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Amerikas Kaderschmiede

Die Naval Academy im US-amerikanischen Annapolis gilt als Kaderschmiede der US-Marine. Sie hat auch so manchen Politiker hervorgebracht. So war Ex-Präsident Jimmy Carter Absolvent der Institution. Für ehemalige Kadetten ist der Ort fast schon "geheiligter Boden".

Von Sven Ahnert |
    50 Kilometer südöstlich von Washington D.C. liegt die kleine Hafenstadt Annapolis an der Chesapeake Bay gelegen, jener malerischen und geschichtsträchtigen Bucht, die in den Nord-Atlantik führt. Hier wurde 1845 die Naval Academy gegründet, die Kaderschmiede der amerikanischen Flotte. Eine Mischung aus polytechnischer Hochschule, Kaserne und öffentlich zugänglicher Parkanlage mit historischen Denkmälern.

    Bruce Petersen, Pensionär und ehemaliger Fregattenkapitän der Reserveflotte der U.S. Navy, führt uns über den Campus der Marine-Akademie. Petersen war selbst einmal Absolvent der Naval Academy. Seine Frau kommt aus Deutschland, wo er viele Jahre für die US-Streitkräfte gearbeitet hat. Die Naval Academy ist für den Seebär fast schon geheiligter Boden. Eingebettet in einen Park aus Magnolien- und Kirschbäumen stehen hier auf rund 140 Hektar rote Backsteingebäude, die Villen der pensionierten Admiräle, eine Kirche und pompöse Mannschaftsunterkünfte.

    Petersen: "Die Fenster hier sind Tiffany-Fenster, sie sind verschiedenen Superintendents gewidmet."

    In der Naval Academy Chapel werden jeden Sonntag evangelische und katholische Gottesdienste, in der benachbarten Bancroft Hall und im Uriah P. Levy Center Gottesdienste für Seekadetten muslimischen und jüdischen Glaubens abgehalten. Hinter der Kanzel leuchten die Kirchenfenster mit den Konterfeis der Academy-Gründer und Marine-Pioniere.

    "Hier Admiral Porter, Admiral Sampson und Admiral Farragut. Darüber steht "Eternal Father. Strong to save". Das ist die erste Strophe der Marine-Hymne, die bei jedem Gottesdienst hier gesungen wird. (Summt die Hymne) Ich kann nicht singen, aber das war mehr oder weniger die Melodie."

    Eternal Father, Strong to save,
    Whose arm hath bound the restless wave,
    Who bid'st the mighty Ocean deep
    Its own appointed limits keep;


    "Diese wurde auch beim Begräbnis von John. F. Kennedy gesungen. Er war natürlich auch bei der Marine."

    O hear us when we cry to thee,
    for those in peril on the sea...

    Das Leben an der Naval Academy ist kein Zuckerschlecken, aber eben auch mehr als nur kasernierter, sondern auch akademischer Drill in Naturwissenschaften, Mathematik und Fremdsprachen. Sei Neuestem wird auch arabisch angeboten. In der einem französischen Staatsgebäude nachempfundenen Bancroft Hall sind 1873 Mannschaftszimmer untergebracht. Gut 3500 Seekadetten, Offiziere und Plebes – so nennt man hier die frischen Seekadetten des ersten Jahrgangs – teilen sich in Bancroft Hall die kargen Stuben.

    "Das ist ein Musterzimmer, es ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Da ist die Plebes-Mütze. Da sehen sie die Mütze der Seekadetten oder Midshipmen. Ein Zweibettzimmer ohne Bilder. Die Inspektionen sind sehr streng. Wenn man die Inspektionen nicht besteht, beschäftigt man sich einen Tag mit seinem Gewehr. Man marschiert dann mit dem Gewehr hin und her. 1958 gab es hier einen Seekadetten mit Namen John McCain. Als Seekadett hat er so viele Strafpunkte gesammelt, dass er von Baltimore nach Annapolis und zurück hätte laufen können. Er war kein lieber Junge."

    "Wir haben nur einen Absolventen, der es bis zum Präsidenten der USA geschafft hat: Jimmy Carter. Er war 1947 U-Boot-Offizier. Viele, die hier waren, haben versucht, US-Präsident zu werden. Ross Perot, der Milliardär, hat es auch nicht geschafft."

    Auch die Elite-Kämpfer der US-Streitkräfte, die Navy Seals, drücken in Annapolis die Schulbank. Im Mai 2011 machte diese Kampfeinheit weltweit Schlagzeilen. Sie töteten Osama Bin Laden in Pakistan. Noch in der Nacht zum 2. Mai 2011 trat Akademie-Präsident Admiral Miller vor die Kameras.

    "Das ist das Haus von unserem Superintendant, Vizeadmiral Miller, in einem Haus mit 24 Zimmern, riesengroß, und sein Garten ist auch hier. Gebaut ungefähr Anfang des 20. Jahrhunderts. Seine Aufgabe ist, die Zukunft der Marine auszubilden. Er trägt eine große Verantwortung. Sehr schönes Haus. Hat er auch verdient."

    "Vizeadmiral Miller, er ist der Präsident der Universität, wenn man so will. Was er mit so vielen Zimmern anfängt, weiß ich auch nicht, aber es ist sein echter Wohnsitz."

    Wie jedes Jahr im Mai leisten die Absolventen der neben West Point renommiertesten Militärschule der USA ihren Treueschwur auf die Verfassung. Bevor sie ihr Kadettenzeugnis ausgehändigt bekommen, müssen die "Plebes" noch eine wichtige Hürde nehmen.

    "Für die "Plebs" ist das erste Jahr hier das anstrengendste ihres Lebens. Nach dem ersten Jahr müssen sie noch eine Sache leisten: Sie müssen auf ein ca. sechs Meter hohes Denkmal hochklettern. Da oben ist eine Mütze aufgeklebt. Sie müssen die Plebesmütze gegen eine Seekadettenmütze tauschen. Um die Sache etwas schwieriger zu gestalten, reiben die Seekadetten das Denkmal mit ca. 200 Pfund Schmalz ein. Das ist eine echte Gaudi und dauert zwei bis zweieinhalb Stunden bis ein Plebs die Mütze runterholen kann."