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Andi Zeisler: "Wir waren doch mal Feministinnen"
Der Feminismus als Handelsmarke

Ob auf T-Shirts, Einkaufsbeuteln oder Schirmmützen - feministische Sprüche sind zu einer Marke geworden. Dieser Verbindung zwischen Kommerz und Feminismus widmet sich Andi Zeisler in ihrem Buch "Wir waren doch mal Feministinnen". Dabei geht es ihr auch um die Frage, wie Marketing die Idee der Gleichstellung der Geschlechter entwertet.

Von Heiko Behr |
    Frau mit schwarzem T-Shirt und Aufdruck "Feminism"
    Um Verbindung zwischen Feminismus und Kapitalismus Andi Zeisler in ihrem neuen flott geschriebenen, intelligenten Buch „Wir waren doch mal Feministinnen“. (imago /Icon)
    New York. Fifth Avenue. Demonstrantinnen brüllen "Kampf dem nächsten Geschlechter-Tabu". Und halten dabei Zigaretten in die Luft. Das sind ihre "Fackeln der Freiheit". Die Bilder werden landesweit gedruckt und erzeugen eine große Aufmerksamkeit. Wir schreiben das Jahr 1929.
    Andi Zeisler wartet mit unzähligen überraschenden historischen Anekdoten auf, die eng mit der feministischen Idee verbunden sind. Bei denen die Autorin allerdings auch die dahinter stehenden kapitalistischen Strategien aufdeckt.
    Hinter der oben genannten Demonstration steckte zum Beispiel die Zigarettenindustrie. Die Demonstrantinnen waren gekauft. Ein Hype entstand, der Anteil weiblicher Zigarettenkäuferinnen verdoppelte sich. Die neue Marketing-Zielgruppe "Frauen" etablierte sich so Anfang des 20. Jahrhunderts.
    Um diese Verbindung zwischen Feminismus und Kapitalismus geht es der US-amerikanischen Autorin Andi Zeisler in ihrem neuen flott geschriebenen, intelligenten Buch "Wir waren doch mal Feministinnen". Und um die Frage: In wieweit entwerten schnöde Marketing-Pläne die Idee der Gleichstellung der Geschlechter, wenn sie erfolgreich sind? Oder anders: ist es ein Problem, dass Feminismus in der Popkultur eine Lifestyle-Entscheidung geworden ist?
    Geprägt von politischen Kämpfen
    Zeisler ist die Mitgründerin von Bitch Media, einer feministischen Non-Profit-Organisation, die das Print-Magazin "Bitch – Feminist Response to Pop Culture" seit 1996 herausgibt. "Bitch" ist das Sprachrohr einer Generation von Feministinnen, die geprägt sind von den politischen Kämpfen innerhalb der Popkultur. Die sich um Leitfragen wie diese hier kümmert: "Warum muss eine Musikerin, die es auf das Cover des Rolling Stone schafft, dort Unterwäsche tragen?" Es gibt Essays über Filme und Fernsehserien, kritische Auseinandersetzungen mit Werbekampagnen, Interviews mit Musikerinnen.
    Diese Herangehensweise war lange Zeit eine Nische – mittlerweile hat der Mainstream diese Perspektive eingemeindet. In der New York Times wird genauso über feministische Strömungen debattiert wie bei Spiegel Online in den Kolumnen von Sybille Berg und Margarete Stokowski. Wie Zeisler schreibt: Feminismus wurde hip.
    "Die ewige Kernfrage – sind Frauen Menschen, mit denselben Rechten, denselben Möglichkeiten, denselben Freiheiten wie Männer? – wird immer häufiger auf Gebieten gestellt, auf denen sie schon vor Jahrzehnten hätte beantwortet werden müssen. Offenbar leben wir nicht in einer Welt, in der der Feminismus zur Gänze verwirklicht wäre. Vielmehr sehen wir untätig zu, wie der Hochglanz-Wohlfühl-Feminismus den tief verwurzelten Formen der Ungleichheit die Aufmerksamkeit entzieht. Dieser Feminismus präsentiert einfache Motive von Schwestern im Geiste, die einander unter die Arme greifen: ein aufmunterndes »Dann mal ran, Mädels« auf Twitter und entsprechende Fotos auf Instagram, beschwingte Zeitschriftenartikel über Kleidung, in der frau sich selbst gefällt. Der Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter ist vom kollektiven Ziel zu einer Handelsmarke verkommen."
    Das Stichwort heißt Empowertisement
    Nun ist diese Handelsmarke natürlich Stück für Stück bewusst etabliert worden. Wie Zeisler zeigt, durch einen irritierenden Schritt: Konsum wird mittlerweile als emanzipatorischer Akt verkauft. Das Stichwort dazu lautet: "Empowertisement", also Empowerment, Selbstermächtigung, verbunden mit Advertisement, also Werbung. Das heißt Werbekampagnen, die den Eindruck erwecken, der Push-Up-BH gleiche einer emanzipatorischen Errungenschaft. Weil Frauen eben selber über ihr Äußeres bestimmten. Oder: Die Fertig-Pizza nivelliere überkommene häusliche Geschlechterrollen. Weil Frauen nun nicht mehr kochen müssten.
    Diese Gedanken basieren auf der Idee des "einkalkulierten Feminismus", die auf dem scheinbaren Common Sense basiert, dass die feministische Bewegung sich durch ihren Erfolg überflüssig gemacht habe. "Sexistische Werbung" sei nur noch scheinbar sexistisch. Weil wir alle, Produzenten und Konsumenten, es ja mittlerweile besser wüssten. So wird Sexismus durch die Hintertür wieder eingeführt. Mit einem Augenzwinkern.
    Natürlich widmet sich Zeisler dann ausführlich ihrem Studienobjekt: der Popkultur in all ihren Verzweigungen. Filme, Serien und Musik. Sie analysiert ausführlich einen der größten Popstars dieser Zeit, Beyoncé, und ihre feministischen Slogans und Songs. Und kritisiert, dass sie abseits schnöden Geldverdienens keinerlei soziale Veränderungen auslöse.
    Detaillierte, hochinteressante geschichtliche Rückblicke
    Die Faszination für Beyoncés Feminismus, das Bedürfnis, sie entweder als Schwester im Geiste zu reklamieren oder ihr die Eignung dafür komplett abzusprechen, sind Ausdruck dafür, wie eine Fokussierung auf Individuen und deren Entscheidungen im Handumdrehen verdeckt, welche enorme Rolle die Systeme des institutionalisierten Sexismus, Rassismus und Kapitalismus bei der Definition und Beschränkung dieser Entscheidungen spielen.
    Dieser Diskurs ist natürlich nur dann relevant, wenn man glaubt, dass die Darstellung kraftvoller, mächtiger Frauen in den Medien echten Frauen nütze. Weil sie dadurch sichtbar würden. Ist es so einfach? Zeisler führt dazu den 90er-Begriff des "feministischen Trugschlusses" nochmal ein. Untersuchen wir die Darstellung von Frauen in Literatur, Film, Fernsehen und Printmedien als Selbstzweck? Oder untersuchen wir diese Darstellung als Mittel zum Zweck?
    Zeisler argumentiert, mit detaillierten, hochinteressanten geschichtlichen Rückblicken, immer wieder auf eine Kernthese hin: der aktuelle Feminismus ist depolitisiert. Und deshalb seiner Kraft beraubt. Feminismus ist heute eine private Entscheidung, die sich vor allem auf Konsum beschränkt. Wie diese enge Verbindung zum Kapitalismus allerdings zu lösen sein könnte, vermag sie nicht zu beantworten.
    Andi Zeisler: "Wir waren doch mal Feministinnen. Vom Riot Grrrl zum Covergirl. Der Ausverkauf einer politischen Bewegung"
    Rotpunktverlag, Zürich 2017
    304 Seiten, 25 Euro