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Auswirkungen des Klimawandels auf das Kulturerbe

Zerfressene Gesichter von Statuen, geschwärzte Fassaden berühmter Gebäude - solche Folgen auf Kulturdenkmäler hat die Umweltverschmutzung. Aber wie sieht es aus, wenn sich zum Beispiel die Temperatur stark verändert? Welche Auswirkungen der Klimawandel auf Kulturdenkmäler hat, das wollen Forscher in dem EU-Projekt "Climate for Culture" untersuchen.

Von Barbara Roth |
    Historische Gebäude und Kunstwerke fit machen für den Klimawandel - so lässt sich salopp das Ziel eines Forschungsprojekts der Europäischen Union umschreiben, das gestern mit einer Veranstaltung in München gestartet wurde. Über einen Zeitraum von fünf Jahren werden Klimaforscher, Architekten, Restauratoren und Ökonomen einen Maßnahmekatalog entwickeln, wie künftig Kunstwerke geschützt werden können. Koordiniert wird das mit fünf Millionen Euro aus dem EU-Haushalt geförderte Projekt vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in München. Projektleiterin Johanna Leissner vom Insitut:

    "Wir sind ja in Zeiten knapper werdenden auch Finanzressourcen. Da müssen eben die Eigentümer dieser Gebäude auch wissen, was auf sie zukommt. Was müssen sie an Technologie investieren, um ein stabiles Mikroklima in ihren Gebäuden zu erzeugen, um die Kunstwerke zu erhalten. Ein Höhepunkt unseres Projekts wird sein dieser Art Bericht für Kulturerbe, wo erstmals in ökonomischen Zahlen festgehalten wird, was wird es kosten, das Kulturerbe in Zeiten des Klimawandels zu erhalten."

    Untersucht werden 20 ausgewählte Weltkulturerbestätten der Unesco. Zum Beispiel die historische Altstadt von Wismar, Pyramiden in Ägypten, das Schloss Schönbrunn in Wien, oder auch die Pinakotheken in München. Klaus Sedlbauer, Professor für Bauphysik an der Universität Stuttgart, geht im schlimmsten Fall von einer Temperaturerhöhung von bis zu sechs Grad Celsius aus:

    "Wir kennen natürlich die Prognosen und können sagen, es nimmt pro zehn Jahre um 0,5 Grad zu. Aber was sind die konkreten Auswirkungen auf ein Gebäude? Mit welcher Wahrscheinlichkeit nehmen beispielsweise Schlagregenereignisse, also Regen trifft die Fassade, zu? Bei welchen Temperaturen wird das vermehrt auftreten? Tritt beispielsweise im Winter nach einem Regenereignis Frost auf? Mit welcher Wahrscheinlichkeit passiert das? Diese Aussagen aus den Wettermodellen sind in unseren bautechnischen Simulationen noch nie berücksichtigt worden."

    Es wird wärmer werden, vor allem die Luftfeuchtigkeit wird zunehmen - wie aber wirken sich diese veränderten äußeren Bedingungen auf ein historisches Gebäude aus - vor allem auf die in den Gebäuden aufbewahrten Kunst- und Kulturschätze? Noch nie ist das umfassend untersucht worden. Der Restaurator Ralf Kilian vom Frauenhofer-Institut:

    "Grundsätzlich ist es so, dass alles was organisch und hygroskopisch ist, besonders anfällig ist. Das heißt also sämtliche Materialien wie Holz, wie tierische Leime oder Öle, was verwendet wurde in diesen Malereien - hygroskopisch bedeutet Wasser ziehend - also Wasser auf der Luft aufnimmt, das fängt dann an zu quellen. Und wenn man dann Schwankungen hat, das führt dann eben zu Schäden. Das sind die Materialien, die wir als empfindlichste untersuchen wollen."

    Im Falle eines Schlosses könnte beispielsweise eine Investition in eine spezielle Fassadenbeschichtung genügen. In den Pinakotheken in München mit den wertvollen Gemäldesammlungen könnten steigende Temperaturen und Luftfeuchtigkeit mit einer ausgetüftelten Klimatisierung kompensiert werden. Professor Sedlbauer:

    "Also die Frage für die Pinakothek beantwortet würde jetzt lauten: es würde teurer werden. Wir müssten im Sommer beispielsweise mehr Aufwendungen für Klimatisierung leisten."

    Die Berechnungen der Wissenschaftler werden bis ins Jahr 2100 reichen. Es werden Messungen an Wetterstationen vorgenommen, es werden Szenarien am Computer simuliert. Bausubstanzen werden aber auch vor Ort unter die Lupe genommen. In Bayern beispielsweise die Königschlösser von Ludwig dem II. Restaurator Kilian:

    "Schloss Linderhof und auch Schloss Neuschwanstein sind beide in keinster Weise in irgendeiner Art klimatisiert. Da werden die Fenster aufgemacht, damit die Besucher genug Luft bekommen. Also wenn wir deutlich höhere Feuchtigkeit in der Außenluft haben, und diese feuchte Außenluft in ein kaltes, unbeheiztes Gebäue im Sommer reinkommt, dann bekommen wir eine höhere Gefahr von Schimmelpilzwachstum."

    Fünf Jahre lang läuft die Studie. Dann wollen die Wissenschaftler konkrete Empfehlungen aussprechen. Der Bauphysiker Sedlbauer nennt ein Beispiel:

    "Wenn ich außen ein feucht-schwül-warmes Klima habe, beispielsweise zur Frühjahrszeit, dann sind die Besucherströme zu reduzieren. Das könnte eine Folge sein."