonzern, kein Kegelklub
    Aussagekräftiger ist da schon die Bilanz der ADAC Beteiligungs- und Wirtschaftsdienste, einer GmbH, in die der Autoklub zahlreiche Tochter- und Enkelfirmen ausgelagert hat: Autovermietung, Klubreisen, Finanzdienste, Truck-Service, Versicherungen - insgesamt 31 Gesellschaften mit einem Umsatz von noch einmal einer Milliarde Euro.
    Der ADAC ist ein Großkonzern. Und trotzdem hielten viele Mitglieder ihren Verein bis zuletzt für genauso unkommerziell wie einen Kegelklub.
    "Weil man denkt, dass die nur Pannenhilfe machen. Aber tatsächlich haben die in den vergangenen Jahrzehnten sehr, sehr viel Geld eingenommen - und das muss ja irgendwo hin. Und man wollte es ja nicht zurückgeben an die Mitglieder. Das war mal infrage gestanden, ob man nicht den Mitgliedsbeitrag extrem senkt oder ein Jahr gar nichts verlangt, weil so viel da war. Aber da hieß es dann: 'Da müssten wir den Mitgliedern erklären, dass wir so viel haben. Und wir können doch was anfangen mit dem Geld. Es ist doch gut, dass wir so viel haben.' Das war also nicht gewünscht."
    Stattdessen hat sich der ADAC eine neue Hauptverwaltung gebaut. Ein Hochhaus in der Münchner Hansastraße für 320 Millionen Euro. Und die Mitgliedsbeiträge sind weiter gestiegen. Allein im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent.
    Dass es nun ständig Kritik hagelt an seinem Arbeitgeber, ist auch an Straßenwachtfahrer Guido Daams nicht spurlos vorüber gegangen. Sagen will er dazu nichts. Fragen zur Krise des ADAC sind ihm sichtlich unangenehm. Mehr als ein knapper Satz geht ihm nicht über die Lippen.
    "Ich war schon ein bisschen enttäuscht."
    In Düsseldorf-Oberkassel hat Guido Daams inzwischen mit der Routine eines Autoknackers die verschlossene Fahrertür geöffnet. Doch an die vergessenen Autoschlüssel im Laderaum ist auch von hier kein Rankommen. Mühsam versucht er nun, eine kleine Glasscheibe aus der Trennwand zu hebeln - ein Schauspiel für Passanten und Anwohner.
    "Er ist ja wirklich rührend bemüht. Und ich schätze, der zwängt sich nachher noch durch das kleine Loch da in dem Fensterchen."
    Nachbar Michael Packenius ist selbst ADAC-Mitglied.
    "Nach den Nachrichten der letzten Monate und der etwas selbstverliebten großkopferten Geschäftsführung muss ich sagen, ist das wirklich der Einsatz am Autofahrer. Das rückt das Bild wieder richtig. Ich glaube, "die da unten" haben mit "denen da oben" nichts gemein."
    "Die da unten" haben einmal im Jahr die Möglichkeit, "die da oben" zu treffen. Theoretisch zumindest.
    Empfangsdame: "Würden Sie bitte hier noch unterschreiben, dass Sie da sind?"
    ... bei den Mitgliederversammlungen der ADAC-Regionalklubs. Etwa beim ADAC Südbayern.
    "Und dann kriegen Sie noch ein Armband."
    Mitgliederfrust: "Die sollten mal einen auf den Deckel kriegen"
    Der drittgrößte Gau des ADAC - so heißen die Regionalklubs im vereinseigenen Sprech - trifft sich im teuersten Hotel Münchens. Das habe praktische Gründe, erklärt unter gewaltigen Kristalllüstern ADAC-Pressesprecher Axel Arnold:
    "Wir hier in München haben das schon seit vielen Jahren in diesem Hotel "Bayerischer Hof". Hier ist die ganze Infrastruktur vorhanden, die Mitarbeiter haben alle kurze Wege. Der Aufwand ist überschaubar."
    Überschaubar ist der Aufwand vor allem deshalb, weil kaum ein normales ADAC-Mitglied an der Versammlung teilnimmt. Dieses Jahr haben sich genau 92 angemeldet. Das sind weniger als 0,01 Prozent der 1,7 Millionen Mitglieder des ADAC Südbayern. Zu ihnen gehört auch die Münchnerin Luitgard Krug, seit mehreren Jahrzehnten im ADAC - und sauer auf das Präsidium:
    "Was in den obersten Etagen passiert, finde ich nicht gut. Aber bestraft werden die sowieso nicht, das ist mir schon klar. Weil irgendwo ... naja ... Die sollten mal einen auf den Deckel kriegen."
    Theoretisch hätte Luitgard Krug auf der Mitglieder-Versammlung Rederecht - sie hätte das aber schon Wochen vorher anmelden müssen. Stattdessen reden auch heute die Vertreter der ADAC-Ortsklubs. Diese Delegierten der lokalen Motorsport-Vereine haben auch ein größeres Stimmrecht als normale Mitglieder.
    "Meine Damen und Herren, ein herzliches Grüßgott den Ortsklub-Delegierten ..."
    Portrait, Mann mit grauem Haar, leichtem grauen Bart und Brille spricht vor blauem Hintergrund
    Der kommissarische Präsident des ADAC, August Markl (dpa/picture alliance/Andreas Gebert)
    Der erste Vorsitzende des ADAC Südbayern, August Markl, begrüßt die Teilnehmer der Versammlung. Die Sitzung ist nicht öffentlich. Journalisten müssen die Aufnahmegeräte jetzt ausschalten. Markl ist zugleich Interimspräsident der ADAC-Zentrale. Vor der Sitzung verspricht er im Deutschlandfunk-Interview, er wolle Klartext reden.
    "Ich werde in meiner Rede auch den Reformplan ansprechen. Den Zehn-Punkte-Reformplan. In dem ganz konkret auf alle Unwägbarkeiten, auf alles eingegangen wird, was der ADAC in Zukunft besser machen könnte. Wie er sich neu aufstellen könnte. Was der ADAC in Zukunft heißt und bedeutet."
    Doch in Markls 15-minütiger Rede fällt kein einziges konkretes Wort, weder über mögliche Satzungs-Änderungen noch über eine neue Vereins-Struktur. Stattdessen, Zitat:
    "Wie der erneuerte ADAC in Zukunft aussehen wird, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen, da wir den Prozess ergebnisoffen führen."
    Markl klagt in seiner Rede über eine beispiellose Medienkampagne, deren Ziel es sei, ADAC-Mitglieder zu diskreditieren. Für diesen Ausruf erhält er den stärksten Beifall. Der ADAC - eine Wagenburg. Auch unter August Markl. Als er den Posten vom geschassten Vorgänger Peter Meyer übernahm, versprach er, das Präsidentenamt nur bis zur nächsten Hauptversammlung, also bis Ende dieser Woche, ausüben zu wollen. Gerüchte, dies sei nur vorgeschoben, wies er stets empört zurück.
    "Ich habe schon gesagt, dass ich als Präsident nicht zur Verfügung stehen werde, und deshalb werde ich auch nicht kandidieren. - Das bleibt dabei? - Das bleibt dabei!"
    Ein paar Tage später verkündete Markl, er werde vorerst nun doch ADAC-Präsident bleiben. Es finde sich einfach kein geeigneter Nachfolger.
    "Herr Markl gehört - wie die anderen auch - zu den Seilschaften. Und die Seilschaften bleiben erhalten."
    Oswald Zöller ist ADAC-Mitglied, seit 15 Jahren. Der ÖDP-Politiker ist eines der 92 einfachen ADAC-Mitglieder, die zur Regionalversammlung Südbayern gekommen sind. Zöller fordert eine grundlegende personelle Erneuerung des ADAC. Wenn er sich den Geschäftsbericht des ADAC anschaut, mit den zahllosen Tochter-Unternehmen und verschachtelten Firmen-Konstruktionen, schüttelt der pensionierte Rechnungsprüfer den Kopf.
    "Hier heißt es einmal: Mitgliedsbeiträge 18 Millionen. Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb: Elf Millionen. Also hier ist eine Trennung. Aber wie setzt sich das im Einzelnen zusammen? Hier sind zwar ein paar Betriebe des ADAC aufgeführt, aber ob das tatsächlich so ist, ist überhaupt nicht nachprüfbar. Wer dies prüft, wer den Vorstand prüft - keine Ahnung. Die zwei Rechnungsprüfer mit viereinhalb Stunden können so gut wie nichts bewerkstelligen."
    Vom Verein zur Aktiengesellschaft?
    Und wer bei den Rechnungsprüfern der Münchner Kanzlei Kleeberg & Partner nachfragt, erhält keine Auskunft. Es gelte das Vereinsrecht, heißt es. Und das schützt den ADAC vor neugierigen Journalisten. Noch.
    "Um das mal ganz deutlich zu sagen, der ADAC wird sich im Rahmen dieses Reformprozesses entscheiden müssen, ob er weiterhin ein Verein bleiben will oder ob er sich entscheidet, eher ein kommerzielles Wirtschaftsunternehmen zu sein. Das ist die entscheidende Frage. Und da müssen die intern eine ganze Menge Überzeugungsarbeit in der einen oder anderen Richtung leisten."
    Edda Müller ist Vorsitzende der Antikorruptionsorganisation Transparency International in Deutschland. Sie ist vom ADAC in einen neu geschaffenen Beirat berufen worden. Dieses externe Gremium soll dem Autoklub bei der angestoßenen Erneuerung auf die Finger schauen.
    Mitglieder sind auch der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier und der Chef der deutschen Unicef-Sektion Jürgen Heraeus. Lauter erfahrene und angesehene Persönlichkeiten - die helfen sollen, das verloren gegangene Vertrauen in den ADAC wiederherzustellen.
    Und das sei vor allem eine Frage des Selbstverständnisses, sagt Transparency-Chefin Edda Müller. Verein oder Großkonzern? Die ADAC-Mitglieder und -Gremien müssen sich entscheiden.
    "Es hat ja im Laufe der 111 Jahre, die der Verein existiert, in den letzten Jahrzehnten eine Orientierung gegeben, die eigentlich zunächst nicht vorgesehen war. Man hat sich vorgenommen, auch durchaus wirtschaftlich attraktive Aufgaben zu übernehmen. Und es muss heute geklärt werden, will man die so weiter ausbauen? Oder will man weiterhin die Vereinsfunktion ausbauen? Dann bräuchte man eine stärkere Anbindung und Orientierung an den Mitgliedern, an den Leistungen für die Mitglieder. Und man muss sich natürlich entscheiden, wie will man eigentlich auftreten und wie will man legitimieren, die Interessenvertretungsfunktion des ADAC zum Beispiel gegenüber der Politik in Sachen Verkehrspolitik und Mobilität."
    Auf der bevorstehenden Hauptversammlung in Saarbrücken seien allerdings noch keine grundsätzlichen Entscheidungen zu erwarten, sagt Müller. Über die geplanten Reformen soll erst im Herbst eine außerordentliche Hauptversammlung entscheiden. Bis dahin werden Arbeitsgruppen im ADAC, begleitet vom Beirat, insgesamt sieben Reformpakete ausarbeiten - zu 'Leistungen und Produkten' des Klubs beispielsweise, zur 'Einbindung der Mitglieder' oder unter der Überschrift 'Unternehmenskultur und Zusammenarbeit'.
    Das Stichwort 'Finanzen' findet sich nicht auf dieser Liste. Dabei lasse die vom ADAC versprochene neue Offenheit gerade in diesem Bereich zu wünschen übrig, meint Beiratsmitglied Edda Müller.
    "Also, ich habe nicht den Eindruck - ich glaube, den hat niemand - dass wir es hier mit einem notleidenden Verein zu tun haben. Aber ich muss deutlich sagen, dass - auch nach der zweiten Sitzung - ich noch keinen hundertprozentigen Überblick darüber habe, wie eigentlich die Finanzsituation des Vereins aussieht. Also hier ist absolut mehr Transparenz notwendig."
    Mitglieder werden aus Willensbildung herausgehalten
    Mehr Transparenz wird immer wieder gefordert, auch wenn es um die Führungs- und Organisationsstruktur des ADAC geht: Da sind hauptamtliche Mitarbeiter und ehrenamtliche Vereinshierarchen, der Gesamtverein in München und 18 Regionalklubs, genannt Gaue. Dazu unzählige Tochter- und Enkelgesellschaften. Geschäftsführer und Aufsichtsräte. Delegierte und Spartenleiter ... Selten hat der Begriff Filz eine Vereinsstruktur so gut getroffen.
    "Die Konsequenz ist, dass eine Mitbestimmung durch die 19 Millionen Mitglieder nicht stattfindet. Der ADAC beansprucht für sich selbst, ein demokratisch aufgebauter Verein zu sein. Das ist er aus meiner Sicht nicht",
    sagt Ulrich Segna. Der Jurist mit dem Fachgebiet Vereinsrecht lehrt an der Universität Luxemburg. Für seine Doktorarbeit hat er sich jahrelang mit den Strukturen des ADAC beschäftigt. Sein Urteil fällt vernichtend aus - etwa mit Blick auf die bevorstehende Hauptversammlung, zu der keine einfachen ADAC-Mitglieder eingeladen sind, sondern fast ausschließlich Funktionäre des Vereins.
    "Nun wäre das - so ungewöhnlich es ist - noch einigermaßen hinnehmbar, wenn die Mitglieder auf der Ebene ihres Regionalvereins effektive Mitspracherechte hätten. Aber auch das ist nicht der Fall. In den Satzungen der Regionalvereine finden wir verschiedene Vorkehrungen, die erkennbar darauf hinauslaufen sollen, die 19 Millionen Mitglieder aus der Willensbildung des Vereins herauszuhalten."
    So wird zu Mitgliederversammlungen nicht per Brief eingeladen, sondern im Kleingedruckten der Klubzeitschrift Motorwelt. Meist verzichtet der ADAC auf die Bekanntgabe einer Tagesordnung, was selbst in Kegelklubs und Kleingartenvereinen Standard ist. Und wer sich dennoch fristgerecht anmeldet, dem bleibt kaum mehr, als die Beschlussvorlagen der herrschenden Vereinsmeier abzunicken. Die formellen Hürden für eigene Anträge sind für einfache Mitglieder kaum zu überwinden.
    So ist der ADAC einer der größten Vereine der Bundesrepublik - und zugleich einer mit der geringsten Kontrolle durch die Basis. Problematisch ist das auch, weil der ADAC sich auch in politische Debatten einmischt - mit dem Argument, er vertrete die Interessen von 19 Millionen Autofahrern und Wählern.
    Ob der ADAC überhaupt noch ein Verein sein darf, das muss derzeit das Amtsgericht München klären. Dort ist der Allgemeine Deutsche Automobil-Club als eingetragener Verein registriert. Ideeller Zweck des Klubs, so steht es in der Satzung, ist "die Wahrnehmung und Förderung der Interessen des Kraftfahrwesens, des Motorsports und des Tourismus".
    Für Juristen ist dies ein nicht wirtschaftlicher Zweck - die Voraussetzung, um als e. V. anerkannt zu werden, erklärt der Jurist Ulrich Segna:
    "Beim ADAC haben wir aber natürlich das Problem, dass der Verein über seine zahlreichen Tochter- und Enkelgesellschaften in ganz erheblichem Umfang wirtschaftliche Aktivitäten wahrnimmt. Und damit sind wir bei einem ganz heiklen juristischen Problem des ADAC. Nämlich bei der Frage, ob wir diese externen unternehmerischen Aktivitäten dem Verein als eigene zurechnen müssen. Wäre das der Fall, dann könnte der ADAC nicht länger im Vereinsregister eingetragen sein. Und insofern wird es interessant sein zu erfahren, wie das Registergericht in München sich zu dieser Frage verhält."
    Dienst am Autofahrer wieder in den Vordergrund?
    Viele andere Großvereine beobachten das Verfahren mit Sorge: Zum Beispiel Bundesligaklubs, die für ihre Profimannschaften GmbHs gegründet haben, oder die Technischen Überwachungsvereine, die ihre Dienstleistungen fast ausschließlich über Tochtergesellschaften anbieten.
    Denn die Grundkonstruktion basiert hier wie da auf einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 1982, dem sogenannten ADAC-Urteil. Damals hatte der BGH die unternehmerische Betätigung eines Vereins in ausgelagerter Form für uneingeschränkt rechtmäßig erklärt. Eine Sichtweise, die unter Juristen heute hoch umstritten ist:
    "Selbst ehemalige Richter vom Bundesgerichtshof haben sich inzwischen von diesem Urteil distanziert. Und von daher wäre es ganz wichtig, dass diese zentrale Rechtsfrage mal wieder bis nach Karlsruhe kommt und dort noch mal eingehend diskutiert wird."
    Für den ADAC hätte der Verlust des Vereinsstatus gravierende Folgen. Entweder wäre der Klub gezwungen, sich in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, oder er müsste seine geschäftlichen Aktivitäten so stark zurückfahren, dass der ideelle Zweck wieder erkennbar im Vordergrund steht: der Dienst am Autofahrer.
    So wie bei Pannenhelfer Guido Daams in Düsseldorf. Nach fast einer Stunde schweißtreibender Arbeit ist er der Held der Straße. Durch das kleine Fenster zum Laderaum hat er mithilfe eines Besenstiels die Schiebetür des Lieferwagens von innen entriegelt. ADAC-Mitglied Michael Nehrmann hält erleichtert die vergessenen Schlüssel in den Händen - und das angekratzte Image des ADAC ist zumindest bei einem der fast 19 Millionen Mitglieder wieder im Lot.
    "Die Gelben Engel können ja immer nichts dafür, für das Unternehmen selber. Man muss ja unterscheiden zwischen den netten Helfern auf der Straße und dem Konzern selber. Vielen Dank!
    - Einen schönen Tag noch!
    - Wünsch ich auch!
    - Gute Fahrt weiterhin!
    - Wo ist jetzt eigentlich mein Schlüssel, bevor ich die Tür hier wieder zuknalle?"