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Viel Karton, wenig Inhalt - höhere Müllgebühren dank Onlinehandel?

Der Onlinehandel boomt und mit ihm wächst der Abfall aus Kartons. Allerdings: Dadurch stecken in den Altpapiertonnen immer mehr leichte und sperrige Verpackungsmaterialien. Die Folge ist, dass die Zahl der Tonnen zunimmt, das Gewicht des transportieren Inhalts aber abnimmt. Das hat auch Folgen für die Logistik - und für die Müllgebühren.

Von Ludger Fittkau |
    In zwei Altpapier Mülltonnen in Dresden (Sachsen) stecken unsachgemäß entsorgte große Pappkartons.
    Durch den Online-Handel steigt die Menge des Verpackungsmülles an. (dpa/picture-alliance/Arno Burgi)
    "Täglich haben wir Umgang mit Papier, seien es Zeitungen, Prospekte, Verpackungen. Wenn wir diese nicht mehr brauchen, dann fliegen sie hinein in den Papierkorb. Und wandern in die blaue Altpapiertonne."
    Ausschnitt aus einem Informationsfilm des Rems-Murr-Kreises zur Altpapierverwertung. Was der Film nicht zeigt: Der Anteil der Zeitungen im Altpapier nimmt in den letzten Jahren kontinuierlich ab. Immer mehr Nachrichten werden auf Smartphones gelesen.
    Dafür nimmt aber der Anteil der Verpackungen aus dem Internethandel im Altpapier kontinuierlich zu. Das führt dazu, dass in den blauen Altpapiertonnen immer mehr große Kartonagen aus dem Versandhandel landen und die Tonnen schnell verstopfen. Andreas Mehn, Fachgebietsleiter Abfallentsorgung beim kommunalen Darmstädter Eigenbetrieb EAD:
    "Das ist schleichend über die Jahre immer mehr geworden. Man sieht das halt daran, dass die Volumen, das was wir aufgestellt haben, steigt. Und die Menge an Tonnage, die wir sammeln, fällt. Man merkt halt wirklich, man leert immer mehr Luft in den Behältern. Und Kataloge, Zeitungen – die schweren Papierfraktionen – die haben halt ganz eklatant abgenommen und dafür haben im Endeffekt die leichten Kartonagen sehr stark zugenommen."
    Ein sogenannter Seitenlader, ein Papiermüll-LKW mit automatischer Hebevorrichtung für blaue Tonnen an der Wagenseite, packt mit einer ausfahrbaren Gabel die Tonnen und kippt sie seitlich in den Lastwagen. Für diesen Vorgang reicht eine Person auf dem Papiermüllwagen – der Fahrer nämlich, der auch die seitliche Hebevorrichtung bedient.
    Mit solchen Techniken sparen die Entsorgungsbetriebe bei der Leerung der Papiertonnen Personal. Doch sie sind auch darauf angewiesen, bestimmte Papiermengen einzusammeln, damit durch den Verkauf des Papiers an Recyclingbetriebe die Kosten für die Altpapierentsorgung reduziert werden können.
    Weniger Papiertonnen, mehr Volumen
    Leere Kartons aus dem Onlinehandel, die nicht sorgfältig zerkleinert werden, verhindern aber einen sinnvollen Abtransport des Papiermülls. Für immer weniger Papiermengen werden stattdessen immer mehr blaue Tonnen gebraucht, weil die Kartons aus dem Onlinehandel so sperrig sind. Andreas Mehn nennt Zahlen, die das Problem verdeutlichen:
    "Wir haben Vergleichszahlen von 2010 und 2015. 2010 haben wir noch 10.550 Tonnen Altpapier gesammelt. Im Jahre 2015 waren das noch 8.880. Das ist eine Abnahme des Papiers von 15, 6 Prozent. Im gleichen Zeitraum haben wie eine Zunahme der Behälter, die draußen stehen, von 18,6 Prozent. Also im Prinzip das Auseinanderlaufen der Kurve. Der höhere Logistikaufwand, der niedrigere Erlös. Das wird hier ganz eindrucksvoll aufgezeigt."
    Diese auseinanderlaufende Kurve hat wirtschaftliche Folgen für die kommunalen Entsorgungsbetriebe. Im Rems-Murr-Kreis oder in Darmstadt werden die Papiertonnen nämlich bisher kostenlos entsorgt, die Gebühren werden für den Restmüll erhoben.
    "Übrigens weder für das Stellen der Altpapiertonnen, noch für die Entleerung werden Gebühren berechnet."
    Folgen für die Müllgebühren
    Wenn die Papiertonnen jedoch zunehmend leichte Kartonagen enthalten und damit immer mehr Luft transportiert wird, ist die Papiermüllentsorgung für die kommunalen Betriebe mehr und mehr ein Zuschussgeschäft. Andreas Mehn von der städtischen Müllentsorgung in Darmstadt: "Das ist natürlich von Gebietskörperschaft zu Gebietskörperschaft jeweils eine unterschiedliche Philosophie. Wo macht man die Gebühr fest? In Darmstadt hat man sich dafür entschieden, es an den Restabfall zu hängen. Aber das wird dann dazu führen, dass dann eine Gebührensteigerung wahrscheinlicher ist."
    Das Geld ist das eine; Lastwagen, die viel Luft transportieren, sind das andere. Ökonomisch wie ökologisch ist diese Entwicklung fatal. Doch Müllentsorger Andreas Mehn denkt auch an eine kulturelle Folge des wachsenden Onlinehandels. An die Krise der kleinen Fachgeschäfte in den Einkaufsstraßen nämlich und das gefährdete urbane Lebensgefühl: "Die Stadtkultur lebt ja auch ganz extrem davon, die Fußgängerzonen. Natürlich ist das kein schöner Effekt für das Feeling in der Innenstadt, dass der Versandhandel so floriert. Aus dieser Sicht."