"In Brasilien leben nach unseren Schätzungen derzeit 1,5 Millionen Muslime",
sagt der islamische Führer des Tropenlandes, Scheich Ali Abdune, in Sao Paulo:
"Genaue Statistiken besitzen wir indessen nicht. Bis zu den Anschlägen vom 11. September 2001 war die Zahl der Muslime hier stabil. Danach wuchs sie interessanterweise an, denn die vielen positiven oder negativen Medienberichte über uns wecken bei den Brasilianern Neugier. Sie kamen in unsere mehr als 90 Moscheen, wollten sich genauer informieren und viele davon sind konvertiert. Andere sympathisieren jetzt mit uns."
Scheich Abdune weist auf die wachsende Kriminalität, den stark steigenden Drogenkonsum, die gravierende soziale Verwahrlosung besonders an den Slumperipherien der Millionenstädte. All dies sei Hauptmotiv für einen Übertritt zum Islam.
"Die Leute suchen in unserer Religion vor allem die Werte, suchen einen Halt und feste, klar definierte Lebensregeln. Rauschgift, Alkohol sind im Islam verboten. Der Schutz des Lebens und der Ehre hat Priorität. Deshalb ist eine Muslimin ja verschleiert, um keine Aufmerksamkeit zu erregen und möglicherweise von einem Drogensüchtigen vergewaltigt zu werden. Gerade junge Menschen brauchen feste Regeln, damit sie ihre Gemeinschaft nicht schädigen. Wir haben diese Regeln und deshalb kommen so viele Menschen zu uns, betrachten den Islam, der zur Solidarität verpflichtet, in diesem gewaltgeprägten Umfeld als Refugium."
Kopfzerbrechen macht Scheich Abdune indessen, dass viele Brasilianer, die sich dem Islam anschließen, nach einer Weile wieder zu einer anderen Religion wechseln.
"Brasilien ist wirklich in jeder Beziehung anders. Die Brasilianer sind nicht in ihren Religionen verwurzelt, wie wir das aus dem Orient oder aus Europa kennen. Und wechseln häufig den Glauben. Heute ist jemand Katholik, dann Evangelikaler, dann Muslim, dann Jude und dann wiederum Anhänger einer afro-brasilianischen Religion. Und ich merke immer wieder, die meisten Brasilianer haben keine Grundkenntnisse der eigenen Religion. Und weil dieses Fundament fehlt, nehmen sie sich von diesem Glauben etwas oder von einem anderen, fließen hin und her. Deshalb ist es auch so schwierig, die genaue Zahl der Muslime festzustellen."
In Lateinamerikas größter Stadt Sao Paulo lebt die größte islamische, aber auch die größte jüdische Gemeinde Brasiliens. Islamführer Scheich Abdune nennt das Zusammenleben problemlos, wenngleich es auf beiden Seiten Extremisten, Fanatiker gebe, die die Nahostproblematik nach Brasilien importieren wollten. Vorwürfe der USA, wonach brasilianische Muslime terroristische Organisationen wie Hamas oder Hisbollah unterstützen, Gelder aus dem Drogen- und Waffenhandel in Brasilien gewaschen und in den Nahen Osten transferiert würden, weist Scheich Abdune scharf zurück. Aber an die Opfer israelische Bombardements würden natürlich Hilfsgelder überwiesen. Das sei normal.
"Ich würde Menschen in Syrien oder im Libanon auch mit Geld helfen. Wir wissen, dass schließlich auch die Juden Brasiliens und Argentiniens Millionen nach Israel überweisen."
Der deutsche Religionswissenschaftler Professor Dr. Frank Usarski lehrt an der katholischen Universität von Sao Paulo und ist Experte für orientalische Religionen. Er weist auf die Volkszählung vom Jahre 2000, die lediglich rund 27.000 Moslems in Brasilien verzeichnet.
"Es gibt ja keine Religion, die eine solche Diskrepanz aufweist zwischen der Selbsteinschätzung in Zahlen, die die eigenen islamischen Gemeinden verbreiten, und den statistisch mehr oder weniger gesicherten Zahlen. Die Zahl der Konvertiten ist relativ gering. Es gibt zwar auch Vorurteile gegen den Islam, aber insgesamt ist ja die brasilianische Gesellschaft sehr tolerant in religiösen Fragen. Es gibt eigentlich keinen Grund, die islamische Identität zu verleugnen."
Genaue Untersuchungen über die Zahl der brasilianischen Muslime fehlten indessen. Zu den wichtigsten Motiven für einen Übertritt zum Islam zählt Usarski in Brasilien die Suche nach einem Lebensziel mit festen Alltagsregeln sowie eine Gegnerschaft zum Westen.
"Der Islam ist ja ein Projekt im Sinne der Selbstdisziplinierung, im Sinne der Überwindung gewisser Schwächen, der Kampf gegen die eigene Schwäche. Islam ist ja in dem Sinne sehr viel stärker auf die aktive Mitarbeit des Individuums ausgerichtet. Also, es geht nicht darum, richtig zu glauben, sondern auch richtig zu handeln. Und wer sozusagen mit dem Westen abrechnen oder sich von ihm distanzieren will, der findet im Islam ein gutes Identitätspotenzial."
sagt der islamische Führer des Tropenlandes, Scheich Ali Abdune, in Sao Paulo:
"Genaue Statistiken besitzen wir indessen nicht. Bis zu den Anschlägen vom 11. September 2001 war die Zahl der Muslime hier stabil. Danach wuchs sie interessanterweise an, denn die vielen positiven oder negativen Medienberichte über uns wecken bei den Brasilianern Neugier. Sie kamen in unsere mehr als 90 Moscheen, wollten sich genauer informieren und viele davon sind konvertiert. Andere sympathisieren jetzt mit uns."
Scheich Abdune weist auf die wachsende Kriminalität, den stark steigenden Drogenkonsum, die gravierende soziale Verwahrlosung besonders an den Slumperipherien der Millionenstädte. All dies sei Hauptmotiv für einen Übertritt zum Islam.
"Die Leute suchen in unserer Religion vor allem die Werte, suchen einen Halt und feste, klar definierte Lebensregeln. Rauschgift, Alkohol sind im Islam verboten. Der Schutz des Lebens und der Ehre hat Priorität. Deshalb ist eine Muslimin ja verschleiert, um keine Aufmerksamkeit zu erregen und möglicherweise von einem Drogensüchtigen vergewaltigt zu werden. Gerade junge Menschen brauchen feste Regeln, damit sie ihre Gemeinschaft nicht schädigen. Wir haben diese Regeln und deshalb kommen so viele Menschen zu uns, betrachten den Islam, der zur Solidarität verpflichtet, in diesem gewaltgeprägten Umfeld als Refugium."
Kopfzerbrechen macht Scheich Abdune indessen, dass viele Brasilianer, die sich dem Islam anschließen, nach einer Weile wieder zu einer anderen Religion wechseln.
"Brasilien ist wirklich in jeder Beziehung anders. Die Brasilianer sind nicht in ihren Religionen verwurzelt, wie wir das aus dem Orient oder aus Europa kennen. Und wechseln häufig den Glauben. Heute ist jemand Katholik, dann Evangelikaler, dann Muslim, dann Jude und dann wiederum Anhänger einer afro-brasilianischen Religion. Und ich merke immer wieder, die meisten Brasilianer haben keine Grundkenntnisse der eigenen Religion. Und weil dieses Fundament fehlt, nehmen sie sich von diesem Glauben etwas oder von einem anderen, fließen hin und her. Deshalb ist es auch so schwierig, die genaue Zahl der Muslime festzustellen."
In Lateinamerikas größter Stadt Sao Paulo lebt die größte islamische, aber auch die größte jüdische Gemeinde Brasiliens. Islamführer Scheich Abdune nennt das Zusammenleben problemlos, wenngleich es auf beiden Seiten Extremisten, Fanatiker gebe, die die Nahostproblematik nach Brasilien importieren wollten. Vorwürfe der USA, wonach brasilianische Muslime terroristische Organisationen wie Hamas oder Hisbollah unterstützen, Gelder aus dem Drogen- und Waffenhandel in Brasilien gewaschen und in den Nahen Osten transferiert würden, weist Scheich Abdune scharf zurück. Aber an die Opfer israelische Bombardements würden natürlich Hilfsgelder überwiesen. Das sei normal.
"Ich würde Menschen in Syrien oder im Libanon auch mit Geld helfen. Wir wissen, dass schließlich auch die Juden Brasiliens und Argentiniens Millionen nach Israel überweisen."
Der deutsche Religionswissenschaftler Professor Dr. Frank Usarski lehrt an der katholischen Universität von Sao Paulo und ist Experte für orientalische Religionen. Er weist auf die Volkszählung vom Jahre 2000, die lediglich rund 27.000 Moslems in Brasilien verzeichnet.
"Es gibt ja keine Religion, die eine solche Diskrepanz aufweist zwischen der Selbsteinschätzung in Zahlen, die die eigenen islamischen Gemeinden verbreiten, und den statistisch mehr oder weniger gesicherten Zahlen. Die Zahl der Konvertiten ist relativ gering. Es gibt zwar auch Vorurteile gegen den Islam, aber insgesamt ist ja die brasilianische Gesellschaft sehr tolerant in religiösen Fragen. Es gibt eigentlich keinen Grund, die islamische Identität zu verleugnen."
Genaue Untersuchungen über die Zahl der brasilianischen Muslime fehlten indessen. Zu den wichtigsten Motiven für einen Übertritt zum Islam zählt Usarski in Brasilien die Suche nach einem Lebensziel mit festen Alltagsregeln sowie eine Gegnerschaft zum Westen.
"Der Islam ist ja ein Projekt im Sinne der Selbstdisziplinierung, im Sinne der Überwindung gewisser Schwächen, der Kampf gegen die eigene Schwäche. Islam ist ja in dem Sinne sehr viel stärker auf die aktive Mitarbeit des Individuums ausgerichtet. Also, es geht nicht darum, richtig zu glauben, sondern auch richtig zu handeln. Und wer sozusagen mit dem Westen abrechnen oder sich von ihm distanzieren will, der findet im Islam ein gutes Identitätspotenzial."