Christiane Kaess: Die Bundesregierung hat gestern bekannt gegeben, dass sie für den Kampf gegen die IS-Dschihadisten in Syrien unter anderem Aufklärungsflugzeuge und eine Fregatte zur Verfügung stellen wird. Die Deutschen sind einer Umfrage zufolge uneinig in der Frage einer Beteiligung Deutschlands an Militäreinsätzen gegen den IS. Dafür sprechen sich laut ZDF-Politbarometer 47 Prozent der Befragten aus, dagegen sind 46 Prozent. Drei Viertel der Deutschen fürchten demnach, dass es in nächster Zeit auch in Deutschland zu Anschlägen kommt.
Kurz vor dieser Sendung habe ich mit Jan van Aken gesprochen. Er ist verteidigungspolitischer [sic: außenpolitischer] Sprecher der Linken im Bundestag. Seine Partei lehnt den deutschen Militäreinsatz gegen den IS ab. Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die sagt: Der Einsatz werde den IS nicht schwächen und die Terrorgefahr in Deutschland erhöhen. Warum nichts tun gegen den IS besser sein soll, habe ich Jan van Aken als erstes gefragt.
Jan van Aken: Das ist auf gar keinen Fall besser. Nichts tun ist die falsche Version. Das ist das, was die Bundesregierung tut, und wir sagen seit Jahren, tut endlich etwas, um das Morden dort in Syrien und im Irak zu stoppen, aber tut das Richtige. Das Militärische funktioniert auf gar keinen Fall. Das ist doch die Lehre, die wir aus Afghanistan haben.
Kaess: Was ist das Richtige?
van Aken: Seit Jahren wissen wir, dass der Islamische Staat unglaublich reich ist. Geldspenden kommen rein aus der Golf-Region, der Ölschmuggel, der Handel mit illegalen Antiken und und und. Das ist alles bekannt. Aber das ist das, was wehtut. Das würde dem IS wehtun. Aber es tut offenbar auch der deutschen Bundesregierung weh. Die kümmern sich eben nicht um genau diese Geldflüsse zum IS. Ich glaube, damit würden wir den wirklich an der Wurzel treffen und nicht mit Bomben, die abgeworfen werden.
Zustrom von Kämpfern muss verhindert werden
Kaess: Das wäre Ihre Strategie, den IS finanziell auszutrocknen. Und das soll reichen gegen eine hochgerüstete und skrupellose Terrororganisation?
van Aken: Nein, das ist nur ein Beispiel. Lassen Sie mich mal sagen: All das, was den Islamischen Staat stark macht seit Jahren, das müsste eigentlich seit Jahren bekämpft werden. Die Finanzmittel sind ein ganz wichtiger Teil. Der zweite, genauso wichtige Teil, das ist der Zustrom von Kämpfern. Zu beiden Punkten gibt es seit Jahren auch UN-Resolutionen. Es wird einfach gar nichts getan. Jede Nacht kommen die Kämpfer aus aller Welt über die Türkei zum Islamischen Staat. Da wird einfach weggesehen. Und jetzt glaubt man, dass man den gleichen Fehler wie in Afghanistan noch mal machen kann, und da kann ich nur sagen: 13 Jahre NATO in Afghanistan, 40.000 Soldatinnen und Soldaten vor Ort, viele zehntausend Tote und am Ende sind die Taliban stärker als je zuvor.
Kaess: Die Kämpfer kommen ja zum Teil auch aus dem Westen. Wie wollten Sie diese denn abhalten, da hinzugehen?
van Aken: Ich glaube, der entscheidende Schritt ist der über die Grenze. Es gibt ja ein kleines Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem islamischen Staat und da gibt es absolute Bewegungsfreiheit für die Dschihadisten und da ist einfach eine Frage, was macht die türkische Regierung eigentlich. Die ist im Moment eigentlich dabei, den Islamischen Staat zu unterstützen, an andere Islamisten liefern sie sogar Waffen, und trotzdem steht Deutschland, die Bundesregierung seit Jahren unverbrüchlich an der Seite von Erdogan und tut gar nichts, und das finde ich verantwortungslos, wenn man sich die ganzen Gräueltaten dieser Terroristen anschaut.
"Die Argumentation Frankreichs ist völkerrechtlich sehr gefährlich."
Kaess: Herr van Aken, jetzt haben Sie selber darüber gesprochen, wie viele militärische Mittel da im Spiel sind, wie viele Waffen da im Spiel sind. Deshalb noch mal meine Nachfrage: Sie sind ganz klar dagegen, überhaupt irgendwelche militärischen Mittel gegen den Islamischen Staat einzusetzen?
van Aken: Jetzt von außen ja. Ich sage Ihnen ganz klar, habe ich immer gesagt: Wenn ich ein Kurde in Kobane wäre, der Islamische Staat überfällt mich, könnte ich mir vorstellen, mich mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Aber von außen dort jetzt militärisch versuchen, irgendetwas zu verändern, das ist zum Scheitern verurteilt. Denn ich sage ganz klar: Jede Bombe, die heute auf Rakka fällt, treibt dem Islamischen Staat noch zehn neue Kämpfer wieder in die Hände, denn der Islamische Staat lebt doch vor allem von dieser Erzählung, der Westen führt einen Kreuzzug gegen die Muslime in aller Welt. Und wenn man dieses Bild immer wieder täglich bestätigt, macht man die immer stärker.
Kaess: Und das heißt, Sie werden einem Bundestagsmandat, egal wie es formuliert ist, auch auf gar keinen Fall zustimmen?
van Aken: Das würde ich so nicht sagen. Wenn darin steht, die Bundeswehr wird nicht eingesetzt, wenn in diesem Mandat drinsteht, wir tun endlich etwas gegen den Zufluss von Kämpfern, gegen die Finanzierung, dann würde ich immer zustimmen. Aber einem militärischen Bundestagsmandat würde ich auf gar keinen Fall zustimmen.
Kaess: Das heißt, das, was jetzt zur Diskussion steht, denn genau darum geht es ja jetzt. Und das würden Sie auch nicht tun, wenn das Ganze mit einem UN-Mandat unterfüttert wäre?
van Aken: Nein. Im Moment gibt es tatsächlich auch keine völkerrechtliche Grundlage dafür. Das ist aber nicht mein Kernargument. Tatsächlich muss ich sagen, die Argumentation Frankreichs im Moment völkerrechtlich ist sehr, sehr gefährlich. Wenn man das zu Ende denkt, sagen sie ja, wir sind gerade von einem auswärtigen Staat angegriffen worden. Damit machen sie aber die mörderischen Terroristen plötzlich zu einem Staat. Sie werten den Islamischen Staat ja richtig auf. Ich verstehe das überhaupt nicht.
Die falschen Methoden der Franzosen müssen wir nicht mitmachen
Kaess: Frankreich haben Sie jetzt gerade angesprochen. Bei dem deutschen Einsatz geht es ja im Moment nur um Aufklärung. Kann man das denn machen? Kann man denn einen Partner wie Frankreich da im Regen stehen lassen?
van Aken: Nein, auf gar keinen Fall. Ich finde, Deutschland muss jetzt ganz eng an der Seite Frankreichs stehen.
Kaess: Auch mit militärischer Aufklärung, denn das ist das, was offenbar die Franzosen sich gewünscht haben?
van Aken: Nein, eben nicht. Ich würde ganz klar sagen, Solidarität mit Frankreich ja, aber mit den richtigen Mitteln. Und wenn es jetzt überall heißt, auch von Frau von der Leyen, man muss den ISIS bei der Wurzel packen, dann ist das genau das, was wir wollen. Aber ich glaube, die falschen Methoden der Franzosen, die müssen wir nicht mitmachen. Aber Solidarität auf jeden Fall.
Kaess: Aber Ihre Argumentation wird ja in Paris überhaupt nicht wahrgenommen.
van Aken: Nein, und das halte ich für einen Fehler. Hollande hat ja seit Jahren schon auch auf die militärische Karte gesetzt, hat sogar ja auch an der Seite Erdogans dort richtig massive Operationen schon angedacht. Das fand ich immer schon falsch und das bleibt heute genauso falsch.
Kaess: Es ist ja nicht nur Paris, das auf diese militärische Karte setzt. Es ist ja mittlerweile so etwas wie eine internationale Allianz. Wäre es denn da nicht tatsächlich sinnvoll, diese durch Aufklärung - ich betone noch mal: es geht ja nur um die Aufklärung - zu unterstützen, um genau das zu erreichen, nämlich den IS präziser zu bekämpfen?
Auch beim Aufklären macht man sich die Finger blutig
van Aken: Na ja. Diese Unterscheidung ist lächerlich. Zum einen denke ich an Afghanistan zurück. Als die Bundeswehr zum ersten Mal hinging, ging es auch nur darum, eine Wahl in Kabul zu schützen, und am Ende waren die Bundeswehrsoldaten am Kämpfen. Diese Eskalation gibt es hier auch. Sagen Sie, wo ist der Unterschied? Die Deutschen gucken ein Ziel aus, ein anderer Bomber bombardiert das Ziel. Da macht man sich doch genauso die Finger blutig, als wenn man selber die Bomben abwirft. Ich finde das eine Unterscheidung, die funktioniert vielleicht im Parlament in Berlin, aber nicht in der wirklichen Welt.
Kaess: Jetzt haben wir diese Woche gesehen die Initiative des französischen Präsidenten Hollande, der durch die Welt gereist ist, um eine internationale Allianz gegen den IS zu schmieden und noch weiter zusammenzuziehen. Was hat die unterm Strich gebracht?
van Aken: Ich glaube, relativ wenig, denn Obama war ja nicht sehr aufgeschlossen und bei den Russen muss ich sagen, ich vertraue Moskau da nicht. Die bombardieren völlig verschiedene unterschiedliche Gruppen dort. Ich vertraue auch der Türkei nicht. Da gibt es mittlerweile ja die Abschüsse von Flugzeugen gegenseitig. Insofern halte ich die ganze Situation dort so fragil, dass mir jetzt auch der Bundeswehreinsatz richtig Angst macht. Das kann soweit eskalieren wie in Afghanistan. Dann haben wir plötzlich die Bundeswehr mitten in einem großen Krieg im Nahen Osten. Das ist gefährlich.
Kaess: Die Meinung von Jan van Aken. Er ist verteidigungspolitischer [sic: außenpolitischer] Sprecher der Linken.
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