Dirk-Oliver Heckmann: Und zugehört hat Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler, Redakteur der "Blätter für Deutsche und Internationale Politik". Schönen guten Tag, Herr von Lucke!
Albrecht von Lucke: Guten Tag, Herr Heckmann!
Heckmann: Die Delegierten lehnen es also ab, über Petrys Zukunftsantrag überhaupt nur zu debattieren. Das ist eine schwere Schlappe für Frauke Petry, oder?
von Lucke: Ja, man kann das, was der Kollege Maas gesagt hat, noch zuspitzen: Es ist die Niederlage auf ganzer Strecke. Denn das müssen wir uns bewusst machen: Sie hatte doch ein ganz wichtiges Ziel. Sie wollte, indem sie sich personell aus der Schusslinie nahm – sie hatte ja bereits im Vorfeld gesehen, dass sie mit ihrer alleinigen Spitzenkandidatur gar keine Chance hat, dass sie isoliert ist im Parteivorstand. Sie hat dann alles auf eine Karte gesetzt, nämlich die inhaltliche Auseinandersetzung, eben den besagten Zukunftsantrag, mit dem sie sich durchsetzen wollte gegen die angebliche Fundamentalopposition, eine Strategie von Herrn Gauland. Da hat sie nun auch eine fundamentale Schlappe erlebt. Und die dritte Frage, die jetzt noch im Raum ist, wird die sein, ob es tatsächlich den Gegenkräften gelingt, ein Team, ein Spitzenteam zu bilden. Wenn das der Fall ist, ist Frauke Petry sowohl inhaltlich wie personell vollkommen entmachtet, dann ist sie eine Parteivorsitzende ohne Land.
Petrys Gegner: ein rechtsbürgerliches Bündnis aus Gauland und Weidel
Heckmann: Das heißt, im Prinzip hat sie aus Ihrer Sicht den Machtkampf bereits verloren?
von Lucke: Den hat sie in dem Augenblick verloren, wo die anderen Kräfte einen tatsächlichen Teamvorschlag zustande bringen, der auch gewählt wird. Denn dann ist ganz klar, dann vertreten in diesem Wahlkampf andere Kräfte diese Partei. Es spricht viel dafür, dass Alexander Gauland und Frau Weidel sich verständigt haben. Das wäre gewissermaßen die rechtsnationale Flanke und der, man kann es so sagen, neoliberale Aspekt, den Frau Weidel beisteuert, also gewissermaßen auch das, was man als das rechtsbürgerliche Bündnis begreifen könnte. Wenn das gelänge, vielleicht noch unter Hinzuziehung einiger anderer Kräfte – das ist dann aber nicht weiter relevant –, dann wäre Frauke Petry faktisch entmachtet. Denn dann bliebe sie zwar Parteivorsitzende, aber die inhaltliche strategische Ausrichtung betreiben andere, und dann bleibt eigentlich für sie ein Stück weit auch die Frage, was hat sie noch in dieser Partei, jedenfalls als Machtposition, verloren? Dann wird die Isolation, die sie längst im Parteivorstand auszeichnet, dann wird das überdeutlich.
Petry sei "Teil eines rechtspopulistischen Parteizusammenhangs"
Heckmann: Ist das Ganze, Herr von Lucke, eigentlich ein Richtungskampf, ein echter Richtungskampf, oder ein reiner Machtkampf? Anders gefragt, geht es darum, welche Richtung die Partei nimmt, oder nur darum, wer das Sagen hat?
von Lucke: Nein, Sie sagen es zu Recht: Es geht im Kern um einen Machtkampf. Denn wir müssen uns eines bewusst machen: Auch Frauke Petry und ihr Mann Marcus Pretzell waren ja keineswegs moderate Kräfte. Ganz im Gegenteil, Marcus Pretzell war einer derjenigen, die die AfD zu einer Pegida-Partei machen wollten, das war sein Wort. Dann kam hinzu, dass Frauke Petry und Herr Pretzell die treibenden Kräfte waren beim Schulterschluss mit Herrn Wilders und Frau Le Pen, also den rechtspopulistischen Kräften aus den Niederlanden und Frankreich. Das heißt, diese Inszenierung eines moderaten Kurses durch Frauke Petry war eher der Versuch, die Zauberlehrlingsrolle, die sie spielte, die Geister, die sie entlassen hat, nämlich auch die Tatsache, dass sie durchaus ja mit Björn Höcke paktiert hatte, um Bernd Lucke von der Macht zu beseitigen. Sie hat den Eindruck zu erwecken versucht, dass sie nun ein moderates Spiel spielt, aber faktisch ist sie natürlich auch Teil eines rechtspopulistischen Parteizusammenhangs, und darüber kann letztlich auch nicht hinweggetäuscht werden.
Petrys bürgerliches Image: "eine machtstrategische Überlegung"
Heckmann: Das heißt, diese Forderung, Herr von Lucke, darf ich da kurz einhaken, diese Forderung von Frauke Petry nach stärkerer Abgrenzung von rechts oder überhaupt nach einer Abgrenzung von rechts, das ist aus Ihrer Sicht eine taktische Volte, um Kritiker loszuwerden?
von Lucke: Zuallererst, ersichtlich. Und das ist ja auch das Problem. Es war durchschaubar, das es in allererster Linie eine machtstrategische Überlegung war. Ich glaube durchaus, dass Frauke Petry auch gemerkt hat – denn sie ist natürlich in der Öffentlichkeit als eine eher bürgerliche Kraft, verglichen beispielsweise mit Björn Höcke oder auch Alexander Gauland – erschienen. Sie hat gemerkt, dass ein anderer Kurs ihr nicht zugute kommt und dass er die Gegner eher stärkt und tatsächlich auch Wähler in der Mitte verprellt. Aber faktisch hat sie ganz andere strategische Ziele verfolgt. Sie wollte sich durchsetzen, ihren Weg durchsetzen, und hat diese Auseinandersetzung gesucht und hat jetzt verloren, obwohl sie eben tatsächlich davor – wir erinnern uns an die Auseinandersetzung – gegen Bernd Lucke sich ja durchaus mit Björn Höcke und Alexander Gauland glänzend verstanden hat.
"Die AfD wird durch den äußeren Gegner zusammengeschweißt"
Heckmann: Frauke Petry hatte ja eine Spitzenkandidatur in dieser Woche völlig überraschend ausgeschlossen, in jeglicher Form, ob allein oder innerhalb eines Teams. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie doch noch einen Platz innerhalb eines Spitzenteams bekommt?
von Lucke: Das ist jetzt tatsächlich die ganz spannende und eigentlich fast entscheidende Frage. Wird die Fraktion Gauland, Weidel und die anderen – es sind ja viele andere, die eigentlich geschlossen gegen Frauke Petry stehen, eben Herr Meuthen und die anderen, Herr Hampel aus Niedersachsen –, werden sie ihren Sieg jetzt voll durchziehen, ganz lapidar gesagt. Das heißt also wirklich, zulasten von Frauke Petry ein eigenes Spitzenteam bilden, dann wäre die personelle Frage wirklich entschieden. Oder gehen sie so weit, zu sagen, sie machen ihr noch ein Angebot. Sie hatte allerdings im Vorfeld, Frau Petry, ja definitiv ausgeschlossen, auch übrigens Herr Pretzell ausgeschlossen, tatsächlich dann doch noch in ein Team einzutreten. Sie könnten das natürlich jetzt trotzdem tun von der Gegenseite, würden Frauke Petry damit noch mal ein gesichtswahrendes Angebot machen, und sie würde gewissermaßen dann wiederum ihre Sympathiewerte in dieses Spitzenteam einbringen. Denn es ist natürlich ganz klar: Die Tatsache, dass Frauke Petry derartig deklassiert wird, erweckt in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass die rechten Kräfte sich durchgesetzt haben. Das ist durchaus auch eine gewisse Schwächung im Wahlkampf. Das wird die entscheidende Frage sein. Versucht man jetzt, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen – vielleicht übrigens auch unter dem Eindruck der äußeren Umstände? Denn wir müssen uns eines bewusst machen:
"Diese AfD ist nicht verboten"
Eine Partei wie die AfD, eine rechte Partei, wird natürlich durch den äußeren Gegner immer zusammengeschweißt. Die Tatsache, dass in gewaltigem Maße demonstriert wird – und ich muss übrigens an dieser Stelle ausdrücklich sagen, zum Glück nicht so massiv demonstriert wurde, dass der Parteitag verhindert worden wäre, denn das ist für unsere Demokratie verheerend. Wir haben ein Parteienprivileg. Diese AfD ist nicht verboten. Es ist wichtig, dass sie ihre Parteitage durchführen darf, ansonsten machen wir uns den Vorwurf des Undemokratischen. Aber es kann sein, dass genau die äußeren Gegner diese Partei jetzt zusammenschweißt und man dann doch zu einer Kompromisslösung kommt, wo Frau Petry dann vielleicht doch noch gesichtswahrenderweise Teil eines Spitzenteams wäre. Das wäre wahrscheinlich sogar im Sinne der Stärke der AfD im Wahlkampf die beste Lösung. Aber ich kann mir vorstellen, dass Herr Gauland und Frau Weidel und die anderen aus dem Parteivorstand sich die Chance nicht entgehen lassen, Frau Petry jetzt endgültig zu deklassieren.
Heckmann: Letzte Frage, Herr von Lucke, mit Bitte um kurze Antwort: Wie groß sind die Chancen aus Ihrer Sicht, der AfD bei den kommenden Wahlen – ich sage nur mal Nordrhein-Westfalen-, Bundestagswahlen?
von Lucke: Ich glaube, dass die Chancen nach wie vor sehr gut sind. Frauke Petry hat, das war ihr großer Fehler von Anfang an, die reinen Persönlichkeitswerte überschätzt. Ich glaube nicht, dass Frauke Petry allein diese AfD-Konjunktur erzeugt hat. Natürlich wäre es spannend und vielleicht sogar dramatisch, wenn sie aus der Partei austräte. Denn sie könnte natürlich sagen, ich habe meine Position verloren. Wenn das der Fall wäre, würde die AfD sicherlich einige Prozente verlieren. Ist das nicht der Fall, bleibt sie Parteivorsitzende, bleibt also in der Partei, dann wird die AfD sich wahrscheinlich beruhigen, und sie wird mit einem neuen Spitzenteam aller Voraussicht nach in den Bundestag einziehen, wie natürlich auch in Nordrhein-Westfalen in den Landtag.
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