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Antisemitismus
War doch nur ein Witz?

Ein junger Mann, der wegen Judenwitzen das Priesterseminar in Würzburg verlassen musste, ist zum Diakon in Eichstätt geweiht worden. Er habe sich geändert, sagt der zuständige Bischof. Josef Schuster vom Zentralrat der Juden vermutet, die Kirche ist in Personalnot und prüft nicht kritisch genug.

Von Burkhard Schäfers |
    Schild am Eingang des Priesterseminars in Würzburg.
    Schaut die katholische Kirche wegen des Priestermangels beim geistlichen Nachwuchs nicht ganz so genau hin? (picture alliance/ dpa/ Daniel Peter)
    "Gute Wertschätzung", ein "untadeliger Lebenswandel und erwiesene Charakterstärke": Das sind zentrale Attribute eines angehenden Priesters – laut kirchlichem Gesetzbuch. Gilt das für jemanden, der wegen "Fehleinstellungen" aus dem Priesterseminar entlassen wurde? Zumal, wenn um antisemitische und rassistische Umtriebe geht? Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, zweifelt:
    "Entsprechend dem Bericht der Untersuchungskommission – und diese Kommission hat ja nun wirklich sich viel Arbeit gemacht und einen sehr umfangreichen Bericht erstellt – hat er eindeutig Nazi-Witze zum Besten gegeben. Und wohl auch Wert darauf gelegt, darauf hinzuweisen, welche besondere Bedeutung der 20. April als Geburtstag Hitlers doch hat."
    Die externe Kommission hatte vor vier Jahren im Auftrag der zuständigen Bischöfe untersucht, ob es im Würzburger Priesterseminar ein braunes Netzwerk gibt. Ein Richter, ein Judaist und ein Theologie-Professor befragten 28 Personen, darunter 18 Priesteramtskandidaten. Die Kommission stellte ein "Fehlverhalten" einzelner Seminaristen fest und übergab den Bischöfen einen nichtöffentlichen Bericht. Diese entließen daraufhin zwei Kandidaten, die keine Einsicht gezeigt hätten.
    Allerdings nimmt die Sache ein Jahr später eine überraschende Wende: Einer der Geschassten macht erst ein Gemeinde-Praktikum im Nachbarbistum Eichstätt, wird dort anschließend ins Priesterseminar aufgenommen – und vor einigen Wochen doch noch zum Diakon geweiht. Josef Schuster, höchster Repräsentant des Judentums in Deutschland, ist verärgert – und der Imageschaden für die Kirche da.
    "Man sollte bei der Frage ihres Gedankengutes prüfen, inwieweit sie dazu geeignet sind, um andere Menschen zu führen. Denn was so von der Kanzel über Jahrhunderte gepredigt wurde, gerade im Verhältnis von Christentum zu Judentum, und zu welchen Folgen dies geführt hat, das sollte man bei all solchen Entscheidungen unbedingt mit im Auge behalten."
    "Wir weihen keine Heiligen", sagt der Bischof
    Der Fall ist ein Politikum: Tut die Kirche alles, um zu verhindern, dass Menschen mit antisemitischem Gedankengut Priester werden? In Eichstätt finden sie: Der junge Mann habe sich bewährt und eine zweite Chance verdient. Bischof Gregor Maria Hanke spricht von "Barmherzigkeit".
    "Wir weihen doch keine Heiligen zu Diakonen, Priestern und Bischöfen. Sondern Menschen, die durch das Sakrament wachsen und reifen und sich weiter entwickeln sollen.
    Eichstätt, ziemlich in der Mitte Bayerns im Naturpark Altmühltal gelegen, ist eine Art katholische Miniaturwelt: Bischofssitz, katholische Uni, mehr als ein Dutzend Kirchen und Klöster – und das bei nur 13.000 Einwohnern. Das Eichstätter Priesterseminar steht im Zentrum, neben der stattlichen Schutzengelkirche mit ihren mehr als 500 Engelsdarstellungen. Der Leiter des Seminars, Regens Michael Wohner, ist für die Ausbildung des umstrittenen Diakons verantwortlich.
    "Wir haben die ganz normalen Regularien eingehalten, haben die Zeugnisse eingeholt. Und es gab natürlich auch noch andere Gutachten, die wir in diesem Fall haben anfertigen lassen, um unserer Verantwortung gerecht zu werden."
    Regens Michael Wohner ist der Leiter des Eichstätter Priesterseminars
    Regens Michael Wohner ist der Leiter des Eichstätter Priesterseminars (Burkhard Schäfers)
    Den Bericht allerdings, den die Würzburger Untersuchungskommission 2013 anfertigte, kenne er nicht, sagt Regens Wohner. Grundlage dafür, den Kandidaten zum Diakon zu weihen, waren die Einschätzungen aus seiner Heimatpfarrei, der Praktikums- und der Ausbildungsgemeinde sowie ein psychiatrisches Gutachten.
    "Ich kann mir schwer vorstellen, dass er antisemitisches Gedankengut fördert"
    "Aufgrund der Zeugnisse, die uns zugeleitet wurden, aufgrund der eigenen Erfahrungen mit dem Studenten kann ich mir schwer vorstellen, dass er antisemitisches Gedankengut fördern – vertreten würde, ja."
    Gern hätte der Deutschlandfunk mit dem umstrittenen Diakon selbst gesprochen. Der aber möchte öffentlich nichts sagen. Zu viel Medienrummel, heißt es aus der Bistums-Pressestelle. Es gibt auch keine schriftliche Stellungnahme, in der er sich von den Ereignissen distanziert, aufgrund derer ihn die Bischöfe aus dem Würzburger Priesterseminar entlassen hatten. Und noch etwas irritiert: Das vielsagende Schweigen der Bischöfe aus Würzburg und Bamberg, Friedhelm Hofmann und Ludwig Schick. Die Pressestelle der Erzdiözese Bamberg teilt auf Anfrage lediglich mit:
    "Die Eignung des Weihekandidaten wurde von den Verantwortlichen im Bistum Eichstätt beurteilt. Diese Personalangelegenheit kommentieren wir nicht weiter."
    "Was mich sehr irritiert, verwundert, auch verärgert: Der Würzburger Bischof hat mich darauf hingewiesen, dass die Aufnahme eines Seminaristen in ein Priesterseminar nur möglich sei mit ausdrücklicher Zustimmung der Ortsdiözese. Derjenige kommt aus Bamberg. Man hat sich jetzt hier weggeduckt. Also entweder wurde das umgangen, oder aber die Diözese Bamberg hat dem Vorgehen zugestimmt. Beides kann ich in keiner Weise nachvollziehen", sagt Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Die Kirche habe Vertrauen verspielt.
    "Ich weiß nicht, ob der Zweck hier jede Mittel heiligt"
    "Mir drängt sich der Eindruck auf: Die katholische Kirche hat einen Priestermangel. Und ich weiß nicht, ob es wirklich richtig ist, dass der Zweck hier jede Mittel heiligt."
    Der Fall wirft Fragen auf: Inwieweit steht der Betreffende zu seinem Tun von damals? Ist er nun antisemitisch und fremdenfeindlich oder nicht? Jugendliche aus der Pfarrei, in der er seit einem knappen Jahr arbeitet, haben einen Leserbrief an die Lokalzeitung geschrieben: Von dem Bild, das von ihm gezeigt werde, "wollen und müssen wir uns klar distanzieren". Er schaffe Zusammenhalt, gehe "stets offen, unvoreingenommen und auf Augenhöhe auf alle Menschen zu, die in unserer Pfarrei leben". Bis vor wenigen Wochen hätten die Gläubigen nichts von der Entlassung aus dem Würzburger Priesterseminar gewusst, sagt der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Josef Rössert.
    "Das war gut so, dass man nicht voreingenommen ihm gegenüber war. Wie das rausgekommen ist, hat man das besprochen, er hat sich dann auch vor der Gemeinde geäußert. Und ich denke, in der Gemeinde war eine Haltung des Verzeihens, dass er das gemacht hat, dass er neu anfängt, da."
    Ähnliches sagen frühere Kommilitonen an der Uni. Unter seinesgleichen ist der umstrittene Diakon geschätzt und anerkannt.
    "Ich hab das Vertrauen in ihn als Menschen nicht verloren. Diese Verfehlungen sind in keiner Weise mehr zutage getreten. Oder diese Einstellungen waren überhaupt nicht mehr spürbar. Ich hab’s so empfunden, dass es vor drei, vier Jahren auch eine Jugendsünde war, die man ihm verzeihen sollte."
    Irgendwann allerdings wird sich der Betreffende wohl öffentlich erklären müssen. Schwamm drüber, aussitzen – das wird auf Dauer nicht gehen. Für die Gesellschaft ist es eben nicht egal, wen die Kirche zu Priestern weiht – und wie diese mit Fremden und Andersgläubigen umgehen.