Auf bis zu eine Milliarde Euro wird der nächste DFB-Ausrüstervertrag geschätzt, bei einer Laufzeit von zehn Jahren. Und genau wegen dieser Zeitspanne sträuben sich bei den Kartellwächtern die Nackenhaare. Medienrechte dürfen in Europa nach Vorgabe der Wettbewerbshüter nicht länger als für drei, in Ausnahmefällen für vier Jahre vergeben werden. Denn andere Anbieter sollen nicht dauerhaft vom Markt ausgeschlossen werden. Und deswegen muss auch ein Ausrüstervertrag alle vier Jahre wieder für alle Marktteilnehmer ausgeschrieben werden.
Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein, interpretiert man die Aussagen des früheren DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach im vergangenen Jahr richtig. Er legte damals eine klare Rangfolge fest, als er in einem Interview sagte: "Zuerst reden wir mit unserem alten Partner Adidas, aber auch Nike hat eine faire Chance."
Unterlegene Unternehmen können Schadenersatz fordern
Bei einem Verstoß gegen Kartellrecht drohen dem DFB und seinem Vertragspartner schwerwiegende Sanktionen, betont der Münchner Kartellrechtler Mark E. Orth:
"Die Konsequenzen sind vielfältig für die Beteiligten. Sowohl auf den DFB als auch auf das Unternehmen, das den Exklusiv-Vertrag bekommen hat, können Geldbußen zukommen. Der Vertrag kann unwirksam sein, und die unterlegenen Unternehmen können Schadensersatz fordern."
Nach Aussage von Orth gibt es mehrere Präzedenzfälle. So sanktionierte beispielsweise die französische Kartellbehörde 2009 bereits einen Verstoß im Fußball:
"In dem französischen Fall ging es darum, dass der französische Fußball-Verband seit 1985 bis weit über 2002 seine sämtlichen Vermarktungsrechte an Sportfive vergeben hatte, ohne das in einem objektiven, transparenten Verfahren getan zu haben. Und da gab es dann Geldbußen für Sportfive in Höhe von sechs Millionen Euro und den Verband, der sich dann in der Folge positiver verhalten hatte, immerhin auch noch von 900 000 Euro."
Unstimmigkeiten bereits 2007
Die Ahndung von Kartellrechtsverstößen im Sport nimmt immer mehr zu. Doch der deutsche Verband unterschätzt offenbar das Kartellrecht noch. Nach der umstrittenen Vergabe 2007 an Adidas war für den neuen DFB-Vertrag mit einer Ausschreibung gerechnet worden. Damals war erst spät bekannt geworden, dass Nike eine halbe Milliarde Euro für acht Jahre geboten hatte, deutlich mehr als das deutsche Unternehmen. Ein Schiedsgericht hatte dann jedoch für Adidas entschieden, weil es als erwiesen ansah, dass der DFB dem "ewigen" Partner mündlich eine Verlängerung zugesagt hatte. Der Vergleich sah vor, die jährlichen Zuwendungen von elf auf 20 Millionen Euro zu erhöhen, ab 2011 wurden 25 Millionen Euro gezahlt. Der frühere Bayer-Geschäftsführer und DFL-Spitzenfunktionär Wolfgang Holzhäuser erinnert sich:
"Richtig ist allerdings in der Tat, dass das Verfahren intransparent war, insbesondere für die Liga. Die Liga hat relativ spät davon erfahren, dass neben adidas auch Nike damals mitgeboten hat. Aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Denn wie das Schiedsgerichtsverfahren damals gezeigt hat, gab es bereits vorher eine mündliche Vereinbarung zwischen dem DFB und adidas, dass der Vertrag fortgesetzt wird. Das hat sicherlich dem Fußball Geld gekostet."
Profivereine leiden unter Poker von Nike und Adidas
Verlierer war dabei vor allem die Bundesliga, die laut damaligen Grundlagenvertrag mit 18 Prozent an den DFB-Einnahmen beteiligt war. Ihr sind geschätzte fünf Millionen Euro jährlich entgangen. Auch aktuell leiden viele deutsche Profivereine unter dem Poker zwischen Nike und Adidas. Das deutsche Unternehmen fokussiert sich auf europäische Top-Klubs. So kassiert Manchester United 100 Millionen Euro jährlich, Real Madrid steht vor einem 140 Millionen Euro-Deal. Dagegen lässt Adidas die Verträge mit deutschen Champions League-Teilnehmern wie Schalke 04 oder Bayer Leverkusen auslaufen. Diese Gelder werden zukünftig neben den Top-Klubs vor allem in erfolgreiche Nationalmannschaften investiert, wie jetzt beim DFB. Und Nike legt solange Verhandlungen mit Bundesligisten auf Eis, bis der DFB sich für einen Ausrüster entschieden hat. Den Vereinen entgehen so Millionen, da sie zukünftig mit finanzschwächeren Ausrüstern zusammenarbeiten müssen. Deshalb fordert Querdenker Wolfgang Holzhäuser:
"Ohne die Abstellung der Spieler hätte der DFB kein Markenprodukt Nationalmannschaft. Deswegen ist es für meine Begriffe durchaus legitim, mal darüber nachzudenken, ob ein Großteil der Sponsoring Erträge nicht letztlich dem Ligaverband zustehen."
Für den wegen der WM-2006-Affäre angeschlagenen DFB wird das möglicherweise die nächste Baustelle.