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Aus Akten werden Datensätze
Die digitale Revolution erreicht den Gerichtssaal

Verfahrensakten sollen bis zum Jahr 2026 nur noch elektronisch geführt werden. Also müssen auch Richter während der Verhandlung ihre Informationen am Bildschirm abrufen können. Allein in Schleswig-Holstein werden derzeit 240 Räume in 40 verschiedenen Gerichtsgebäuden mit Hardware ausgestattet.

Von Johannes Kulms |
    Geelke Otten (links) unterstützt die schleswig-holsteinische Justiz im Rahmen des Projekts "eJustizSH" bei der Digitalisierung.
    Geelke Otten (links) unterstützt die schleswig-holsteinische Justiz im Rahmen des Projekts "eJustizSH" bei der Digitalisierung. (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    Geelke Otten ist eigentlich Richterin am Amtsgericht Pinneberg. Derzeit aber ist abgeordnet. Im Rahmen des Projekts "eJustizSH" hilft sie bei Digitalisierung der schleswig-holsteinischen Justiz. Seit kurzem führt sie dafür immer wieder Richter und Rechtspfleger durch einen kleinen Gerichtssaal in Itzehoe.
    An diesem Vormittag sind Andreas Martins und Theis Bremer zu Gast. Martins ist 59 Jahre alt und Direktor des Amtsgerichts in Neumünster. Bremer ist 30 und arbeitet erst seit zwei Monaten an dem Gericht. Beide sind nun also in Itzehoe und schauen neugierig auf die Richterbank.
    In einem normalen Gerichtssaal lägen dort nun womöglich dicke Papierstapel. Hier aber fehlen die Akten. Zumindest die aus Papier.
    Stattdessen flirren auf der Tischreihe vier Flachbildschirme. Um sie genauer zu erkennen, nimmt Andreas Martins seine Brille ab und berührt einen der Bildschirme. Nun greift Geelke Otten ein.
    - "Der da hat keine Touch-Funktion, das hat nur der. Der kann nicht getoucht werden, der soll ja nur anzeigen…"- "Ach so."
    Die Decke ist holzvertäfelt, die Tische wirken etwas old school und die Uhr neben der Eingangstür ist auf vier Minuten nach zwei stehen geblieben.
    Allein vier Flachbildschirme auf der Richterbank
    Doch der Raum soll Prototyp sein für eine neue Zeit – die Zeit des digitalisierten Gerichtssaals. Die Akten kommen dann nicht mehr auf Papier daher, sondern elektronisch. Und dafür braucht es jede Menge Monitore. Die vier Flachbildschirme auf der Richterbank sind schrägt gekippt in den Tisch eingelassen. Der Blick auf die Monitore ist für die Richter wichtig. Viel wichtiger aber ist der Blick auf die anderen Prozessbeteiligten, macht Geelke Otten deutlich.
    "Man wird im Saal keine Büroarbeit machen, man macht seine Verhandlung. Und muss vor allem gut sehen können."
    Ab dem 1. Januar 2026 müssen bundesweit alle neuen Akten elektronisch angelegt werden. Für die Justiz bedeutet dies eine enorme Herausforderung, da bis heute der Großteil der Akten in Papierform geführt wird.
    Damit Richter und Anwälte während der Verhandlungen die elektronischen Akten einsehen und bearbeiten können, müssen die Gerichtssäle mit Bildschirmen ausgestattet werden. Allein in Schleswig-Holstein sind das 240 Räume in 40 verschiedenen Gebäuden. Andreas Martins, der Amtsgerichtsdirektor aus Neumünster fühlt sich beim Blick von der Richterbank ein wenig, als stünde er im Kontrollraum von "Raumschiff Enterprise" mit vollem Überblick.
    "Also, der Captain ist man schon."
    Ein großer Flachbildschirm an der Wand kann die Akte anzeigen. Dort können alle Prozessbeteiligten auch wichtige Dokumente für das Verfahren betrachten, zum Beispiel die Skizze zum Hergang bei einem Autounfall. Abgefilmt wird diese Skizze durch eine spezielle Dokumentenkamera, die ebenfalls am Richtertisch steht.
    Auch Hendrik Jensen gibt immer wieder Besuchern Einblick in diese Neuerungen. Er kümmert sich im Justizministerium in Kiel um die Einführung von elektronischem Rechtsverkehr und der elektronischen Akte und hat dabei auch die Entwicklung des neuen Gerichtssaals vorangetrieben.
    Volltextsuche hilft dabei, Informationen schnell zu finden
    Die Digitalisierung mache vieles einfacher, sagt Jensen. Zum Beispiel ließe sich dank der Volltextsuche eine elektronische Akte schneller durchscannen als bei der Papierform. Aber auch im neuen Gerichtsaal von Itzehoe bleibe ein komplizierter Fall kompliziert.
    "Ein Kollege hat das mal treffend zusammengefasst: Die schwere Akte wird nicht leichter dadurch, dass wir sie digitalisieren. Die bleibt nach wie vor schwer."
    Die kleine Raumbegehung in Itzehoe ist inzwischen vorbei. Frage an die beiden Besucher aus Neumünster: Was halten sie von dem Raum?
    "Es ist tatsächlich so, dass das, was da drin ist, nicht die allerneuste Generation der Technik ist",
    sagt Theis Bremer. Mit seinen 30 Jahren gehört er zur Generation der sogenannten "digital natives", die mit Computer und Smartphone ganz selbstverständlich aufgewachsen sind.
    "Trotzdem ist es im Vergleich zu dem, wie wir die Gerichtssäle heute kennen schon ein großer Fortschritt."
    Auch Andreas Martins, der Direktor des Amtsgerichts in Neumünster, steht dem ganzen aufgeschlossen gegenüber. Er habe in seinen knapp 30 Dienstjahren als Richter Kollegen erlebt, die schon die Einführung von Diktiergeräten als "Teufelszeug" gesehen hätten.
    Sicher ist: Die Digitalisierung wird auch für die Richter eine Zäsur. Wie genau die Folgen am Ende aussehen, lässt sich heute noch nicht sagen.