"Hier soll sich demnächst einiges verändern, und zwar soll hier ein BID entstehen, das ist ein Business Improvement District, das kann man auch übersetzen mit Geschäftemacherei-Verbesserungszone."
Protestdemonstration im Hamburger Stadtteil Altona. Anwohner wehren sich gegen die geplanten Veränderungen in ihrem Viertel. Business Improvement District steht für die Partnerschaft von öffentlicher und privater Hand, eine Art Zauberformel für finanziell notleidende Städte: Die Kommunen stellen Investoren Flächen zur Verfügung, diese entwerfen, bebauen und unterhalten neue Quartiere.
"Es gibt eine große Skepsis gegenüber dem Konzept Business Improvement District, und ich kann das verstehen", sagt Andy Grote, Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte.
"Aber es ist auch das einzige Instrument, überhaupt Grundeigentümer an den Kosten zu beteiligen für bestimmte Dinge. Also für die Stadt ist in der Regel der Vorteil, dass man Verbesserungen im öffentlichen Raum bekommt, die von Privaten bezahlt werden."
In dem ARTE-Dokumentarfilm schwärmen Politiker vom schöneren Leben in den Städten, Projektmanager präsentieren stolz Modelle von gated communities, die zunehmende Gentrifizierung der Metropolen verschweigen sie hingegen schamhaft. Doch gegen die Privatisierung öffentlichen Raums regt sich Widerstand, wie der Film an vielen Beispielen eindrucksvoll vorführt. Ob in Hamburg, London, Berlin oder Istanbul.
Überall in Europa protestieren Bürger gegen die Umwandlung von Parks und Freiflächen in Shopping-Malls und Luxus-Wohnungen. Geschickt setzt der Film Bilder von glitzernden Fassaden und futuristisch anmutenden Stadtmodellen gegen Treffen von Stadtteil-Initiativen in billig möblierten Hinterzimmern: ein ungleicher Kampf zwischen Kapital und Bürger, so suggeriert die im Hintergrund agierende Regisseurin Claire Laborey, eine langjährige Dokumentarfilmerin mit Arbeiten zu ganz unterschiedlichen Themen.
Stellvertretend für den Bürgerprotest steht Nils Boeing vom Hamburger Netzwerk "Recht auf Stadt":
Überall in Europa protestieren Bürger gegen die Umwandlung von Parks und Freiflächen in Shopping-Malls und Luxus-Wohnungen. Geschickt setzt der Film Bilder von glitzernden Fassaden und futuristisch anmutenden Stadtmodellen gegen Treffen von Stadtteil-Initiativen in billig möblierten Hinterzimmern: ein ungleicher Kampf zwischen Kapital und Bürger, so suggeriert die im Hintergrund agierende Regisseurin Claire Laborey, eine langjährige Dokumentarfilmerin mit Arbeiten zu ganz unterschiedlichen Themen.
Stellvertretend für den Bürgerprotest steht Nils Boeing vom Hamburger Netzwerk "Recht auf Stadt":
"Im Wesentlichen gehört die Stadt nicht den Leuten, die drin wohnen, sondern die Stadt gehört Investoren, Grundeigentümern, Behörden, so. Und der Anspruch oder die Idee auf Stadtbewegung, die es auch nicht nur in Hamburg gibt, ist, dass wir das ändern wollen, dass die Stadt allen gehört."
Das Netzwerk wendet sich zum Beispiel gegen Pläne des schwedischen Möbelriesen IKEA, mitten in der Stadt ein neues Kaufhaus zu errichten, dabei gleich die umliegenden Straßen zu sanieren und so ein ganzes Viertel für Kunden attraktiver zu gestalten.
"Wir haben eine andere, eine solidarische, eine an den hier lebenden Menschen und ihren Bedürfnissen orientierte Vorstellung der Stadt. Und wir müssen jetzt beginnen, diese Vorstellung unserer Stadt in Altona gegen die Folgen der Ansiedlung von Ikea zu verteidigen."
Das Modell für die neue IKEA-Strategie vom Bücherregal Billy zum schlüsselfertigen Wohnviertel entsteht derzeit im Londoner Stadtteil Strand East: Dort errichtet IKEA ein fußgängerfreundliches Ökoquartier mit Wohnungen, Büros, Kindergärten, Ärztezentrum und Hotels.
Anna Minton, Architekturdozentin an der East End University: "Immer größere Teile der Londoner City befinden sich völlig in Privatbesitz, sie werden von Privatfirmen verwaltet und kontrolliert und verfügen über private Sicherheitsdienste und Videoüberwachung rund um die Uhr."
Anna Minton, Architekturdozentin an der East End University: "Immer größere Teile der Londoner City befinden sich völlig in Privatbesitz, sie werden von Privatfirmen verwaltet und kontrolliert und verfügen über private Sicherheitsdienste und Videoüberwachung rund um die Uhr."
Die Folgen: Massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens - von der Kamera eingefangen in nüchternen Aufnahmen von leeren Plätzen, umgeben von Beton- und Glaspalästen. Erstaunlich offen berichten BID-Manager, wie sich die Viertel in aseptische Räume verwandeln. Skateboardfahren, Essen und Trinken, Filmen und Fotografieren sowie jeder politische Protest sind auf privatem Grund eingeschränkt oder verboten.
Doch nicht immer gelingt es, öffentlichen Raum Investoren zu überlassen. "Wir demonstrieren gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes, wir demonstrieren gegen Luxuswohnungen."
In Berlin verhinderte ein breites Bündnis von Bürgerinitiativen und Anwohnern per Volksabstimmung die Randbebauung des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Ein Votum für die freie, bürgernahe Gestaltung einer großen innerstädtischen Fläche.
In manchen Sequenzen wirkt die Dokumentation durch Wiederholungen und langatmige Debatten leicht ermüdend. Gleichwohl ist der Film ein überzeugendes Plädoyer für urbanes Leben und sozialen Zusammenhalt. Er nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise von London bis Istanbul, von Paris bis Athen und bekundet mit stimmungsvollen Bildern seine Sympathie für die schönen Plätze der alten mediterranen Städte oder das fußgängerfreundliche Kopenhagen.
Ob sich die fortschreitende Privatisierung der Städte aufhalten oder gar umkehren lässt, auf diese Frage gibt der Film am Ende keine Antwort.
Die ARTE-Dokumentation "Wem gehört die Stadt" läuft heute Abend, 1. September 2014 um 21.40 Uhr.Wiederholung: Mittwoch, 16.9. um 1:15 Uhr