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Aktivistin Ada Colau
Frischer politischer Wind in Barcelona

Die Bürgerinitiative "Guanyam Barcelona" ("Gewinnen wir Barcelona zurück") will eine Alternative zu den etablierten Parteien in der spanischen Metropole bieten. An der Spitze steht die Aktivistin Ada Colau. Sie hat das Vertrauen vieler Bürger und kann mit ihrer Kritik an der politischen Kaste punkten.

Von Hans-Günter Kellner |
    Eilig hetzen die Menschen auf dem Vorplatz des Bahnhofs Sants in Barcelona zu den Zügen. Viel Zeit hat niemand, aber für einen kurzen Kommentar über Ada Colau reicht es:
    "Die kandidiert doch jetzt bei der Kommunalwahl. Aber vorher war sie in der Bewegung gegen die Zwangsräumungen aktiv. Sie ist sehr populistisch. Aber sie hat auch viel erreicht. Leute, die schon einen Räumungstermin hatten, konnten am Ende die Wohnung behalten, zu einem sozialen Mietpreis."
    "Sie ist sehr bekannt, hat klare Vorstellungen und ist sich sehr bewusst, was in Spanien derzeit passiert. Jeden Tag gibt es neue Korruptionsskandale. Die Leute haben diese politische Kaste satt. Sie bringt da frischen Wind rein."
    Ada Colau erntet Kritik, aber auch viel Zustimmung, vor allem aber: Jeder kennt sie. Umfragen zufolge würde ihre Partei bei den Kommunalwahlen mit rund acht Prozent ins Rathaus einziehen, doch die 40-jährige Katalanin will viel mehr:
    "Für Alibivorschläge gibt es schon genug Parteien. Wir wollen nicht einfach noch eine politische Marke sein. Wir wollen eine Mehrheit, diese Zersplitterung der Bürgerinitiativen und Parteien beenden und beweisen, dass man anders Politik machen kann. Wir wissen, dass wir gewinnen können. Ich will keine politische Karriere machen. Ich bin jetzt dabei, weil ich denke, dass es notwendig ist."
    Die Demokratie steht zur Debatte
    Dann wäre die Frau mit dem modischen Kurzhaarschnitt Bürgermeisterin. Der Name der Bewegung ist für sie Programm: "Guanyem Barcelona" lässt sich in etwa übersetzen mit "Gewinnen wir Barcelona zurück". Denn viele Menschen haben den Eindruck, die demokratische Kontrolle über die öffentlichen Angelegenheiten sei ihnen entglitten.
    "Wir erleben in Spanien nicht nur eine Wirtschaftskrise. Die ganze Demokratie steht zur Debatte. Die Leute fordern, dass mit der Korruption Schluss gemacht wird, dass die Menschen im Zentrum der Wirtschaftspolitik zu stehen haben, dass Demokratie mehr sein muss, als nur alle vier Jahre zu wählen. Trotzdem wird das alles von der politischen und wirtschaftlichen Elite blockiert. Darum fühlen wir uns jetzt verpflichtet, in die Institutionen zu gehen."
    Doch nicht einmal bei den heftigsten Vorwürfen gegen die etablierten Parteien blickt sie wütend, ihre Worte klingen nicht einmal besonders energisch. Sie verliert nie ihr ein wenig mütterliches Lächeln und hört aufmerksam zu. Damit gewinnt sie das Vertrauen vieler Zuhörer, wie sie als Sprecherin der Bewegung gegen die Zwangsräumungen bewiesen hat. Doch ihr politischer Aktivismus begann früher:
    "Ich war schon immer bei allen möglichen Bewegungen dabei. Mein Engagement begann mit der Antiglobalisierungsbewegung, so etwa im Jahr 2000. Später kam der Kampf gegen den Krieg im Irak. Wir versuchten dann, aus der Kritik an der Globalisierung konkrete politische Arbeit zu entwickeln. Schon lange vor der Krise haben wir darum gegen die steigenden Immobilienpreise protestiert. Als die Blase platzte, wurde ich dann als Sprecherin der Plattform gegen die Zwangsräumungen bekannt. Aber das hat wie gesagt eine lange Vorgeschichte."
    Schere zwischen armen und reichen Vierteln
    Ein großes lokales Thema in Barcelona ist der Fremdenverkehr. Alles werde für den Tourismus getan, doch von den Einnahmen bleibe zu wenig in der Stadt, klagt Colau, die Schere zwischen den armen und reichen Vierteln öffne sich immer weiter, soziale Einrichtungen würden privatisiert, die Menschen aus ihren Stadtteilen verdrängt. Eine Entwicklung, die sich nicht auf Barcelona oder auch Katalonien beschränkt. Hinzu kommen die Korruptionsfälle bei den etablierten Parteien. Die Folgen sind weitreichend, ist sich Colau sicher:
    "Es gibt eine demokratische Revolution in ganz Spanien. In Katalonien sehen viele Leute in der Unabhängigkeit einen schnelleren Weg, um mit dieser Korruption Schluss zu machen und mehr Demokratie zu erreichen. Das aktuelle System, das Regime steht ja in ganz Spanien zur Debatte, nicht nur in Katalonien. In Katalonien geht es nicht um Nationalismus, sondern um eine Bewegung gegen das Regime."
    Ob die Kritik an Spaniens Parteiensystem überzogen ist oder nicht, spielt kaum eine Rolle: Längst gibt es auch im Rest Spaniens neue lokale wie auch landesweite Formationen, die sich wie Colaus "Guanyem Barcelona" zum Ziel setzen, neue politische Mehrheiten zu bilden. Den etablierten Parteien fällt es unterdessen schwer, die verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, solange die Medien und die Justiz immer neue Korruptionsfälle aufdecken.