Archiv

Ausschreitungen bei G20-Protesten
"Man hat sich auch versammelt, um Gewalt anzuwenden"

Bei den Protesten gegen den G20-Gipfel gestern ging die Polizei mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen die Demonstranten vor. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, verteidigt das Vorgehen der Sicherheitskräfte - es sei alternativlos gewesen, sagte er im Dlf. Malchow hält den Veranstalter mitverantwortlich für die Gewalt.

Oliver Malchow im Gespräch mit Dirk Müller |
    Einsatzkräfte der Polizei gehen in dichtem Rauch über eine Straße.
    Krawalle in Hamburg (AFP / Odd Andersen)
    "Die Alternative wäre gewesen, es zu tolerieren," so Malchow. Die Polizei habe nicht zum ersten Mal mit Vermummten aus dem Schwarzem Block zu tun. "Wir wissen ja, dass in der Anoynmität Straftaten geplant und durchgeführt werden." Deswegen sei es richtig gewesen, von vorneherein zu versuchen, den Block von der friedlichen Gruppe zu trennen. Die Polizei habe die Aufgabe, das Versammlungsrecht der friedlich Demonstrierenden zu gewährleisten und Straftaten zu verhindern.
    Im Vorfeld solcher Veranstaltungen gebe es immer Gespräche mit dem Veranstalter. Dabei werde auch darauf hingewiesen, dass Straftaten wie das Vermummem zu unterlassen seien. Die Veranstalter seien mit in der Pflicht, so Malchow. Er kritisierte den Veranstalter, der sich im Vorfeld zur Gewaltfreiheit nicht geäußert habe. "Damit trägt er auch dazu bei, dass solche Veranstaltungen nicht friedlich ablaufen können."
    Am Donnerstagabend (6.7.2017) war es in Hamburg bei Demonstrationen zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Kundgebungsteilnehmern gekommen. Zunächst hatten sich etwa 12.000 Menschen versammelt, um gegen die Politik der G20 zu protestieren. Weil sich unter ihnen auch etwa 1.000 Vermummte befanden, stoppte die Polizei den Zug. Dabei setzte sie Korrespondentenberichten zufolge Gewalt ein. Aus dem Teilnehmerfeld wurden Flaschen geworfen und Feuerwerkskörper gezündet. Auf beiden Seiten wurden Dutzende Menschen verletzt, jedoch niemand lebensbedrohend. Mehrere Personen wurden in Gewahrsam genommen.

    Das Interview im voller Länge
    Dirk Müller: Zahlreiche Verletzte hat es gegeben, brennende Barrikaden, zerschlagene Fensterscheiben. "Welcome to Hell" - die große Demonstration von Linksautonomen eskaliert. Die Polizei greift hart durch. Hamburg erlebt eine unruhige Nacht. Heute soll es noch mehr Proteste geben, vielleicht auch Gewalt - Gewalt allerdings, die erwartet worden war, monatelang, wochenlang, tagelang, die programmiert war. Am Telefon ist nun Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Guten Morgen!
    Oliver Malchow: Schönen guten Morgen, ich grüße Sie.
    Müller: Herr Malchow, muss das immer so kommen?
    Malchow: Es müsste nicht so kommen. Es gibt das Recht auf Versammlungsfreiheit und wer sich friedlich und ohne Waffen versammelt, der kann hier in Deutschland, solange es nicht Beleidigungen sind, sagen, was er will. Dann hat die Polizei auch keinen Anlass, Versammlungen zu unterbinden.
    "Die Polizei ist gezwungen, das Versammlungsrecht zu gewährleisten"
    Müller: Sie waren gestern in Hamburg. Sie konnten nicht alles im Detail verfolgen. Sie haben mit vielen Kollegen allerdings dann auch im Nachhinein gesprochen, auch heute Morgen noch, haben Sie gesagt, mit Kollegen telefoniert. Ist die Polizei aus Ihrer Sicht da adäquat, angemessen vorgegangen?
    Malchow: Das ist immer ganz schwierig zu bewerten. Meine Kolleginnen und Kollegen haben das Versammlungsrecht zu gewährleisten und darauf zu achten, dass keine Straftaten begangen werden. Und diejenigen - wir sprechen immer von Militanten -, die sich schwarz gekleidet, vermummt unter eine Menge friedlicher Demonstranten mischen und wir auch im Vorwege wissen, dass es zu Ausschreitungen kommen soll, weil ja gerade dazu aufgerufen wird, da ist die Polizei ja geradezu gezwungen, das Versammlungsrecht zu gewährleisten, und zwar der anderen, hier dafür zu sorgen, dass Rechtsverstöße beendet werden. Dass es dann auch letztendlich dazu kommt, dass es diese Eskalation gibt, das ist für die, die friedlich demonstrieren wollen, überhaupt nicht schön, für meine Kollegen übrigens auch nicht. Die haben nämlich gar kein Interesse daran, Gewalt anzuwenden.
    Müller: Es hat über 70 verletzte Polizisten gegeben. Das ist heute Morgen auch noch einmal bestätigt worden. Herr Malchow, aber wenn Sie sagen, Vermummung, das ist in Deutschland ein Straftatbestand, das wusste man vorher, dass dieser schwarze Block, wie man immer die auch nennen mag, die autonomen Gruppierungen, radikalen Gruppierungen, dass die dort auftreten. Und irgendwann - das ist jetzt meine Frage - vermummen die sich und plötzlich sind das Straftäter. Und es sind hunderte, tausende, beziehungsweise von tausend war jetzt die Rede gestern Abend. Macht es da Sinn zu sagen, ihr begeht eine Straftat, hört jetzt auf damit, legt das alles ab, Masken und Kapuzen, damit wir nicht gegen euch vorgehen müssen?
    Malchow: Ja. das macht ja Sinn. Die Alternative wäre ja, es zu tolerieren. Es ist ja nicht so, dass die Polizei das erste Mal mit Vermummten aus dem schwarzen Block zu tun hat, sondern wir wissen ja, dass gerade in der Anonymität die Straftaten geplant und durchgeführt werden, also die Eskalation dann irgendwann eintritt. Deswegen ist es richtig, von vornherein zu versuchen, diejenigen, die möglicherweise Straftaten begehen wollen, aber dadurch, dass sie sich vermummen, sich schon darauf vorbereiten und Straftäter sind, von der anderen Gruppe zu trennen, damit diese dann auch friedliche Demonstrationen durchführen können. Es gibt immer Gespräche im Vorwege. Veranstalter werden darauf hingewiesen, dafür zu sorgen, dass diese Straftaten unterlassen werden. Es ist ja nicht so, dass sich da einige Wenige ein Tuch um das Gesicht binden, und dann geht die Polizei da mit Wasserwerfern, Pfefferspray und einigen Einsatzkräften gewaltsam rein. Das hat ja immer eine Vorgeschichte. Da wird ordentlich verhandelt. Da hat jeder Zeit, letztendlich dann auch dafür zu sorgen, dass es ein ordentlicher Ablauf der Veranstaltung wird. Und wenn dem nicht nachgekommen wird, gibt es eben die Verpflichtung, das Versammlungsrecht für die anderen zu schützen. Das bedeutet, man muss eine Trennung vornehmen.
    "Was wäre gewesen, wenn man nichts gemacht hätte"
    Müller: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das prophylaktisch auch gewesen, weil Sie fest davon ausgegangen sind, also Ihre Kollegen vor Ort, die Einsatzleitung, dass sobald die Vermummten vermummt sind, sie dann dementsprechend auch gewalttätig werden?
    Malchow: Prophylaktisch heißt vielleicht zu sehr, man weiß nicht, was kommen könnte. Da gibt es auch immer Erkenntnisse, die die Polizei zum Teil hat. Es gibt die Aufrufe. Man hat sich da ja auch versammelt, um von da aus Gewalt anzuwenden und insofern ist es notwendig, dass die Polizei von Anfang an alles Mögliche tut, um dieses einigermaßen einzudämmen. Dass es dadurch dann auch zu Ausschreitungen kommen kann, wie es hier der Fall ist, das ist leider so. Aber die Frage wäre möglicherweise auch gewesen: Was wäre gewesen, wenn man nichts gemacht hätte.
    Müller: Also alternativlos im Grunde, wie man vorgegangen ist?
    Malchow: Ja, aus unserer Sicht ja. Die Frage ist immer, kommen nicht Polizei und Veranstalter näher zusammen. Da gibt es ja die Kooperationsverpflichtung. Da, glaube ich, sind die Veranstalter auch mit in der Pflicht. Und wenn ich einen der Veranstalter im Vorwege in einem Interview gehört habe, der vor Ihren Kollegen zum Thema Gewalt, Freiheit und Distanz von Gewalt gesprochen hat, und er sich dazu nicht äußert, sondern letztendlich nur auf das Recht der Demonstranten hinweist, dann trägt er auch mit dazu bei, dass solche Veranstaltungen leider nicht friedlich ablaufen können und damit diejenigen, die vielen tausend nicht zu ihrem Recht kommen, ihre Meinung zu äußern.
    Müller: Oliver Malchow bei uns heute Morgen in dieser Sendung, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Vielen Dank, dass Sie so spontan für uns Zeit gefunden haben.
    Malchow: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.