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AfD-Politiker Poggenburg
"Ich rate Petry ganz dringend, selber die Partei zu verlassen"

Die Entscheidung von Frauke Petry, der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören zu wollen, habe ihn nur "etwas überrascht", sagte André Poggenburg, Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, im Dlf. Die Bundesvorsitzende sei unberechenbar geworden. Wenn sie nicht freiwillig gehe, sei ein Parteiausschlussverfahren nicht zu verhindern.

André Poggenburg im Gespräch mit Mario Dobovisek | 26.09.2017
    Der ehemalige AfD-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg
    Der ehemalige AfD-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg (pa/dpa/arifoto)
    Mario Dobovisek: 12,6 Prozent der Wähler haben ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Mit 94 Abgeordneten zieht sie erstmals in den Deutschen Bundestag ein. Nicht ganz, müssen wir inzwischen ergänzen, denn Parteichefin Frauke Petry hat zwar in ihrem sächsischen Wahlkreis ein Direktmandat erworben, will aber als Abgeordnete mit der AfD sozusagen nichts mehr zu tun haben. Überraschend hat sie gestern angekündigt, sie werde nicht der AfD-Fraktion im Bundestag angehören und stattdessen fraktionslos sein.
    O-Ton Frauke Petry: "Eine anarchische Partei, wie es in den vergangenen Wochen das eine oder andere Mal zu hören war, die die AfD sei, die kann in der Opposition erfolgreich sein, aber sie kann eben dem Wähler kein glaubwürdiges Angebot für eine Regierungsübernahme machen. Und das ist der Grund, meine Damen und Herren, für mich nach langer Überlegung zu entscheiden, dass ich der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag nicht angehören werde."
    Dobovisek: Soweit Frauke Petry gestern auf der eigentlich gemeinsamen Pressekonferenz mit ihren Parteikollegen, die sie nach ihrem kurzen Statement dann verlassen hat. – Am Telefon begrüße ich André Poggenburg, Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, dort auch Fraktionsvorsitzender im Landtag. Er gehört zum rechten Flügel seiner Partei, der auch von Frauke Petry mit in die Kritik genommen wurde. Guten Morgen, Herr Poggenburg.
    André Poggenburg: Guten Morgen!
    Dobovisek: Hat Sie Frauke Petrys Schritt gestern überrascht?
    Poggenburg: Etwas überrascht schon. Nicht unbedingt erschrocken. Denn wir haben schon mehrmals darauf hingewiesen in den letzten Wochen und Monaten, wie unberechenbar unsere Bundesvorsitzende doch ist. Und deswegen kein großes Erschrecken.
    Dobovisek: Ist sie noch Ihre Bundesvorsitzende?
    Poggenburg: Sie ist noch unsere Bundesvorsitzende. Das ist ganz klar. Allerdings habe ich persönlich, aber auch andere Bundesvorstandsmitglieder ihr gestern auch deutlich gemacht, dass sie doch bitte diesen Schritt zu Ende gehen soll, das heißt, sich nicht nur aus der Verantwortung der AfD-Fraktion im Bundestag entzieht, sondern bitte die Partei dann auch im Ganzen verlassen soll. Wenn sie Alleingänge machen soll, kann sie das gerne tun, aber dann bitte außerhalb der AfD.
    Dobovisek: Auf ihrer Facebook-Seite wird Frauke Petry gerade in tausenden Kommentaren wüst beschimpft. Sie erntet aber auch viel Lob und Anerkennung für ihren Schritt. Das reicht von Titeln wie "Verräterin" bis hin zur Heldin. Was ist Frauke Petry für Sie?
    Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD), spricht am 25.09.2017 in Berlin mit Journalisten, nachdem sie die Bundespressekonferenz verlassen hat. 
    Frauke Petry, Bundesvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD), spricht am 25.09.2017 in Berlin mit Journalisten, nachdem sie die Bundespressekonferenz verlassen hat.  (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Poggenburg: In dem Falle keines von beidem. Man muss ganz einfach sagen, wir sollten das gar nicht so hochkochen lassen. Sie hat schon immer versucht, sehr stark ihre eigene Agenda zu fahren. Natürlich hat Frau Petry auch enorme Talente in die Partei mit eingebracht. Klar ist aber, es geht eben nur miteinander, und das kann sie schwer. Und deswegen stehen wir an dem Punkt, wo wir jetzt sind.
    "Parteiausschlussverfahren könnte folgen"
    Dobovisek: Was, wenn sie nicht freiwillig geht?
    Poggenburg: Wenn sie nicht freiwillig geht, ist damit zu rechnen, dass ein Parteiausschlussverfahren sicherlich folgen muss. Das wird sich kaum verhindern lassen. Nach den Äußerungen der letzten Woche im Wahlkampf, Schießen gegen das Spitzenteam, jetzt dieser Alleingang – ich rate ihr ganz dringend an, dem alles zuvorzukommen und selber die Partei zu verlassen.
    Dobovisek: Schauen wir uns doch Frauke Petrys Argumente einmal genauer an. Wer das auch noch im Detail nachlesen möchte, der kann auf das Facebook-Profil von Frauke Petry gehen. Da hat sie gestern ein ausführliches Statement veröffentlicht. Darin spricht sie von einem gärigen Haufen, einer anarchischen Partei, die lieber Oppositionspartei sein will, statt realistische Angebote an den Wähler zu machen. Erkennen Sie Ihre Partei darin wieder?
    Poggenburg: Nein, überhaupt nicht. Wissen Sie, natürlich ist das ein realistisches Angebot, wenn man dem Wähler sagt, wir nehmen den Auftrag ernst und sind erst mal grundlegende Opposition. Das will der Wähler jetzt. Das heißt aber nicht, dass man nicht in einer gewissen Zukunft natürlich auch Regierungsverantwortung übernehmen kann. Aber klar ist, es muss Schritt für Schritt gehen. Es kann nicht der zweite Schritt vor dem ersten getan werden. Das möchte Frau Petry gerne und damit geht die Mehrheit der AfD eben nicht mit.
    "Wir sehen Realpolitik als Oppositionsarbeit an"
    Dobovisek: Sie schreibt aber auch, dass Realpolitiker in der AfD zunehmend marginalisiert würden. Sie spricht auch von einer stillen Abwanderung seriöser Mitglieder. Das konnten wir gestern auch in Mecklenburg-Vorpommern beobachten, wo als bürgerlich gemäßigt geltende Abgeordnete (drei, um genau zu sein) die Landtagsfraktion dort verlassen haben. Es geht um Differenzen in Sachfragen, um persönlichen Umgang miteinander, hieß es da gestern. Das stützt dann doch eher die Vorwürfe Frauke Petrys.
    Poggenburg: Nein, überhaupt nicht, denn es ist schon vermessen, für sich den Begriff Realpolitiker in Anspruch zu nehmen und ihn für andere abzusprechen. Das ist Quatsch. Wir machen in anderen Landesparlamenten auch Realpolitik, aber wir sehen Realpolitik im Moment als grundlegende Oppositionsarbeit an, und das lassen wir uns auch nicht nehmen, auch nicht absprechen, auch nicht von einer Frau Petry.
    Dobovisek: Wenn Ihr Spitzenkandidat Alexander Gauland sinngemäß sagt, die AfD sei eine junge Partei, die gar nicht auf alles eine Antwort geben müsse mit Blick auf das Programm der AfD, in dem große Lücken sind, wie wollen Sie diese Lücken im Bundestag schließen als Partei? Als Protestpartei mit Provokation, oder mit realpolitischen Angeboten?
    Poggenburg: Damit hat Herr Gauland erst mal vollkommen recht. Wir geben das ehrlich zu: Wir haben noch nicht zu jedem Punkt die komplette Lösung. Aber wir sprechen wichtige Probleme an. Das will der Wähler auch. Und natürlich arbeiten wir uns Monat für Monat, Jahr für Jahr vorwärts. Wir lernen dazu, wir vergrößern unser Angebot. Das ist doch ganz klar.
    Dobovisek: Das hören wir schon seit vier Jahren, Herr Poggenburg.
    Poggenburg: Natürlich, ganz richtig. Und trotzdem sind wir mit vier Jahren eine sehr junge Partei immer noch. Die Findungsphase können Sie sicherlich rechnen in der Zeit von fünf bis zehn Jahren. Es kommt auch ständig was dazu.
    Dobovisek: Aber jetzt sitzen Sie im Bundestag.
    Poggenburg: Richtig!
    Dobovisek: Jetzt müssen Sie Antworten finden auch zum Beispiel auf wichtige, wirklich wichtige Fragen wie die Rentenpolitik, und da gehen die Meinungen ganz weit auseinander in der AfD.
    Poggenburg: Ganz genau. Da haben Sie vollkommen recht. Das ist so ein Punkt und da wird es heftige Streitdebatten innerhalb der AfD geben. Aber wichtig: Da wird um ein Sachthema gestritten und nicht um Personalien, und das nimmt uns dann auch kein Wähler übel.
    "Hoffe, dass wir uns im nächsten Jahr zu einem gemeinsamen Programm durchringen können"
    Dobovisek: Wann haben Sie eine Antwort auf diese Frage, welches Rentensystem Sie wollen? Meuthen zum Beispiel, Ihr Parteivorsitzender, will einen kompletten Systemwechsel. Sie sehen das konträr. Wann gibt es da die Antworten drauf?
    Poggenburg: Ich hoffe doch mal sehr, dass wir im nächsten Jahr uns dann wirklich zu einem gemeinsamen Programm durchringen können.
    Dobovisek: Warum hoffen Sie nur?
    Poggenburg: Weil man das nie abschließend vorher sagen kann, weil das ist ein Prozess. Der ist ja auch schon im Gange. Sie haben es ja richtig gesagt. Es gibt ja schon verschiedene Ansätze dazu. Letztendlich muss es aber eine Linie geben und der müssen sich nach Mehrheitsbeschluss dann natürlich auch alle unterordnen. Das gehört auch zur Demokratie dazu.
    Dobovisek: Ich habe die Jagd auf die Bundesregierung von Alexander Gauland schon zitiert. Auch wollte er Aydan Özoguz von der SPD in Anatolien entsorgen. Sie selbst, Herr Poggenburg, wurden von Ihrem eigenen Vorstand schon für nationalistische Äußerungen abgemahnt. Es ging unter anderem um das Zitat "Deutschland den Deutschen". Auch diese radikale Wortwahl kritisiert Frauke Petry. Hat sich die AfD radikalisiert?
    Poggenburg: Nein. Ich bin nicht für nationalistische Wortwahl abgewatscht worden, denn ich habe nie nationalistische Wortwahl in den Mund genommen.
    Dobovisek: Das ist Ihre Interpretation.
    Poggenburg: Nationale, kann man sagen, weil Deutschland den Deutschen ist natürlich nicht nationalistisch. Ich habe ja nicht gesagt, Deutschland überall, sondern Deutschland den Deutschen.
    Dobovisek: Das sehen Sie so.
    Vermeintlicher Rechtsruck "wird immer nur herbeigeredet"
    Poggenburg: Und da muss ich ganz klar sagen, das ist eine ganz normale Aussage. Da stehen viele auch dahinter, übrigens auch ein Herr Gauland. Immer mehr Leute stehen dahinter. Es ist in Frankreich eine normale Aussage, Frankreich den Franzosen. Die Türkei den Türken, eine völlig normale Aussage.
    Dobovisek: Hat sich die AfD radikalisiert?
    Poggenburg: Das glaube ich nicht, denn der Kurs ist gleich geblieben. Wenn ich überlege, wie ein Herr Lucke damals schon als Rechtsradikaler bezeichnet wurde - ich erinnere mich da so an Schlagzeilen -, gibt es diesen vermeintlichen Rechtsruck nicht. Wenn es den gäbe, über Jahre angeblich, müssten wir schon lange über den rechten Tellerrand gefallen sein. Das wird immer nur herbeigeredet.
    Dobovisek: André Poggenburg ist Vorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt. Vielen Dank für das Gespräch.
    Poggenburg: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.