"Die Schrift ist das erste Medium schlechthin. Wir würden unsere Aufgabe vernachlässigen und verfehlen, wenn wir nicht auch diesem Medium mit der gebührenden künstlerischen Achtung gegenübertreten."
Für ZKM-Chef Peter Weibel bildet die Schrift die Wahrnehmung der Wahrnehmung ab: Ich kann mit der Schrift Dinge beschreiben, die gerade nicht zu sehen sind. Die Schrift ist ein ästhetisches Formelement geworden, ein gleichwertiger Partner des Bildes. Im französischen Musikvideo "The Child" zur Musik von Alex Gopher wird zum Beispiel Manhattan komplett aus Schriftzeichen generiert: Die Schrift stellt dar, was bezeichnet wird – ein Taxi ist als Buchstabenreihe T A X I zu sehen.
Als Schriftfilme werden jene Filme und einzelne Filmszenen bezeichnet, in denen bewegte, animierte, grafisch auffällig gestaltete und vertonte Schrift die Hauptrolle spielt: So zum Beispiel bei einer deutschen Bierwerbung, wo einzelne gesprochene Wörter schriftlich im Film hervorgehoben werden – und auch im Bereich Kinofilm gibt es ganz berühmte Szenen, so Kuratorin Christine Stenzel:
"Viele werden sicherlich den Film "Psycho" von Alfred Hitchcock kennen, zu dem Saul Bass, einer der frühesten dezidierten Titeldesigner, einen wunderbaren Vorspann gestaltet hat, und zwar durch vertikal und horizontal verschobene Schrift, sodass die, ja, psychische Störung letztendlich des Protagonisten über die Schrift im Vorspann angedeutet werden konnte."
Zu den Ausstellungsräumen gelangen die Besucher durch einen weißen, mehrfach geteilten Vorhang – darauf projiziert werden kurze philosophische Statements. Dieses Meer von bewegter Schrift schuf Medienkünstler Michael Bielicky gemeinsam mit seiner Frau. Bewegte Schrift ist für ihn ein stets faszinierendes künstlerisches Betätigungsfeld:
"Es ist eine Möglichkeit, visuell Information auf eine sehr elegante und auf eine sehr eindringende Art und Weise zu vermitteln. Und es scheint, dass es noch immer wieder, obwohl es schon so alt ist, neue Künstlergenerationen fasziniert."
Denn der erste sogenannte Schriftfilm wurde bereits im Jahr 1897 geschaffen. Es ist ein amerikanischer Werbefilm, in dem die Darsteller ein weißes Banner entfalten und hochhalten, auf dem zu lesen ist: Wir alle rauchen. Hier wird erstmals die Schrift als gleichwertiger Teil im Bild eingesetzt.
Die Ausstellung "Schriftfilme" soll lehrreich sein, aber vor allem Spaß machen. Daher haben die Kuratoren einen spielerischen Zugang gewählt, mit dem alle Altersgruppen angesprochen werden sollen, erklärt Kurator Bernd Scheffer:
"Sie wendet sich an Jugendliche, die finden oben ihre IPads, die können sie gegen die Wand halten, dann werden Schriftfilme und Informationen geladen. Es gibt einen alten Kinoprojektor, wo Leute wie ich, jenseits der 60, ihre Filmgeräusche, dieses Rattern der Filmprojektoren wiedererkennen."
Der Blick des Zuschauers wird auf Form, Farbe und Schönheit der Schrift gelenkt. Auf das, was man sonst vielleicht gar nicht beachtet: Schrift als Schrift sichtbar machen – das will auch der Konstanzer Künstler Boris Petrovsky. Ihn beeindruckt, wie wir über die Sprache unsere Welt konstruieren. In der Ausstellung ist seine Wünschelmatrix, eine Art Lichtschreibmaschine, aufgebaut:
"Wir sehen eine Schriftzeichenmatrix, ähnlich einer Rampe, auf der 463 Schriftzeichen des öffentlichen Raumes, Werbeschriftzeichen, montiert sind. Es sind komplette Alphabete, also mehrere Alphabete, die über diese Buzztatur, also dieses Eingabeterminal, bedient werden können. Die Besucher können die Werbebotschaft mit einer eigenen, einer zivilen Botschaft überschreiben, in dem sie ihre Botschaft zuschreiben. Sie erscheint dann Buchstabe für Buchstabe aufleuchtend in der Matrix."
Und somit wird aus dem öffentlichen Werbeschriftzug, der meist einem Copyright unterliegt, wieder ein ziviler, von allen nutzbarer Schriftzug.