Wenn Andreas Illner über Wochenmärkte schlendert, dann interessiert ihn nur eines: Die Kartoffeln.
"Ich guck immer mal an Raritäten, die es nicht überall gibt, die man fast vergessen hat. Zum Beispiel "Bamberger Hörnchen" wird man hier kaum finden, aber man guckt danach."
Der 51-Jährige ist gelernter Gärtner und baut selbst – als Hobby – Kartoffeln an. Sein Blick schweift über die Kartoffelkisten eines Heldrunger Bauers. Axel Bracke baut derzeit sieben Sorten an, früher waren es noch mehr – eben ganz so, wie es der Kunde auch kauft, sagt der urige Mann:
"Die meist gekauften sind Adretta und Agria"
Er greift in eine der Kisten und zeigt Andreas Illner die großen runden Knollen. Adretta und Agria gehören nicht zu den alten Sorten gehören. Aber, sagt der Heldrunger Bauer:
"Ich baue zum Beispiel die Linda, das ist eine alte Sorte, dann dieser blaue Schwede, und früher hatte ich sogar Ackersegen mal gehabt, nur für mich als Hobby."
Die Kunden wollen nicht viel nachdenken, sagt er. Die Kartoffel soll leicht zu verarbeiten sein, rund und schön – und nicht so unförmig wie manch eine der alten Sorten. Für 1 Euro 50 verkauft er das Kilo. Nur wenige Kunden würden nach alten Kartoffelsorten fragen, bedauert der Bauer. Und – da sei noch etwas: Wenn es dauerhaft regne, setze die Braunfäule den alten Sorten erheblich zu:
"Die alten Sorten sind nicht so resistent wie die neuen Sorten und die neuen Sorten halten besser diese Braunfäule und die alten Sorten nicht."
Denn: Was nicht angebaut wird, wird auch nicht weitergezüchtet und möglicherweise dadurch verbessert.
Zwischen 300 und 400 Kartoffelsorten gibt es derzeit. Etwa 40 gelten als "Alte Sorte" und nur wenige Bauern bringen diese aus Überzeugung auf den Acker.
Ralf Marold aus Mittelsömmern in Thüringen ist einer, der Alte Sorten gerne anbauen würde und dies im kleinen Rahmen auch macht, doch die großen Geschäften lassen sich damit nicht erzielen, sagt er:
"Als Pflanzenbauer richte ich mich immer nach dem, was der Markt von mir erwartet oder ich gehe ins Risiko und sage, Ok ich probiere was Neues aus."
Was bei Ölpflanzen leichter ging, funktioniere bei Kartoffeln bislang nicht, sagt der Biobauer und promovierte Landwirt, der auf 40 Hektar acht Sorten Kartoffeln anbaut. Was nützten die schönsten und seltensten Sorten, mit blauer Schale und lila Fruchtfleisch, wenn sie keiner kaufe, argumentiert er. Statt "Blauem Schweden" oder "Mecklenburger Schecke" wachse bei ihm die "Ballerina":
"Das ist eine Sorte, die aus Dänemark stammt, gesund ist, zeitig reif ist, relativ gleich groß, was eben für den Bauern erleichtert, das zu verkaufen. Die sind rund - runde Kartoffeln sind auch wie Menschen- einfacher zu handhaben wie die eckigen, die dann überall irgendwie doch hängen bleiben. Ja, das ist eine unkomplizierte Sorte."
Bauer Marold sieht's humorvoll, obwohl auch er an den alten Sorten hängt. Doch er lebt davon, dass andere von ihm die Pflanzkartoffeln kaufen – mittlerweile 50 Prozent seines Geschäftes. Und: Einem Discounter bietet er seine Öko-Ware an. Auch dort gilt: Der Preis bestimmt den Markt und letzten Endes, ob eine Sorte auch vom Kunden akzeptiert wird.
Agrarwissenschaftler Frank Augsten, der auch für Grünen im Thüringer Landtag sitzt, sieht die Entwicklung problematisch. Denn:
"Mit jeder Sorte, die verloren geht, geht Züchterarbeit verloren. Vielleicht ist auch eine Sorte dabei, die bestimmt Eigenschaften innehat, die wir in 10 -20 Jahren erst wertschätzen. Dann ist sie weg."
Zurück auf dem Wochenmarkt. Andreas Illner stöbert und fachsimpelt noch immer mit Bauer Bracke über Alte Kartoffelsorten und seinen Favorit, die "Bamberger Hörnchen", denn, so Illner:
"Die sind kräftig im Geschmack, süßlich nicht so, aber richtig schön kräftig im Geschmack, ganz was Feines."