Georg Ehring: Atomkraft mit beschränkter Haftung. Die Betreiber von Kernkraftwerken haften zwar für den Abriss ihrer Meiler, aber das Risiko der Kosten der Endlagerung geht auf den Bund über. Die Atomkommission des Bundes empfahl gestern der Regierung einstimmig, die Konzerne dafür mit 23,3 Milliarden Euro zur Kasse zu bitten.
Darüber, ob das reicht und welche Risiken es gibt, möchte ich jetzt Beate Kallenbach sprechen. Sie ist beim Öko-Institut in Darmstadt für das Thema zuständig. Guten Tag, Frau Kallenbach!
Beate Kallenbach: Ja! Guten Tag, Herr Ehring.
Ehring: Frau Kallenbach, was muss davon alles bezahlt werden?
Kallenbach: Man hat das ja aufgeteilt, die Entsorgungsaufgaben, die anstehen. Zum einen den Rückbau und auch die Verpackung der Abfälle. Das bleibt bei den Betreibern. Und der Staat hat die Aufgabe übernommen, die Finanzierung der Zwischenlagerung zu übernehmen von diesen 23,3 Milliarden und die Endlagerung sowohl für die hoch radioaktiven Abfälle, insbesondere auch die abgebrannten Brennelemente, und die sogenannten schwach und mittel radioaktiven Abfälle, die aus dem Betrieb und auch aus dem Rückbau entstehen.
Endlager für hoch radioaktive Abfälle: sicher für eine Million Jahre
Ehring: 23,3 Milliarden Euro sind vorgesehen. Ist denn für eine Endlagerung über mindestens Zehntausende von Jahren, wenn nicht noch sehr viel länger, überhaupt eine seriöse Kostenschätzung möglich?
Kallenbach: Das ist natürlich das Problem an der Sache. Nicht nur die Frage, wie lange muss denn ein Endlager sicher sein - das ist bei den hoch radioaktiven Abfällen sogar eine Million Jahre -, sondern auch die Dauer dieser Projekte als solche. Wir starten jetzt gerade in Deutschland einen Prozess neu in einer anderen Kommission, die das Verfahren für die Suche nach einem Endlagerstandort festlegt.
Das heißt, bis dieses Endlager tatsächlich mal errichtet ist und betrieben wird, da können noch mal einige Jahrzehnte ins Land gehen. Wir reden da bestimmt über das Jahr 2050. Und das macht natürlich auch schon einen großen Teil der Unsicherheit aus, dass heute nur grobe Schätzungen darüber möglich sind, was dann tatsächlich bis dahin für Kosten angefallen sind und auch noch anfallen werden dann für den Betrieb und Verschluss eines solchen Endlagers.
Ehring: Sind denn aus Ihrer Sicht Risiken absehbar, die diese Kostenschätzung sprengen würden?
Kallenbach: Nun ja, was das konkrete Projekt betrifft, muss man sich das genau anschauen. Letztendlich haben wir aber natürlich die Situation, wenn wir uns andere Großprojekte anschauen in Deutschland aus den letzten Jahren, zeigt sich ja eigentlich eher die Tendenz, die Kosten werden deutlich überschritten, als dass wir eine Tendenz sehen würden, wo man sagt, alles prima geplant und das passt genau. Deshalb: Das Risiko ist mit Sicherheit da.
Das kann heute mit Sicherheit keiner seriös beziffern, ob es denn nun bei diesen geschätzten zwölf Milliarden für die Endlagerung bleiben wird, oder ob das deutlich mehr wird. Letztendlich ist ja auch die Frage, wie würde sich die Haftung dann tatsächlich realisieren lassen in dem Fall, wie es bisher geregelt ist oder nach diesen neuen Regelungen. Das ist ja neben der Frage, wie hoch können die Kosten eventuell noch werden, eigentlich die Entscheidende, wenn es darum geht, wer zahlt denn letztendlich.
Ehring: Wenn der Atommüll unrückholbar im Salzstock oder im Granit liegt, wo auch immer, dann kommt der Deckel drauf und eigentlich ist er dann hoffentlich sicher verschlossen. Kostet das dann überhaupt noch etwas?
Kallenbach: Wenn ein Endlager tatsächlich mal fertig befüllt ist und verschlossen ist, dann soll es eigentlich nichts mehr kosten, außer man stellt eben fest, wir haben Fehler gemacht. Das heißt, man hat vielleicht noch geringe Kosten für eine Überwachung dieses Endlagers über einen gewissen Zeitraum, vielleicht von einigen Jahrzehnten.
Aber das ist ja das Ziel der Endlagerung, dass man sagt, wenn wir den Müll dort verstaut haben, dann soll er kommenden Generationen keine finanziellen oder sonstigen technischen Lasten irgendwie mehr abverlangen.
"Wer kann mir denn sagen, dass es RWE, E.ON in 50, 60 Jahren noch gibt"
Ehring: Zum Schluss gefragt. Ist es insgesamt aus Ihrer Sicht ein gutes Geschäft für die Atomkraftbetreiber? Die fühlen sich ja in einer ersten Stellungnahme überfordert.
Kallenbach: Ich denke, es gibt einfach für alle Seiten mehr Sicherheit. Insofern ist das mit Sicherheit besser als die Regelung, wie wir sie bisher hatten, die letztendlich schon darauf hinauslief, die Betreiber hätten auch noch in ferner Zukunft eine Nachhaftungspflicht gehabt. Nur ob sie dieser tatsächlich nachkommen könnten, weil wer kann mir denn sagen, dass es RWE, E.ON und so weiter in 50, 60 Jahren noch in dieser Form gibt und sie tatsächlich diese Lasten hätten zahlen können. Insofern ist es für alle Seiten etwas mehr Sicherheit und ich glaube, das wird auch von den Betreibern mit der Zeit dann so gesehen werden, auch wenn sie jetzt ein bisschen jammern.
Ehring: Beate Kallenbach vom Öko-Institut in Darmstadt war das über die Folgekosten der Atomkraft und ihre Verteilung. Herzlichen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.