Stefan Heinlein: In dieser Woche sorgte der Antrag für ein Verbot der Vollverschleierung und ein weiterer zur Missbilligung von Artikeln von Deniz Yücel für heftige Debatten im Parlament. Doch innerhalb der AfD tobt ein Richtungsstreit. Der völkisch-nationale Flügel ist nicht zufrieden mit dem Marsch durch die Institutionen. Vor allem die ostdeutschen Landesverbände suchen die Nähe zur Straße und fordern den Schulterschluss mit Pegida, der islam-kritischen Protestbewegung in Sachsen. Das wechselseitige Rede- und Auftrittsverbot bei Pegida-Veranstaltungen, seit 2016 in Kraft, soll fallen, so die Forderung.
Auf einem Parteikonvent nächste Woche soll entschieden werden, und darüber möchte ich jetzt reden mit dem stellvertretenden AfD-Bundesvorsitzenden Georg Pazderski, AfD-Landeschef in Berlin. Guten Morgen, Herr Pazderski.
Georg Pazderski: Guten Morgen.
Heinlein: Wie wichtig ist Pegida für Ihre Partei?
Pazderski: Pegida ist eine regionale Organisation. In Dresden findet sie ja hauptsächlich statt. Von daher ist sicherlich in Dresden beziehungsweise in Sachsen Pegida wichtig. Aber für die AfD insgesamt ist Pegida natürlich nicht wichtig.
"Für die AfD insgesamt ist Pegida natürlich nicht wichtig"
Heinlein: Liegt Björn Höcke, Ihr Parteifreund, Ihr Parteikollege, also falsch, wenn er an die Adresse von Pegida erklärt, "ohne euch werden wir nur halb so stark"?
Pazderski: Nein, ich teile seine Meinung nicht. Ich denke, wir haben nach wie vor die Beschlüsse, die gültig sind. Das heißt also, dass eine Zusammenarbeit mit Pegida nicht vorgesehen ist. Es stellt sich auch derzeit überhaupt nicht die Frage. Alexander Gauland und Jörg Meuthen haben das ja sehr deutlich gemacht. Solange ein mehrfach, ich sage mal, verurteilter Straftäter wie Herr Bachmann an der Spitze steht, erübrigen sich auch jegliche Diskussionen über das Thema.
Heinlein: Herr Pazderski, das Kooperationsverbot steht zwar auf dem Papier, aber ist es de facto nicht schon längst gefallen, zumindest in Sachsen? Bei der Aschermittwochsrede von André Poggenburg in Pirna saß ja Pegida-Chef Lutz Bachmann, den Sie gerade angesprochen haben, als Ehrengast in der ersten Reihe.
Pazderski: Ich weiß ja nicht, ob Sie den Beschluss kennen. Darin wird ja gesagt, dass AfD-Mitglieder weder als Redner, noch mit Parteisymbolen bei Pegida-Veranstaltungen auftreten sollen, und Redeauftritte von Pegida-Vertretern und Pegida-Symbole auf AfD-Veranstaltungen abgelehnt werden. Und das ist ja der Fall gewesen auch bei dieser Aschermittwochsveranstaltung. Wir können Herrn Bachmann ja nicht verbieten, dass er sich da irgendwo hinsetzt.
Ob er jetzt so prominent dort sitzen soll, da habe ich meine Bedenken, dass das richtig war, aber da müssen wir natürlich auch an die Verbände im Osten appellieren und müssen sagen, denkt darüber nach, mit wem ihr euch da einlasst. Und ich habe schon mal gesagt: Herr Bachmann ist ein mehrfach verurteilter Straftäter und er ist kein Ansprechpartner für die AfD. Von daher kann ich nur sagen, ich warne davor, dass man mit so einem Mann überhaupt verhandelt. Außerdem: Die Diskussion über Pegida ergibt sich derzeit nicht, meines Erachtens.
"Pegidas Aufgabe ist, auf die Straße zu gehen"
Heinlein: Herr Pazderski, abgesehen vom Vorstrafenregister, das Sie jetzt mehrfach angesprochen haben, wo sehen Sie denn inhaltlich noch Unterschiede zwischen einem Lutz Bachmann auf der einen Seite zu Poggenburg oder zu Höcke? Das klingt doch alles recht ähnlich.
Pazderski: Ja, es gibt einen riesengroßen Unterschied. Pegida ist eine außerparlamentarische Opposition, die ihren Protest auf die Straße bringt. Die AfD ist eine innerparlamentarische Opposition. Wir sind mittlerweile in 14 Landtagen vertreten. Wir sind im Bundestag vertreten. Und wir versuchen, Politik mitzugestalten, und zwar über die Parlamente, über Anfragen - Sie haben es ja in der Anmoderation gesagt -, über Anträge, und das ist unsere Aufgabe. Pegidas Aufgabe ist, auf die Straße zu gehen, den Protest der Bürger auf die Straße zu bringen. Wir sind die parlamentarische Opposition und das ist meines Erachtens genau die Aufgabe, die beide Organisationen haben.
Heinlein: Kann man sagen, dass zumindest die ostdeutschen Landesverbände dieser, Ihrer Auffassung nicht folgen und noch nicht im Parlament so richtig angekommen sind?
Pazderski: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich würde auch nicht pauschal sagen, die Ostverbände. Es gibt da sicherlich eine Gruppe von Personen, die gerne kooperieren würde, aber wir können natürlich nicht sagen, dass tatsächlich alle Mitglieder beziehungsweise alle Politiker und Parlamentarier im Osten mit Pegida tatsächlich zusammenarbeiten wollen. Das ist die Meinung einer bestimmten Gruppe und ich denke, jeder kann seine Meinung äußern, wie er die Zukunft der AfD sieht.
Letztlich muss dann nächste Woche der Konvent entscheiden. Der Bundesvorstand hat sich da klar festgelegt. Auch beim letzten Mal haben wir über das Thema diskutiert und da haben wir ganz klar gesagt, nein, es besteht überhaupt kein Anlass, den Beschluss aufzuheben, den wir letztes Jahr oder am 20.5.2016 gefasst haben.
"National-konservativer Flügel im Osten deutlich stärker"
Heinlein: Herr Pazderski, wie stark ist dieser völkisch-nationale Flügel um Björn Höcke und André Poggenburg innerhalb Ihrer Partei?
Pazderski: Das ist natürlich schwer zu beziffern. Man kann das nur am letzten Parteitag festmachen. Ich denke mal, dass natürlich Personen… Ich würde das auch nicht als völkisch-national bezeichnen, sondern eher als national-konservativ. Der national-konservative Flügel ist in Ostdeutschland oder in den östlichen Bundesländern deutlich stärker als im Westen. Aber ich würde ihn in der Gesamtpartei etwa auf 20 Prozent schätzen.
Heinlein: Justizminister Maas hat jetzt erklärt, dass zumindest Teile der AfD ein Fall für den Verfassungsschutz sind. Teilen Sie diese Auffassung?
Pazderski: Nein. Herr Maas ist ja nun konditioniert dadurch, dass er SPD-Mitglied ist. Herr Maas fordert das schon seit vielen Jahren. Und da muss ich sagen, er soll lieber seine Aufgaben als Bundesjustizminister machen und die soll er gut machen, anstatt sich um die Inhalte der AfD zu kümmern. Der Punkt ist doch: Die AfD - das ist einfach so - steht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes, und ich habe auch immer gesagt, das ist die Voraussetzung für eine Partei. Wer sich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt, der gehört nicht in die AfD. Das ist für mich ganz klar und eindeutig.
"Das sind dümmliche Bemerkungen"
Heinlein: Ist eine Bemerkung über Kümmelhändler und Kameltreiber noch auf dem Boden des Grundgesetzes?
Pazderski: Also wir haben da lange drüber gesprochen. Auch ich halte das für eine vollkommen falsche Vorgehensweise. Ich muss auch sagen, das sind dümmliche Bemerkungen, denn man kann nicht pauschalisieren. Wir haben viele türkische Mitbürger, die hervorragende Arbeit in Deutschland leisten. Wir haben auch türkische Mitbürger, die beispielsweise AfD wählen und in der AfD tätig sind. Von daher sieht man schon, dass diese Bemerkungen eigentlich sich selbst ad absurdum führen. Ich halte davon nichts, auch nicht an einem Aschermittwoch, weil ich diese Bemerkungen für falsch halte. Ich denke, über so etwas muss man auch nachdenken, bevor man das sagt, und das ist offensichtlich in dem Fall nicht geschehen.
"AfD steht nicht am Scheideweg"
Heinlein: Herr Pazderski, steht Ihre Partei letztendlich am Scheideweg, in welche Richtung es künftig gehen wird, eine rechtskonservative Partei, für die Sie stehen, oder eine Art NPD light mit Björn Höcke und André Poggenburg?
Pazderski: Nein, die AfD steht nicht am Scheideweg. Ich denke, eine konservative Partei muss tatsächlich auch das Spektrum national-konservativ bis liberal-konservativ abdecken. Das tut die AfD. Dass es immer mal wieder Misstöne gibt, das ist eigentlich in jeder Partei so. Damit muss man sich dann befassen, damit muss man sich auseinandersetzen und dann muss man den richtigen Weg finden.
Ich denke, die AfD ist auf einem guten Weg und die AfD ist auf dem Weg, noch mehr Verantwortung in Deutschland zu übernehmen, und das werden wir sehen, wenn wir in diesem Jahr in zwei weitere Landtage einziehen. Die AfD ist gekommen, um zu bleiben und Politik in Deutschland mit zu gestalten und vor allen Dingen auch mit zu beeinflussen.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen AfD-Bundesvize Georg Pazderski. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Pazderski: Herzlich gerne.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.