"Der Morgen der Einigung" titelte die reformorientierte Zeitung E'temad heute (in ihrer Onlineausgabe) und zeigte den iranischen Außenminister Javad Zarif, der auf dem Balkon des Palais Coburg in Wien triumphierend ein Dokument in die Höhe streckt. Mit dieser Geste drückt er wohl das Gefühl der gesamten Regierung von Präsident Hassan Rouhani aus. - Das Atomabkommen ist bislang ihr größter Erfolg. Doch nicht nur die Regierung dürfte zufrieden sein, sagt der Iranist und Islamwissenschaftler von der Landesverteidigungsakademie in Wien.
"Aber vielleicht noch größer als Regierungserfolg ist Erfolg für den Mainstream der politischen Klasse und der absoluten Mehrheit der Bevölkerung, die schon lange auf Entradikalisierung aus ist."
Die Einigung wird die moderaten Kräfte im Iran stärken, die seit Jahren fordern, dass die Islamische Republik ihre Beziehungen zur Weltgemeinschaft normalisieren soll.
Doch auch das konservative iranische Staatsoberhaupt, der Revolutionsführer Ali Khamenei, wird diesen Verhandlungserfolg in seinem Sinne auslegen wollen. Er hat das letzte Wort - als geistlicher Führer muss er dem Abkommen zustimmen.
Wird Khamenei ein Machtwort sprechen?
Khamenei hat in den vergangenen Monaten und Jahren bewusst offengelassen, wie er zu einem endgültigen Atomabkommen steht. Zwar hat er sich hinter das Verhandlungsteam gestellt und betont, das Problem lösen zu wollen. Gleichzeitig hat Khamenei sich auch immer wieder misstrauisch über die USA geäußert, um die konservativen Kritiker zu beruhigen und neue rote Linien festgelegt, zum Beispiel, dass alle Sanktionen sofort aufgehoben werden müssten bei einer Einigung. Das könnte ihm jetzt zum Nachteil gereichen, vermutet der aus dem Iran stammende Autor und Publizist Bahman Nirumand.
"Khamenei hat rote Linien genannt und sind jetzt überschritten worden, und es stellt sich die Frage, wie damit umgehen, Nationale Sicherheitsrat und Parlament müssen abkommen überprüfen und zustimmen, es wird nicht einfach sein, ein Abgeordneter hat gesagt, es wird zu Spaltung der Gesellschaft führen, weil Konservativen und Radikalen ihren Widerstand nicht einfach aufgeben werden."
Es könnte im Iran also durchaus lebendige und kontroverse Debatten über das Abkommen geben.
Nirumand geht allerdings davon aus, dass das Oberhaupt Khamenei in diesem Punkt ein Machtwort sprechen wird. Die skeptischen Konservativen wird er mit dem Argument überzeugen wollen, dass das Abkommen im nationalen Interesse des Iran liege - und eine Ablehnung katastrophale Folgen hätte.
Lebhafte Diskussionen werden erwartet
Auch Walter Posch ist davon überzeugt, dass die Konservativen bei der Abstimmung über das Atomabkommen im nationalen Sicherheitsrat und im Parlament keine größeren Probleme bereiten werden, weil auch sie die Wirtschaftsbeziehungen des Iran zum Westen normalisieren wollen.
"Größeres Problem sind die zwischen Konservativen und Extremen angesiedelten sogenannten "Prinzipalisten", aber auch dort hat man die politische Opposition gegen diesen Deal unter Kontrolle bekommen."
Die Prinzipalisten sind jene rechts-islamischen Politiker, die den damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad zeitweilig unterstützt haben. Unter ihnen sind auch Anhänger der Revolutionsgarden (der sogenannten "Pasdaran"), die die Atomverhandlungen in der Vergangenheit immer wieder kritisierten. .
"Die einzigen, von denen man Widerstand erwarten könnte, wäre der Nachrichtendienst der Revolutionsgarden, nur sind die so abhängig vom Büro des Revolutionsführers, dass ich mir das nicht vorstellen kann, dass es da knirscht, ist zu erwarten, ist aber auch nichts neues."
Das Atomabkommen zeigt in neuer Deutlichkeit, dass sich hinter der antiamerikanischen Fassade der Islamischen Republik in den vergangenen Jahren einiges getan hat. Bereits 2009 hat der Revolutionsführer Ali Khamenei angedeutet, dass die Beziehungen zu den USA vom nationalen Interesse des Iran geleitet würden, nicht mehr von der Ideologie.
"Was man hoffen darf, ist, dass Khamenei die zum Teil absurde Feindschaft zu USA in den Hintergrund rückt und offen sagt, dass man sehr wohl in wichtigen Punkten, wenn nationalen Interessen gewahrt, mit USA zusammenarbeiten kann."