Es ist eine simple Rechenaufgabe: Die Europäische Zentralbank verlängert ihr Anleihekaufprogramm um neun statt um sechs Monate, aber von April an kauft sie nicht mehr Wertpapiere im Volumen von 80, sondern nur von 60 Milliarden Euro. Analysten hatten im Vorfeld erwartet, die EZB werde die bisherige Praxis um ein halbes Jahr strecken, also das Programm um 480 Millairden Euro aufstocken, nun sind es 540 Millairden Euro. Ist das Tapering, wie es in der Fachsprache heißt, also das allmähliche Zurückfahren der lockeren Geldpolitik? Das war nämlich die erste Reaktion einiger Beobachter.
Diesem Eindruck widersprach EZB-Präsident Mario Draghi. Man könne zum Beispiel auch das monatliche Kaufvolumen wieder auf 80 Milliarden Euro erhöhen, sollte es nötig sein: "Wir haben eine ganze Reihe an Optionen. Wir werden sehen, welche sich anbieten, sollte sich der Ausblick verschlechtern. Die Hauptbotschaft ist: Wir wollen zeigen, dass ein Zurückfahren der Anleihekäufe nicht in Sicht ist. Wir wollen zeigen, dass die EZB im Markt präsent bleibt und weiter Druck auf die Marktpreise ausübt - auch wenn wir die natürlich nicht verzerren wollen."
Veränderte Kriterien für Anleihekauf
Außerdem beschloss der EZB-Rat, die Kriterien für den Anleihekauf zu verändern: die Notenbank kann nun auch Papiere mit einer Restlaufzeit von zwei Jahren erwerben - bisher waren es drei - und sie kann wenn nötig sogar solche kaufen, die unter dem Einlagezinssatz von minus 0,4 Prozent liegen. So kann sie beispielsweise noch länger Bundesanleihen kaufen. Der Hauptgrund: Die Inflationsrate ist noch zu niedrig.
Mit der Lage in Italien nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum habe das nichts zu tun, sagte der Italiener Draghi: "Wir sind natürlich nicht parteiisch. Und wir haben das oft genug unter Beweis gestellt. Die Entscheidungen in der Geldpolitik fällt der EZB-Rat. Wir sind dort nicht als Repräsentanten unserer Länder, das gilt noch stärker für mich, wir nehmen als Personen ein Mandat wahr, nämlich die Preisstabilität im gesamten Euroraum sicherzustellen. Und das haben wir getan."
Nach den jüngsten Prognose der EZB-Volkswirte soll die Inflationsrate erst 2019 wieder 1,7 Prozent erreichen, also dann doch nahe an zwei Prozent rücken. Das versteht die EZB unter Preisstabilität. Ob die mit 1,7 Prozent gegeben sei, wurde Draghi gefragt. Die Antwort: "Nicht wirklich, wir müssen hartnäckig bleiben, wir wissen, dass wir uns dem Ziel allmählich annähern."
Kein Risiko für den Euroraum
An der lockeren Geldpolitik hält die EZB also noch lange fest. Das machte Draghi heute klar, auch wenn er andererseits beschwichtigt: "Wir sehen an diesem Punkt kein Risiko für den Euroraum. Es gibt verschiedene Schwächen in den unterschiedlichen Ländern. Der Wirtschaft insgesamt geht es besser als vor fünf Jahren, als Ansteckungsgefahr drohte. Die Finanzmärkte und das Finanzsystem sind stabiler. Die aktuellen Probleme sind zwar sehr wichtig - man sollte schnell an ihre Behebung gehen - aber sie bleiben beschränkt auf die jeweiligen Länder."