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Atomverhandlungen mit dem Iran
"Massive einseitige Zugeständnisse"

Fortschritte in den Atom-Verhandlungen im Iran habe es bislang nur durch Zugeständnisse der UNO-Vetomächte gegeben, sagte der frühere Botschafter Israels in Deutschland, Shimon Stein, im DLF. Für ein Abkommen habe sich Iran zu wenig bewegt und zu wenig Misstrauen abgebaut.

Shimon Stein im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Wenn ein Abkommen mit Iran zu stande kommen würde, dann werde es zwar in der Region eine Beruhigung geben, so Stein. Doch "die nukleare Geschichte ist nur eine Dimension, die die Region in Unruhe versetzt", deswegen könne er die Begeisterung in Deutschland und in Europa über ein mögliches Abkommen nicht nachvollziehen. Zudem drang Stein auf strenge Inspektionen im Iran. Das Land sei heute bereits in der Lage, innerhalb weniger Monate nukleare Waffen herzustellen.
    In Lausanne in der Schweiz beraten die fünf Vetomächte im UNO-Sicherheitsrat und Deutschland mit dem Iran über ein Rahmenabkommen. Eine von ihnen selbst gesetzte Frist läuft heute ab. Als strittig gelten vor allem Vereinbarungen über die Laufzeit des Vertrages sowie über eine Aufhebung der Sanktionen und deren Wiedereinsetzung, falls sich der Iran nicht an die Abmachung hält.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Frank-Walter Steinmeier hat es angekündigt: ein Endspiel bei den Verhandlungen um ein Abkommen über das iranische Atomprogramm. Bis heute um Mitternacht hatte man sich eine Frist gesetzt, um ein Rahmenabkommen zu erzielen. Doch noch steht in den Sternen, ob es wirklich zu einem Durchbruch kommt. Sicher ist allerdings eins: Israels Ministerpräsident Netanjahu, der ist strikt gegen ein Abkommen mit dem Iran. Und darüber möchte ich jetzt sprechen mit Shimon Stein, dem ehemaligen israelischen Botschafter in Deutschland. Schönen guten Morgen, Herr Stein.
    Shimon Stein: Guten Morgen!
    Heckmann: Was spricht dagegen zu verhindern, dass Teheran die Bombe baut?
    Stein: Was dagegen spricht?
    Heckmann: Genau.
    Stein: Ich verstehe nicht die Frage. Dagegen spricht sehr vieles. Ich meine, das ist die Absicht der fünf Mächte, Deutschlands und der ganzen Welt, dass Iran nicht in die Lage kommt, die Fähigkeit zu haben, atomare Waffen zu entwickeln. Insofern: Sehr viel spricht dagegen und die Bemühungen laufen schon eine ganze Weile und bis heute ergebnislos. Übrigens ich teile die Auffassung des von mir sehr geschätzten Außenministers Steinmeier, das ist die Endphase. Ich meine, die Endphase gibt es gar nicht, wie wir bis heute gesehen haben. Die Diplomatie hat schon zweimal in dieser Sache die Zeit auch verlängert, und bedauerlicherweise ohne Diplomatie kommt man eigentlich nach meinem Verständnis nicht voran. Insofern, glaube ich, sehe ich das nicht so, dass wenn es heute nicht gelingt, dann ist das das Ende der Versuche, am Ende am Ziel anzukommen. Es kommt darauf an, was genau am Ziel uns erwartet. Das ist schon bereits eine andere Frage.
    Heckmann: Jetzt ist es aber so, dass Israels Ministerpräsident Netanjahu sehr stark warnte, überhaupt mit dem Iran zu verhandeln oder ein solches Abkommen mit dem Iran abzuschließen. Teilen Sie seine Skepsis?
    Stein: Ministerpräsident Netanjahu hat, glaube ich, eine ganz präzise Auffassung, was ist die iranische Bedrohung, was für eine Bedrohung stellt Iran mit nuklearen Waffen für Israel dar. Er hat diese Bedrohung als existenziell für Israel dargestellt. Ob das in der Tat existenziell ist, oder signifikant, wie ich meine, lassen wir bei Seite. Aber ich meine, Ministerpräsident Netanjahu, wenn man ihm auch zugehört hätte, als er in Washington Anfang des Monats war, hatte auch gesagt, dass Israel bereit wäre, mit einem Ergebnis zu leben, und er hat auch ganz klargestellt, was in einem solchen Paket stehen soll. Und ob wir so weit sind, dass dieses Paket uns alle versichert, dass alle Wege für Iran gesperrt sein werden, daran habe ich meinen Zweifel.
    "Ein Teil dieses Abkommens soll sein ein robustes Inspektionsregime sein"
    Heckmann: Aber es soll ja alles international überprüft werden, ein solches Abkommen. Es soll dann die Gelegenheit geben, auch Inspektoren wieder ins Land zu entsenden, die sich anschauen, wie sich das Atomprogramm Irans weiter entwickelt. Ist das eine naive Vorstellung?
    Stein: Ich meine, wir müssen uns vergegenwärtigen, wie ist Iran dazu gekommen, heute bereits in der Lage zu sein, eigentlich in wenigen Monaten nukleare Waffen herzustellen. Deshalb glaube ich, Misstrauen ist tief verankert, und um das abzubauen, muss Iran uns allen beweisen, dass in der Tat die Absichten sind, wie im iranischen Narratives es heute so dargestellt sind, der Iran muss das Recht wie alle anderen Mitglieder des Atomsperrvertrages haben, zivile nukleare Energie zu entwickeln. Leider haben wir Beweise, dass das eigentlich nicht genau das ist, was im Iran momentan passiert, und deshalb ja: Ein Teil dieses Abkommens soll sein ein robustes Inspektionsregime. Ob das in der Tat so sein wird, ist eine Frage, aber das ist ja nicht so ein robustes Regime, das gefragt wird. Es sind doch eine ganze Reihe von anderen kritischen Elementen und ich weiß nicht, inwiefern, was wird die Zahl der Zentrifugen am Ende sein, wie viel Material wird Iran erlaubt sein, auch weiter im Iran zu besitzen, wird Iran uns erzählen über die Geschichte der Versuche, nukleare Waffen herzustellen. Ob die Atomanlage in Fordo für Plutonium und in Natans für angereichertes Uranium gesperrt werden oder umgebetet werden. Es sind eine ganze Reihe von Fragen, die für mich offen sind und ganz kritisch für ein Abkommen, das uns versichert, soweit man eine Versicherung bekommen kann, dass Iran wirklich auf dem Weg nicht ist, um auch die militärische Option zu besitzen. Das sind Fragen, die, glaube ich, gestellt werden müssen, und ich bin mal gespannt, wie ein Abkommen aussehen wird.
    Heckmann: Das sind wir alle und das sind alles Fragen, die sicherlich in Lausanne mit verhandelt werden, Herr Stein. Aber ich verstehe Sie richtig, dass Sie dem Iran schon ein ziviles Atomprogramm zugestehen würden?
    Stein: Darum geht es ja eigentlich nicht. Es geht darum: Unter dem Mantel des Zivilen hat Iran in den letzten Jahrzehnten auch Elemente hergestellt, die die Frage stellen, ob das richtig für zivile Zwecke ist, oder für militärische Zwecke. Und auf diese Fragen, die Transparenz, die wir alle hören wollen, haben wir bis heute keine Antwort bekommen. Insofern: Es geht hier nicht, wie die Iraner es versuchen, uns zu erzählen, um das Recht auf zivile Nutzung der Nuklearenergie. Es geht um Indizien, dass Iran woanders hingeht, und das muss klar geklärt werden.
    "Nukleare Geschichte ist nur eine Dimension, die die Region in Unruhe versetzt"
    Heckmann: Sie sind also durchaus weiterhin auch skeptisch, vor allem vor dem Hintergrund der Erfahrungen der jüngsten Zeit und auch der vergangenen Jahre. Es gibt ja zwei Ziele, die die Vetomächte und Deutschland verfolgen, nämlich einerseits Teheran davon abzuhalten, die Atombombe zu bauen, aber man will auch ein Signal geben an Teheran nach dem Motto, ihr profitiert auch, wenn ihr euch öffnet, wenn ihr auf uns zukommt. Könnte ein solches Abkommen helfen auch bei der Lösung von internationalen Problemen, gerade in der Region?
    Stein: Kommt darauf an. Wissen Sie, die Region positioniert sich schon bereits auf den Tag danach. Sie hören Stimmen von Saudi-Arabien, Sie hören Stimmen und auch Aktivitäten in Ägypten und allen anderen Golfstaaten, die ja das alle in Zweifel stellen und sich positionieren für den Tag danach, wo Iran eigentlich in der Lage sein könnte, nukleare Waffen herzustellen. Insofern: Wenn ein Abkommen kommt mit allen Garantien, die wir uns vorstellen könnten, die ich kurz angedeutet habe, dann wird die Region etwas ruhiger sein. Aber wissen Sie, die nukleare Geschichte ist nur eine Dimension, die die Region auch in Unruhe versetzt. Man verfolgt auch eine andere Politik von Iran und die gibt uns keinen Anlass zur Ruhe. Deshalb verstehe ich nicht die Begeisterung, die hier in Deutschland und anderswo in Europa von manchen ehemaligen Diplomaten und sonst kommt, die sich schon bereits auf den Tag danach positionieren, die von dem Stabilitätsfaktor des Irans in der Region sprechen. Man blickt auf Jemen, man blickt auf den Libanon, man blickt auf Syrien, man blickt auf den Irak und dann stellt man sich die Frage, wird sich alles ändern auch am Tag danach, oder wird es beim Alten bleiben. Mit Hinblick auf Iran begleiten die Region und darüber hinaus sehr schwerwiegende Fragen über das iranische Verhalten nicht nur im nuklearen Bereich, sondern auch in anderen Bereichen.
    "Ich bin sehr, sehr beunruhigt über die Presseberichte im Laufe der letzten Monate"
    Heckmann: Vor dem Hintergrund der Erfahrung mit dem Iran, würden Sie dann sagen, die UNO-Vetomächte und auch Deutschland, auch der Außenminister Frank-Walter Steinmeier, die sind zu leichtgläubig?
    Stein: Wissen Sie, zunächst warten wir eigentlich ab. Ich bin sehr, sehr beunruhigt über die Presseberichte im Laufe der letzten Monate. Außenminister Steinmeier hat gesagt, im letzten Jahr ist sehr viel Fortschritt gemacht worden, verglichen mit den letzten zehn Jahren. Dann frage ich mich, warum sind diese Fortschritte gemacht worden, und ich muss feststellen als jemand, der die Sache schon seit Jahrzehnten verfolgt, alle Fortschritte sind zum großen Teil gemacht worden, weil die Mächte plus Deutschland Zugeständnisse an den Iran gemacht haben, und zwar in sehr, sehr wichtigen Bereichen, wobei sich Iran nicht so sehr bewegt hat, wie man sich eigentlich erhofft hatte. Zur Diplomatie gehört Kompromiss, aber nicht so massive einseitige Zugeständnisse, die bis heute gemacht worden sind, und deshalb auch diese Fortschritte. Es ist ja nicht umsonst, dass der amerikanische Außenminister gestern in Lausanne gesagt hat, die Zeit für Iran schwieriger Entscheidungen ist gekommen. Da bin ich mal gespannt zu sehen, ob in der Tat Iran eigentlich diese Zugeständnisse und Kompromisse, die auch Iran machen muss, tun wird, oder sind wir in diesem Musterverhalten, wo auf iranische Unwilligkeit, sich zu bewegen, weitere Zugeständnisse vonseiten der Mächte und Deutschlands kommen.
    Heckmann: Wir werden sehen, wie die Sache ausgeht. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk war das Shimon Stein, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland. Herr Stein, danke Ihnen für das Gespräch.
    Stein: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.