Da steht Michael Schweighöfer auf der Vorderbühne, gesteht, er wäre ja gern nach der Mauer zu Castorf an die Volksbühne gekommen, wo man wild mit den Armen rudert, richtig laut röhrt und grunzt und nicht nur verschüchtert in vor sich hin grummelt wie im Westen - Eine Komische Nummer, ein Provokationszitat, ein Privat Joke im innerdeutschen Theater. Und ein Wegtauchen unter der Aufgabe, dieses Stück in einer Zeit zu untersuchen, in der sich Camus Reflexionen über Recht und Unrecht, Schuld und Begründung terroristischer Attentate neu stellt, in einer Zeit globaler Inszenierung und neue vielschichtige pseudo-kulturelle Konfrontationen.
Bei Camus gelangt der Attentäter Kaliajew nach seinem Anschlag auf den Großfürsten zu der Überzeugung, dass der politisch zwar als notwendig erkannte Mord moralisch verwerflich bleibt und nur durch den eigenen Tod gesühnt werden kann. Nachdem die Währung heutiger Anschläge das Selbstmordattentat ist, erledigt sich Camus' in langen Dialogen herausgearbeiteter Erkenntnisprozess kurzschlussartig. Für den Attentäter gibt es nun hienieden kein "Danach" der moralischen Reflexion, Erkenntnis, oder Selbstbefragung mehr. Und auch aus einem anderen Grund kollidieren Camus' in der Résistance-Zeit entstandenen moralischen Fragen heute mit einer völlig neuen Situation. Im Namen Russlands und seiner Hunger leidenden Bevölkerung treten die fünf Revolutionäre in Aktion.
Mit dem Hinweis darauf, dass nunmehr Tausende von Kindern an Hunger sterben müssen, verurteilt der Fundamentalist Fjodorow die Tatsache, dass Kaliajew das Attentat bei der ersten Gelegenheit nicht ausführte, weil der Großfürst in Begleitung von unschuldigen Kindern war, ein zentrales Moment des Stücks, aus dem sich die Debatte moralischer Begründungen erst ergibt. Es sind dies aber - eine Chiffre französischer Revolutions-, Befreiungs- und Terrorismus-Stücke - Fragen, die sich der zur Vertretung der Volksinteressen berufen fühlende Bürger stellt, einer, der vor Alternativen des Verhaltens gestellt ist, kein Verzweifelter, Vertriebener, Verarmter, Islamisierter, wie im heutigen zumal palästinensischen Terrorismus. Camus Stück öffnete diskursive Spielräume, aus denen, wenige Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs, eine moralisch erneuerte Öffentlichkeit hervorgehen sollte - und zwar eine bürgerliche, französische.
Armin Petras will sich mit solchen Fragen nicht beschäftigen, er rüpelt gegen den etwas staubigen Text an, versammelt sein Ensemble auf der Vorderbühne, lässt diverse Repliken ins Publikum hineinalbern; kapriziös hält man die Faust neben das Ohr um sie dann, mit neckischer "Ach-Mensch"-Geste zum Gruß nach oben zu recken. Auch kurz vor dem Anschlag.
Emblematisches bevölkert das Bühnenbild: Das Peace-Zeichen auf weißem Betttuch, an eine Wand des aus hölzernen Paneelen bestehenden Dekors geheftet, wird im zweiten Teil vom Signum des arabischen Fernsehsenders Al-Jaziera ersetzt, ohne dass es dafür einen auf der Bühne erkennbaren Grund gäbe. Rätseln darf man über die Anwesenheit von Waschmaschinen in der rechten Bühnenecke, über einen verglasten Kubus auf der Hinterbühne, der eine kurze Szene beherbergt, die einen plötzlichen Treppenhaus-Realismus ins ästhetisch ansonsten bestenfalls eklektizistische Geschehen bringt: Auf einen Overhead-Projektor legt man Folien von unterernährten afrikanischen Kindern, auf eine Ziel-Attrappe feuert man ganze Magazine von Schreckschusspistolen ab.
Armin Petras, der in anderen Arbeiten ziemlich treffend Gruppenprozesse beschrieben hat, in etwas überdrehten, etwas rockigen, etwas trashigen Bildern, scheitert diesmal, dramaturgisch an Camus, und inszenatorisch am Thema. Und zum Schlussapplaus mochte sich der Regisseur dem Publikum denn auch nicht zeigen.
Bei Camus gelangt der Attentäter Kaliajew nach seinem Anschlag auf den Großfürsten zu der Überzeugung, dass der politisch zwar als notwendig erkannte Mord moralisch verwerflich bleibt und nur durch den eigenen Tod gesühnt werden kann. Nachdem die Währung heutiger Anschläge das Selbstmordattentat ist, erledigt sich Camus' in langen Dialogen herausgearbeiteter Erkenntnisprozess kurzschlussartig. Für den Attentäter gibt es nun hienieden kein "Danach" der moralischen Reflexion, Erkenntnis, oder Selbstbefragung mehr. Und auch aus einem anderen Grund kollidieren Camus' in der Résistance-Zeit entstandenen moralischen Fragen heute mit einer völlig neuen Situation. Im Namen Russlands und seiner Hunger leidenden Bevölkerung treten die fünf Revolutionäre in Aktion.
Mit dem Hinweis darauf, dass nunmehr Tausende von Kindern an Hunger sterben müssen, verurteilt der Fundamentalist Fjodorow die Tatsache, dass Kaliajew das Attentat bei der ersten Gelegenheit nicht ausführte, weil der Großfürst in Begleitung von unschuldigen Kindern war, ein zentrales Moment des Stücks, aus dem sich die Debatte moralischer Begründungen erst ergibt. Es sind dies aber - eine Chiffre französischer Revolutions-, Befreiungs- und Terrorismus-Stücke - Fragen, die sich der zur Vertretung der Volksinteressen berufen fühlende Bürger stellt, einer, der vor Alternativen des Verhaltens gestellt ist, kein Verzweifelter, Vertriebener, Verarmter, Islamisierter, wie im heutigen zumal palästinensischen Terrorismus. Camus Stück öffnete diskursive Spielräume, aus denen, wenige Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs, eine moralisch erneuerte Öffentlichkeit hervorgehen sollte - und zwar eine bürgerliche, französische.
Armin Petras will sich mit solchen Fragen nicht beschäftigen, er rüpelt gegen den etwas staubigen Text an, versammelt sein Ensemble auf der Vorderbühne, lässt diverse Repliken ins Publikum hineinalbern; kapriziös hält man die Faust neben das Ohr um sie dann, mit neckischer "Ach-Mensch"-Geste zum Gruß nach oben zu recken. Auch kurz vor dem Anschlag.
Emblematisches bevölkert das Bühnenbild: Das Peace-Zeichen auf weißem Betttuch, an eine Wand des aus hölzernen Paneelen bestehenden Dekors geheftet, wird im zweiten Teil vom Signum des arabischen Fernsehsenders Al-Jaziera ersetzt, ohne dass es dafür einen auf der Bühne erkennbaren Grund gäbe. Rätseln darf man über die Anwesenheit von Waschmaschinen in der rechten Bühnenecke, über einen verglasten Kubus auf der Hinterbühne, der eine kurze Szene beherbergt, die einen plötzlichen Treppenhaus-Realismus ins ästhetisch ansonsten bestenfalls eklektizistische Geschehen bringt: Auf einen Overhead-Projektor legt man Folien von unterernährten afrikanischen Kindern, auf eine Ziel-Attrappe feuert man ganze Magazine von Schreckschusspistolen ab.
Armin Petras, der in anderen Arbeiten ziemlich treffend Gruppenprozesse beschrieben hat, in etwas überdrehten, etwas rockigen, etwas trashigen Bildern, scheitert diesmal, dramaturgisch an Camus, und inszenatorisch am Thema. Und zum Schlussapplaus mochte sich der Regisseur dem Publikum denn auch nicht zeigen.