Rana Plaza, Bangladesh, am 24. April vor drei Jahren: Mehr als 1.100 Menschen werden totgetrampelt oder ersticken, als der riesige Gebäudekomplex einstürzt – zu marode die Bausubstanz, Sicherheitssysteme wie Notausgänge: Fehlanzeige. In mehreren Nähfabriken produzierten hier die Arbeiterinnen und Arbeiter Billigklamotten, unter anderem für die Firmen Adler, NKD und KiK. Genau wie in Karachi in Pakistan, wo es nur wenige Monate vorher zu einer verheerenden Brandkatastrophe in einer Textilfabrik kam.
"Überall war Rauch, rannten Menschen durcheinander, stolperten und fielen hin. Wir konnten einen Teil der Lüftungsanlage aus der Wand brechen und sprangen aus dem Gebäude. Ich kam mit einer Rauchvergiftung auf die Intensivstation, wo ich drei Tage lag." (*)
Fabrikarbeiter Muhammad Hanif entkommt den Flammen nur knapp, 260 Kolleginnen und Kollegen haben weniger Glück und sterben, weil Fenster vergittert und die meisten Notausgänge versperrt sind. Direkt in der Nachbarschaft lebt damals Abdul Aziz Khan. Er ist sofort zur Stelle, als das Feuer ausbricht - aber seinen 17-jährigen Sohn kann er nur noch tot aus der Fabrik holen. Heute klagt er vor der deutschen Justiz gegen den Textildiscounter KiK:
"Wir hoffen, dass die deutsche Öffentlichkeit ihre Stimme für uns erhebt, damit solche Katastrophen nie wieder passieren. Damit deutsche Unternehmen wie KiK verpflichtet werden, dafür zu sorgen, dass die Fabriken, mit denen sie in Pakistan arbeiten, Sicherheitsstandards einhalten." (*)
Das will nach eigenem Bekunden auch die Bundesregierung erreichen. Seit zwei Jahren arbeitet sie am sogenannten Nationalen Aktionsplan "Wirtschaft und Menschenrechte". Darin geht es allerdings nicht nur um Jeans und T-Shirts, die für zwei, drei Euro über den Ladentisch gehen und für deren Ramschpreise die Menschenrechte und sozialen Standards in den Produktionsstätten auf der Strecke bleiben. Es geht auch etwa um die Zusammenarbeit deutscher Firmen im Rohstoffsektor in Sachen Edelmetalle oder auch Kohle.
Der Nationale Aktionsplan soll solche Probleme an der Wurzel anpacken und dafür die Wirtschaft selbst in die Pflicht nehmen. Der damalige Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer:
"Die Pflicht für die Umsetzung menschenrechtlicher Standards liegt in erster Linie bei den Staaten, aber die Leitprinzipien verdeutlichen, dass Unternehmen als Akteure der Wirtschaft eine Verantwortung für den Schutz der Menschenrechte im Rahmen ihres Handlungs- und Einflussbereiches haben."
Ein Aktionsplan ohne Sanktionen
Noch in diesem Jahr soll der Aktionsplan im Bundeskabinett verabschiedet werden. Dem Deutschlandfunk liegt der Entwurf dazu schon vor, wie ihn die Staatssekretäre der beteiligten Bundesministerien ausgearbeitet haben – darunter die Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Wirtschafts- und des Justizministeriums. Nach dem vorliegenden Papier bleibt die Bundesregierung allerdings offenbar weit hinter ihren selbst gesteckten ambitionierten Zielen zurück. Was bleibt, sind zwar schön klingende, aber windelweiche Forderungen. So heißt es in dem Entwurf etwa:
"Ziel ist es, dass mindestens 50 Prozent aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit über 500 Beschäftigten bis 2020 die Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse integriert haben."
Konkrete Maßnahmen wie etwa Sanktionen anzudrohen, fehlen an dieser Stelle. Ähnlich schwammig bleiben die Formulierungen beim Thema Außenwirtschaftsförderung – also der finanziellen Unterstützung von deutschen Unternehmen bei Aktivitäten im Ausland:
"Das detaillierte Prüfverfahren von Anträgen auf Übernahme von Exportkreditversicherungen, Direktinvestitionen im Ausland und ungebundenen Finanzkrediten wird im Hinblick auf die Einhaltung menschenrechtlicher Belange weiter intensiviert."
Der wohl wesentlichste Punkt aber ist die generelle Verpflichtung deutscher Unternehmen zur menschenrechtlichen Sorgfalt. Eine bindende, konkrete Aufforderung dazu ist im Nationalen Aktionsplan offenbar nicht vorgesehen, stattdessen setzt die Bundesregierung wie bisher auf freiwillige Selbstverpflichtung und wohlmeinende Appelle:
"Sofern keine ausreichende Umsetzung erfolgt, wird die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen."
Mit diesem "Prüfen von gesetzlichen Maßnahmen" hat die Bundesregierung ihr Drohpotenzial also offenbar schon ausgeschöpft. Das wird vielen Vertretern der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und nicht zuletzt auch Angehörigen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen bei Weitem nicht reichen.
(*) Quelle: ECCHR/medico international