"Ganz klar, Herr Bouteflika", antwortet ein Markthändler auf die Frage, wer sein Land regiert. Doch die Meisten sind sich da nicht so sicher: "point d’interrogation!" - Fragezeichen. Nächste Frage, bitte. Immerhin war Präsident Bouteflika kürzlich kurz im Fernsehen zu sehen. Im Rollstuhl. Gesagt hat er nichts. Öffentlich gesprochen hat er seit vier Jahren nicht mehr. Er ist 79 Jahre alt und schwer krank.
Trifft er noch die Entscheidungen? Selbst die Experten im Land geben zu, sie wüssten es nicht. Undurchsichtig, intransparent, sogar von Nebel ist die Rede, wenn man erfahren will, auf welchem Kurs sich Afrikas größter Flächenstaat befindet. Nacer Djabi ist Soziologieprofessor in Algier, seit Jahrzehnten ein aufmerksamer Beobachter der politischen Verhältnisse, doch selbst er ist ratlos. Die Situation sei paradox sagt Djabi. Es gebe viele Entscheidungszentren: das Präsidentenbüro, die Regierung, die Geheimdienste, die Armee.
Reformen sind dringend nötig
Transparenz war für Algeriens Führung immer ein Fremdwort, aber wie viel Rückhalt hat sie noch in der Bevölkerung, wenn sie ihr Preiserhöhungen zumutet und Hilfen streicht? Die Lage sei gefährlich, meint der ehemalige Regierungssprecher Abdelaziz Rahabi. Denn die Einnahmen aus dem Erdölverkauf seien weggebrochen, die Subventionswirtschaft nicht mehr haltbar. Schmerzhafte Reformen stünden an, jemand müsse sie der Bevölkerung erklären:
"Der Spritpreis ist skandalös. Volltanken für 5 Euro. Das ist doch sowjetisch. Wenn ich Herrn Bouteflika eines vorwerfe, dann, dass er Algerien von der Moderne abgekoppelt hat."
Rahabi ist heute einer der führenden Oppositionspolitiker, deswegen kommt seine Kritik nicht überraschend. Doch ist er nicht der Einzige, der den Vergleich mit dem untergegangenen Sowjetreich bemüht. Auch neutrale Experten wie Issander El Amrani vom Think Tank International Crisis Group warnen, Algerien liefe die Zeit davon:
"Algerien hat ein Wahnsinnsgeld für soziale Zwecke ausgegeben, allein 60 Milliarden Dollar für den Wohnungsbau in den vergangenen fünf bis sechs Jahren. Wie lang das noch gut geht, weiß keiner. Sie haben noch zwei oder drei Jahre, aber sie wollen ja nicht am Ende tatenlos da stehen."
"Der Spritpreis ist skandalös. Volltanken für 5 Euro. Das ist doch sowjetisch. Wenn ich Herrn Bouteflika eines vorwerfe, dann, dass er Algerien von der Moderne abgekoppelt hat."
Rahabi ist heute einer der führenden Oppositionspolitiker, deswegen kommt seine Kritik nicht überraschend. Doch ist er nicht der Einzige, der den Vergleich mit dem untergegangenen Sowjetreich bemüht. Auch neutrale Experten wie Issander El Amrani vom Think Tank International Crisis Group warnen, Algerien liefe die Zeit davon:
"Algerien hat ein Wahnsinnsgeld für soziale Zwecke ausgegeben, allein 60 Milliarden Dollar für den Wohnungsbau in den vergangenen fünf bis sechs Jahren. Wie lang das noch gut geht, weiß keiner. Sie haben noch zwei oder drei Jahre, aber sie wollen ja nicht am Ende tatenlos da stehen."
Die Algerier erwarten, dass der Staat für sie sorgt
Noch hat das Land keine Staatschulden, die Reserven belaufen sich auf mehr als 100 Milliarden Euro, aber die Algerier erwarten, dass der Staat für sie sorgt. Nach wie vor fehlen Wohnungen und Jobs. Die Proteste dagegen häufen sich. In den 90er-Jahren führte die soziale Krise zum Erstarken der militanten Islamisten und zum Bürgerkrieg. Bewaffnete Islamisten gebe es noch, aber sie bedrohten nicht mehr den ganzen Staat, sagt Issander El Amrani. Seine größte Sorge dagegen: Die Spaltung und Verteilungskämpfe der heute herrschenden Elite:
"Wenn Bouteflika weg ist, bricht dann der offene Krieg unter den Machthabern aus? Wie sichern sie ihre Privilegien? Wird darüber verhandelt?"
Und wer kommt nach Bouteflika? Vielleicht sein Bruder? Oder einer der Generäle? Niemand traut sich eine Antwort auf diese Frage zu, auch nicht Professor Nacer Djabi:
"Das weiß ich doch nicht. Wenn Sie mir die Frage beantworten können, dann spendiere ich Ihnen einen Kaffee."
"Wenn Bouteflika weg ist, bricht dann der offene Krieg unter den Machthabern aus? Wie sichern sie ihre Privilegien? Wird darüber verhandelt?"
Und wer kommt nach Bouteflika? Vielleicht sein Bruder? Oder einer der Generäle? Niemand traut sich eine Antwort auf diese Frage zu, auch nicht Professor Nacer Djabi:
"Das weiß ich doch nicht. Wenn Sie mir die Frage beantworten können, dann spendiere ich Ihnen einen Kaffee."