Es ist ein ambivalentes Fazit, das sich aus dem neuen Fehlzeitenreport der Krankenkasse AOK ziehen lässt: Zwar ist der Krankenstand im Vergleich zum Vorjahr bei ihren Versicherten gleich geblieben - so fehlten vergangenes Jahr Beschäftigte im Durchschnitt gut 19 Tage mit einem ärztlichen Attest. Doch seit mehreren Jahren schon spielen psychische Erkrankungen eine immer größere Rolle, wenn Arbeitnehmer sich krankmelden.
Innerhalb von zehn Jahren nahmen die Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen um knapp 80 Prozent zu. Wer deswegen ausfällt, fällt auch besonders lange aus. Durchschnittlich 26 Tage je Fall. Eine besondere Schlüsselrolle kommt Krisen im Leben der Beschäftigten zu. In einer repräsentativen Umfrage mit 2000 Befragten hat die Gesellschaft für Konsumforschung Beschäftigte zu belastenden psychischen Erlebnissen befragt. Einbezogen wurden Erwerbstätige zwischen 16 und 65 Jahren. Sie sollten von Krisen in den vergangenen fünf Jahren berichten. Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, nannte die häufigsten genannten Probleme:
"Am häufigsten schwere Erkrankungen in der eigenen Familie, gefolgt von belastenden Konflikten im privaten Umfeld. Danach kommt die Trennung, aber auch der Tod des Familienangehörigen, insofern sind das gravierende Krisen und nicht der vor der Nase weggefahrene Bus."
Unterschiedliche Probleme in unterschiedlichen Lebensphasen
Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen fielen laut Befragung gering aus. Je älter hingegen die Befragten waren, desto häufiger nahmen die Krisen zu. Jüngere Erwerbstätige berichteten neben privaten Konflikten auch über finanzielle oder soziale Probleme, während bei älteren Erwerbstätigen Krankheit, Altern oder der Tod des Partners eine größere Rolle spielten.
80 Prozent berichteten, dass sich die Krise in psychischen Problemen äußerte, bei zwei Dritteln hatte eine Krise Auswirkungen darauf, wie sie sich im Job verhalten. Die meisten der Befragten empfanden sich als weniger leistungsfähig. Knapp die Hälfte ist krank zur Arbeit gegangen.
"Wichtig ist, dass 80 Prozent diese Lebenskrisen, auch im Unternehmen ansprechen, das bedeutet umgekehrt aber auch, knapp 20 Prozent sprechen sie nicht an, aber es ist trotzdem eine beeindruckende Zahl, dass Unternehmen sich um diese Herausforderungen kümmern können."
In den meisten Fällen gaben die Befragten an, dass ihnen mit Verständnis oder Rücksichtnahme begegnet wurde. Die meisten wendeten sich mit ihrem Problem an Arbeitskollegen, danach an die unmittelbaren Vorgesetzten. Eine geringere Rolle spielen der Betriebs- oder Personalrat. Unternehmen gingen darüber hinaus mit flexiblen Arbeitszeiten auf die betroffenen Mitarbeiter zu, oder sie ließen sie freistellen.
Allerdings reagierten Unternehmen nicht gleichermaßen: Die AOK verwies darauf, dass bei der Betreuung der Beschäftigten auch die Betriebsgröße eine Rolle spielen kann, ebenso wie das Unternehmensklima.
Kommunen werden zu wenig eingebunden
Auch Kritik an der Politik wurde laut: Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes bemängelte, dass die Kommunen als Dienstleister von Hilfsangeboten vor Ort häufig vernachlässigt würden. Martin Litsch:
"Wir haben das Präventionsgesetz 2015 verabschiedet. Die Krankenkassen sind hier zu wesentlichen Akteuren und Zahlern gemacht worden, was wir bedauern ist, dass die Kommunen, also die Welt, in der wir leben, nicht eingebunden ist, vor allem Kommunen bleiben zahnlose Tiger, sind nicht verpflichtet, sich an den Rahmenvereinbarungen anzugliedern, sind vor allen Dingen nicht verpflichtet sich finanziell zu beteiligen. Das ist fortgesetzt worden, in der nationalen Präventionskonferenz, in der die Bundes- und Landesvertretungen nur beratende Funktion haben."
Der Fehlzeitenreport der AOK erscheint jährlich seit 1999. Im vergangenen Jahr wurde bemängelt, dass eine schlechtes Firmenklima Mitarbeiter krank mache. Mehr als jeder Vierte Beschäftigten hatte die Unternehmenskultur in seinem Betrieb als schlecht beurteilt.