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Arbeiter-Musikkapellen
Gaudi-Performance und politische Haltung

Die Bolschewistische Kurkapelle schwarz-rot aus Berlin gibt sich mit der künstlerisch befreundeten MusikarbeiterInnenkapelle aus Wien ein Stelldichein. Gemeinsam stehen die 50 Musiker auf der Bühne der Wabe. Beide Gruppen haben einen linken Hintergrund und den tun sie mit ihrer Musik kund.

Von Florian Fricke |
    Letzten Samstagmittag im Strandbad Weißensee, das Thermometer zeigt über 30 Grad. Die Badegäste liegen dicht an dicht im Duft von Bratwurst, Pommes und Sonnencreme. In einer Ecke spielen die siebzehn Musiker der Bolschewistischen Kurkapelle schwarz-rot gegen ihren Kater an. Am Abend zuvor hatten sie sich im Club Wabe mit der MusikarbeiterInnenkapelle aus Wien einen Spaßbattle veranstaltet, über 60 Musiker auf zwei Bühnen standen sich gegenüber. Wer kann am lautesten, leisesten spielen, am schnellsten und so weiter. Eine Jury hat bewertet, und wer tanzen wollte, hat getanzt. Aber auch der politische Teil mit Brecht, Eisner und Kreisler kam nicht zu kurz. Nun der gemeinsame Ausklang. Ein Platzkonzert für die Weißenseer Sommerfrischler, die an den Biertischen um die Bühne Schatten suchen. Roland Verwiebe kam 1988 zur Kurkapelle.
    "Wir hatten schon beim ersten Auftritt Probleme, also der Name wurde durchgestrichen, mit dem bolschewistisch konnte man nichts mehr anfangen in dem stalinistischen Restdeutschland DDR damals, und dann kam dann noch die Kurkapelle, was soll das denn jetzt zusammen sein, und dann noch schwarz und rot, die Farben der Anarchie, und dann hast du schwarz der Tod, rot die Liebe, und dann fehlt das Gold für Deutschland. Die Zeiten für das direkte Parteiergreifen auf riesigen Veranstaltungen, also wie das vielleicht noch in den 30er Jahren die Tradition der Arbeiterblaskapellen war, die gibt's ja nicht mehr. Man kann schon und muss, glaub ich, mit der Tradition, die beide Kapellen haben, Flagge zeigen an bestimmten Stellen und das tun wir halt immer wieder."
    Mit Tradition meint Roland den linken Hintergrund beider Bands. Die Wiener MusikarbeiterInnenkapelle hatte sich anlässlich der 1.Mai-Kundgebung 2007 gegründet. Die Berliner Bolschewistische Kurkapelle spielt heute in Theatern, Bars, Clubs, am Tag der Befreiung von Hitlerdeutschland oder am 1. Mai in Marzahn, wo sie das Feld nicht den Rechten überlassen wollen.
    Laurenz Ennser:
    "Schöne Grüße aus Wien, wir sind die MusikarbeiterInnenkapelle aus Wien..."
    Heute im Strandbad wird nicht gebattlet und nicht groß agitiert, die Unterhaltung steht im Vordergrund. Die Kapellen spielen hintereinander ihre 45minütigen Sets, dann müssen sie die Bühne für eine Hochzeitsgesellschaft räumen auch die Wiener mischen in der Regel klassisches Repertoire mit ironischen Versionen von Hits, in ihrem Fall von Britney Spears oder Rage Against The Machine. Kapellmeister Laurenz Ennser sorgt für charmant-sarkastische Ansagen, wie es sich für einen Wiener gehört. Er sieht das politische Engagement der Kapelle, die auch ein Auffangbecken ist für in Wien gestrandete Landeier, ähnlich hintergründig wie Roland.
    Laurenz Ennser:
    "Wir haben zum Beispiel einen offiziellen Beschluss in unserem Verein bei der Hauptversammlung gefasst, und der heißt, dass wir nicht oder nur in Ausnahmefällen auf Parteiveranstaltungen spielen."
    Laurenz Ennser:
    "Der ländliche Raum in Österreich, also fast alles außerhalb von Wien, der ist im Regelfall noch tief katholisch geprägt. Aber uns ist auch wichtig dort aufzutreten, wo man mal aus der Wiener Innenstadt oder aus dem Siebten Bezirk, wo alles hipp und schick und links ist, raus kommt und da die Brücke schlägt. Und da hilft unsere Besetzung, weil wir in einer ganz traditionellen Blaskapellenbesetzung spielen. Das ist was, wo man sehr leicht Leute erreicht, obwohl sie vielleicht nicht vordergründig für das Repertoire, was wir spielen, ansprechbar sind."
    Laurenz Ennser:
    "So eine Kapelle hat eine soziale Funktion für die Leute, die dabei sind, aber auch auf das weitere Umfeld hin. Und diese soziale Funktion immer wieder in den Dienst von einem politischen Zweck zu stellen, das ist sehr sinnvoll."
    Roland Verwiebe:
    "Du musst an die Herzen ran. Musik ist dafür grundsätzlich gut geeignet, weil Musik schließt die Herzen auf. Und da rüber zu kommen und mit Witz und Pfiff zu arbeiten, darüber hast du eine Chance, aber das ist die einzige Chance, die du hast."