"Da kann es uns noch so gut gehen, man wird am Ende sagen, das können wir gar nicht einordnen in die große Geschichte unserer Welt und dann fürchten wir uns vor Dingen, die wahrscheinlich nie eintreten werden", sagte Nassehi. Eine Autofahrt von Wien nach München sei viel gefährlicher, als von einem Terroranschlag getroffen zu werden. Aber die Menschen sähen eine solche Fahrt nie als etwas an, vor dem man eine existenzielle Angst haben müsse. Unsicherheit ängstige viel stärker als ein ganz konkreter Schaden. Das sei aus der Risikoforschung bekannt.
Der "Flüchtlingsstrom" oder allgemeine Änderungen in der Gesellschaft seien alles Dinge, die eine Art Kontrollverlust simulieren. "Angst scheint das Medium zu sein, mit dem man zurzeit am meisten Aufmerksamkeit erzeugt", sagte der Soziologe. Das zeige auch das Beispiel der AfD, die mit diffusen Ängsten und Vorstellungen erfolgreich sei.
Nassehi betonte, dass auf dem Gebiet der politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Narrative etwas fehle. Die Menschen hätten nicht vor konkreten Dingen Angst, sondern seien "narrativ heimatlos" geworden. Den großen politischen Akteuren gelänge es nicht, ihren eigenen Milieus Geschichten zu erzählen, wo sie denn eigentlich leben, wie sie denn eigentlich leben, um ihnen Verunsicherungen zu nehmen.
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