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AfD und Pegida
Angriff auf die liberale Gesellschaft

Fremdenfeindlichkeit und rechtes Gedankengut sind in Deutschland in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Anhänger von AfD und Pegida wettern gegen alles Fremde und und treffen damit auf offene Ohren im konservativen Bürgertum. Liane Bednarz und Christoph Giesa analysieren in ihrem Buch "Gefährliche Bürger" die Strategien der neuen Rechten und zeigen, was die Gesellschaft dagegen tun kann.

Von Catrin Stövesand |
    AfD-Anhänger demontrieren auf der Wilhelmstraße in Berlin
    Wird Fremdenhass gesellschaftsfähig?: AfD-Anhänger in Berlin (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Offener Hass gegen alles, was fremd und anders ist. Pauschale Vorverurteilungen und Verbalangriffe, verfassungsfeindliche Äußerungen. Spätestens seit Gründung der Pegida-Bewegung sieht sich die Öffentlichkeit mit Gedankengut konfrontiert, das sie als vergangenes betrachtete oder zumindest als nicht mehrheitsfähig. Nun aber werden rechte und fremdenfeindliche Parolen offen und laut vorgebracht, in einer sehr selbstbewussten Haltung. Und sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Die Grenzen zwischen dem konservativen Bürgertum und den Rechten verschwimmen. Das ist einer der Punkte, auf den Giesa und Bednarz mit ihrem Buch aufmerksam machen wollen. Eine große Rolle spielt hier ihrer Ansicht nach die AfD als Sammelbecken für radikales Gedankengut.
    "Viele derjenigen, die mit dieser Partei sympathisieren, würden empört jegliche Form von Radikalismus oder gar Extremismus von sich weisen. Sie verweisen dann gerne auf ausländische Freunde oder vielleicht sogar auf ihre pro-israelische Gesinnung. Und leben unter diesem Deckmäntelchen ihren Hass aus, ungefiltert, gegen alles und jeden, das oder der ihnen gegen den Strich geht. Es ist eine Mischung aus Naivität und Aggressivität, begünstigt durch Überforderung und Unzufriedenheit und das Wegbrechen von klaren gesellschaftlichen Leitplanken."
    Vom gefährdeten zum gefährlichen Bürger
    "Eine explosive Gemengelage" nennen die Autoren das im nächsten Satz, in der die Hetzparolen der Rechten auf offene Ohren stießen. Die Unzufriedenen oder Frustrierten würden zu Multiplikatoren. Nach dem Motto "Das wird man doch wohl sagen dürfen" verbreiteten sie fremdenfeindliche und reaktionäre Äußerungen. Sagen dürfe man fast alles, gestehen Bednarz und Giesa zu. Mit Gegenrede müsse man jedoch auch rechnen. Und hier entlarvt das Autorenduo einen der Widersprüche in den Argumenten der "gefährlichen" Bürger. Egal ob es gegen die Politik oder die vermeintliche Lügenpresse geht: Vertreter von AfD, Pegida oder Multiplikatoren wie Thilo Sarrazin klagen immer wieder über eingeschränkte Meinungsfreiheit. Allein das Presse-Echo auf Sarrazins Bücher beweise aber das Gegenteil, machen die Autoren deutlich. Die Öffentlichkeit setze sich mit dessen Äußerungen auseinander. Diese würden weder verboten noch tot geschwiegen. Gegenargumente würden jedoch als Zensur gewertet, und ein Dialog sei vielfach gar nicht gewollt. Damit nicht genug, erläutern die Autoren:
    "Die Strategie wird immer deutlicher: Wer selbst die ganze Zeit vor einem 'Meinungsdiktat', 'Denk- und Sprechverboten', 'Zensur' und Co. warnt, gerät natürlich zunächst nicht in den Verdacht, solche Ziele selbst zu verfolgen. Auch wenn es diesen Leuten genau darum geht. (...) Aus einem inszenierten Abwehrkampf, einer vorgeschobenen Notwehrsituation ist in der Realität längst ein gnadenloser Angriff geworden."
    Ein Angriff auf unsere liberale Gesellschaft, führen Giesa und Bednarz aus. Das Ziel der Akteure sei ein autoritärer, antidemokratischer, homophober und fremdenfeindlicher Staat. Wer das will? Christoph Giesa, der sich schon lange mit der rechten Szene befasst, nennt die neue Rechte ein "loses Netzwerk aus Einzelpersonen, Gruppen, Instituten und Schulungszentren", das mittlerweile professionell agiere. Eine der Gruppen sei etwa die so bezeichnete Identitäre Bewegung.
    Rechtes Gedankengut im intellektuellen Gewand
    "Neben Antiislamismus ist ihr wichtigster Programmpunkt der "Ethnopluralismus" – die Schaffung einer Welt also, in der national-kulturelle Lebensräume erhalten bleiben. Was auf nichts anderes zuliefe als auf eine weltweite Apartheid zwischen den Völkern."
    Mit pseudo-intellektuellen Ideen wolle die neue Rechte überzeugen, nicht mit bedrohlich wirkenden Trupps junger Männer, die Glatze und Springerstiefel tragen. Diese Methode habe ein historisches Vorbild, führen die Autoren aus. In den 20er Jahren wandte sich eine Gruppe rechter Intellektueller gegen die instabile Weimarer Republik, ein Zweckverbund, später bezeichnet als "Konservative Revolution". Dazu gehörten Oswald Spengler und Carl Schmitt. Spenglers Angst vorm Untergang des Abendlandes dient heute wieder einer bestimmten Klientel als Inspiration.
    Giesa und Bednarz nennen aber auch die Namen der heutigen Akteure. Ihnen ist es wichtig, klar zu kennzeichnen: Wer agiert hier, wer lenkt welche Parolen und wie. Über die möglichen Konsequenzen sind sie sich bewusst. Die vorhersehbaren Reaktionen auf ihr Buch ließen nicht lange auf sich warten.
    Christoph Giesa: "Ja, das ist anstrengend. Das darf man nicht unterschätzen. Zwei Abmahnungen pro Woche, alle gegenstandslos, also keine durchgegangen. Versuchte einstweilige Verfügungen, die wollen das Buch vom Markt nehmen oder es zumindest deutlich beschädigen. Auf PI-News wurde dazu aufgerufen, negative Rezensionen zu schreiben auf Amazon. Ganz wegdrücken kann man den Hass nicht. Aber auf der anderen Seite, man hat immer so Impulse, dass man sagt, ich schreibe jetzt keine politischen Bücher mehr, weil es doch ins Privatleben reingeht. Aber das wäre genau das, was diese Leute sich wünschen. Wenn mich jetzt jemand fragt, natürlich schreibe ich weiter politische Bücher - jetzt erst Recht."
    Gefahr durch Radikalisierung im Internet
    PI-News ist übrigens ein Blog, der gegen eine Islamisierung Europas anschreibt. Christoph Giesa und Liane Bednarz machen deutlich, welch große Rolle das Internet bei der Radkalisierung spielt. Und sie ermuntern ihre Leser dazu, sich hier wie im wirklichen Leben anti-demokratischen und hassgetriebenen Aktionen entgegenzustellen. Unsere Gesellschaft brauche mehr Gegenwehr.
    Christoph Giesa: "Wir müssen zeigen, dass wir einen starken demokratischen Staat haben, dass die Demokratie kein Schwächling ist. Dass zum Beispiel auch Hetze im Netz verfolgt wird. Aber wir dürfen auf gar keinen Fall zu den Mitteln greifen, die eigentlich das Ziel derjenigen sind, die unsere offene Gesellschaft angreifen. Dann geben wir denen das Futter, um unsere Gesellschaftsordnung endgültig zu desavouieren."
    Giesa und Bednarz befürchten zwar keine Machtübernahme durch die neue Rechte, sie wollen aber, dass die Menschen die Gefahr für das gesellschaftliche Klima wahrnehmen und sich entsprechend zur Wehr setzen, sich überhaupt deutlicher positionieren. Die detaillierte Kenntnis der rechten Szene und die logisch dargelegten Methoden machen das Buch zu einer wertvollen Lektüre.
    Manchmal geht es ein bisschen mit den beiden Autoren durch, dann wird mit Schaum vor dem Mund geschrieben. Und ab und zu kommt das konservative Bürgertum etwas zu gut weg, das ja von jeher zu reaktionären Gedanken neigt und die Werte der Aufklärung – man nenne nur die Frauenrechte – auch nicht wirklich vor sich her trägt.
    Trotz dieser kleinen Einschränkungen ist es ein empfehlenswertes Buch, weil es tatsächlich aufrüttelt und im dritten Kapitel mit der Überschrift "Wie wir uns jetzt wehren müssen" wertvolle Tipps und Möglichkeiten aufzeigt.
    Liane Bednarz und Christoph Giesa: Gefährliche Bürger. Die Neue Rechte greift nach der Mitte.
    Hanser, München. 255 S., 17,90 €.