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Allianz
Schluss mit Kohle

Europas größter Versicherer Allianz steigt aus der Kohle aus. In Zukunft soll nicht mehr in klimaschädliche Industrien und Projekte investiert werden. Stattdessen setzt der Konzern verstärkt auf erneuerbare Energien – und folgt damit einem Trend. Die neue Strategie dürfte aber auch handfeste ökonomische Gründe haben.

Von Michael Braun |
    Eine Hand hält ein Stückchen Kohle. Symbol einer endenden Energie-Ära
    Ein Stück Kohle - Symbol einer endenden Energie-Ära (imago/Xinhua)
    Heute, ein paar Tage vor dem Weltklimagipfel von Paris, tauchten die Aktivisten von "Urgewald" vor der Zentrale der Deutschen Bank auf. Sie schütteten der Bank ein paar Schubkarren Kohle vor die Tür.
    "Raus aus der Kohle, Deutsche Bank" war die Schlussfolgerung aus einer Studie, die "Urgewald" mitgebracht hatte und die die Deutsche Bank als einen der großen Finanziers der Braunkohleindustrie darstellt, ja, brandmarken soll. Mitgeschrieben an der Studie hat Kathrin Petz:
    "Insgesamt haben deutsche Banken der Braunkohleindustrie in den letzten fünf Jahren 8,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, davon allein die Deutsche Bank 3,3 Milliarden und die Commerzbank etwa 3,1 Milliarden. Das sind Finanzierungen von Unternehmen, die Braunkohle verbrennen und abbauen, wie zum Beispiel in Deutschland RWE oder der schwedische Konzern Vattenfall."
    Klimawandel als Begründung
    Hintergrund der Forderungen, der Kohleindustrie die Gelder zu entziehen, ist natürlich eine ökologische Argumentation: Die Verbrennung von Kohle sei derzeit die Hauptursache für den Klimawandel. Mehr als drei Fünftel des Anstiegs von Kohlendioxid seit dem Jahr 2000 sei durch Kohle verursacht worden.
    Norwegens Staatsfonds, einer der weltweit größten Investoren, in dem Ölgelder für künftige Pensionsleistungen gesammelt werden, hatte im Juni entschieden, aus der Kohlefinanzierung auszusteigen. Anteile an Unternehmen, die mindestens 30 Prozent ihrer Einnahmen mit Kohle erzielen, sollen verkauft werden. Ähnlich heute die Allianz, Europas größter Versicherungskonzern. Seine Begründung, das gerade heute bekanntzugeben: "mit Blick auf das 2-Grad-Ziel der Klimaverhandlungen in Paris", wie es hieß.
    Der Ausstieg aus der Kohlefinanzierung sei ein Trend, weiß Claudia Volk von der auf nachhaltige Geldanlage ausgerichteten Analysefirma Sustainalytics:
    "Die Investoren, die sich jetzt schon dazu bereit erklärt haben, aktiv zu werden, die umfasst inzwischen eine Menge von ungefähr 500 Großinvestoren, die ein Anlagevermögen von geschätzt 2,6 Billionen US-Dollar haben. Also, das sind ungefähr vier, fünf Prozent der weltweit institutionell angelegten Anlagevermögen. Da sieht man schon: Es ist zwar immer noch eine sehr kleine Gruppe, aber schon auch sehr breit aufgestellt."
    Klimawandel betrifft Versicherer stark
    Der französische Versicherer Axa hatte seinen Ausstieg aus der Kohlefinanzierung mit ureigenem Interesse begründet. Christian Thimann, Vorstand des französischen Versicherers Axa, hatte im Deutschlandfunk gesagt:
    "Es ist tatsächlich so, dass schon heute die Versicherer sehr stark von Klimawandel und Klimarisiken betroffen sind. Allein im letzten Jahr hat die Axa weltweit etwa eine Milliarde an Schäden ausgezahlt, die mit Klima im weitesten Sinne zu tun haben. Wir sehen immer wieder, dass Naturkatastrophen in Frequenz und Intensität zunehmen, und das ist auch einer der Anlässe, wieso wir auf die COP 21 in Paris gucken und uns dann wirklich ein stringentes Ergebnis erwarten, dass man dort auf Maßnahmen sich einigt, die die globale Erwärmung zumindest verlangsamen auf das Ziel von plus zwei Grad maximal."
    Ausstieg rechnet sich auch
    Das Geld lässt sich durchaus anders anlegen, ohne auf Rendite verzichten zu müssen, sagt Claudia Volk von Sustainalytics:
    "Man hat jetzt gesehen beim norwegischen Pensionsfonds, die hatten im letzten Quartal schon ein bisschen Probleme mit der Rendite, aber das ist vor allem wirklich auf die Investition in chinesische Unternehmen zurückzuführen gewesen, weil hier einfach ein stärkerer Kursrutsch war. Ansonsten kann man schon davon ausgehen, dass eigentlich ethisch-ökologische Anlageentscheidungen keine schlechtere Rendite versprechen, sondern dass es sich hier genauso wie bei anderen Investitionen um eine volatile Anlage handelt, die immer wieder Zeiten hat, wo sie besser laufen, wo sie schlechter laufen. Wenn sie aber eben den wirtschaftlichen Wandel mit begleiten, sind sie auf lange Sicht voraussichtlich besser."
    Für Braunkohle-Verstromer wie RWE wird es freilich mit dem Divestment-Trend noch enger: Der sinkende Strompreis macht die Stromproduktion aus Kohle und Gas unwirtschaftlich. Die Atomrisiken sind für Investoren unkalkulierbar. Um sich von all dem zu verabschieden und neue Geschäftsfelder aufzubauen, bräuchte RWE frisches Geld. Und bekommt es nicht.