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Autor Martin Mosebach
Märtyrer sind "der Samen des Christentums"

Martin Mosebach erkundet in seinem neuen Buch die Geschichte von 21 Männern, die vom IS hingerichtet wurden. Die meisten waren Kopten. Für die koptische Kirche sind sie Märtyrer. Mosebach sagte im Dlf, Kirche könne nur so lange lebendig sein, "wie sie Menschen hat, die bereit sind, bis zum Letzen für sie einzustehen".

Martin Mosebach im Gespräch mit Christiane Florin |
    Der Schriftsteller Martin Mosebach am 13.03.2014 auf der Leipziger Buchmesse
    Der Schriftsteller Martin Mosebach am 13.03.2014 auf der Leipziger Buchmesse (dpa / picture alliance / Arno Burgi)
    Christiane Florin: Der Ausgangspunkt für dieses Buch ist ein Video. Darauf sind 21 Männer zu sehen – alle bis auf einen koptische Christen – an einem libyschen Strand. Die werden von Männern des sogenannten Islamischen Staates hingerichtet. Wie sind Sie überhaupt auf dieses Video gekommen?
    Martin Mosebach: Das Video wurde in kleinen Ausschnitten im Fernsehen gezeigt, und es war kurze Zeit auch in seiner ganzen schrecklichen Ausführlichkeit zu sehen. Dann hat man es sehr stark beschnitten, so dass die eigentlichen Tötungshandlungen dann nicht mehr zu sehen waren.
    Florin: Was hat Sie dazu veranlasst, erstmal so genau hinzuschauen und dann daraus auch den Impuls für ein Buch mitzunehmen?
    Mosebach: Ich habe mich seit längerer Zeit mit der koptischen Kirche beschäftigt. Das waren biografische Gründe. Ich habe ein Buch in Ägypten geschrieben, bin in die koptische Liturgie gegangen, habe einen koptischen Freund seit vielen Jahren, der mich immer mal eingewiesen hat in koptische Gebräuche, koptische Besonderheiten. Und dann war es etwas Besonderes in diesem Video, was es unterschied von anderen Schreckensvideos, Hinrichtungsbildern des IS, weil es in besonderer Weise auch die Haltung und die Reaktion der Ermordeten zeigte, die sich – während sie getötet wurden – noch einmal ganz ausdrücklich zu Jesus Christus bekannten. Man hört dann ihre Stimmen "Herr Jesus", während sie getötet wurden.
    "Ich bin Nutznießer diese Inszenierung"
    Florin: Hatten Sie zwischendurch nie das Gefühl, dass Sie damit auch Teil der Inszenierung werden, indem Sie das so genau anschauen?
    Mosebach: Ja, natürlich, ich bin ein Nutznießer dieser Inszenierung. Das ist genau auch die Haltung, die die koptische Kirche zu diesem Film hat. Die koptischen Bischöfe sagten mir: "Wir sind dankbar dafür, dass der IS diesen Film gemacht hat. Auf die Art und Weise wissen wir, wie diese Menschen gestorben sind."
    Florin: Sie möchten nicht von "Opfern des Terrorismus" sprechen, Sie sprechen von Martyrern*. Warum?
    Mosebach: Ich habe versucht, die Haltung der koptischen Kirche zu diesen Ermordungen einzunehmen. Für die koptische Kirche sind die Getöteten Glaubenszeugen, also das heißt mit dem griechischen Fremdwort: Martyrer. Sie haben ihren Glauben bekannt und sind für Jesus gestorben.
    Florin: Möchten Sie damit auch dieses Wort Martyrer/Märtyrer den Islamisten wegnehmen, die ihre Attentäter, zum Beispiel Selbstmordattentäter, als Märtyrer bezeichnen?
    Mosebach: Ja, aber das Copyright auf das Wort Martyrer haben die Christen. Sie haben das zum ersten Mal in diesem Sinne angewandt, und sie sollten auch unbedingt darauf beharren, dass es ihr Wort ist. Vor allen Dingen, weil sich die christliche Vorstellung vom Martyrium ja ganz wesentlich von diesem islamistischen Modell unterscheidet, weil der christliche Martyrer ja keine anderen Menschen mit in den Tod nimmt und nicht tötet.
    Florin: Als Sie sich dann nach Ägypten begeben haben auf die Spurensuche, da sagte Ihnen ein Bischof: "Die koptische Kirche, das ist eine Kirche der Martyrer." Jeder Kopte sei bereit, für seinen Glauben zu sterben." Woher kommt diese Gewissheit? Sätze mit "jeder" und "alle" sind ja immer etwas problematisch.
    Mosebach: Ja, das kann ich natürlich auch gar nicht nachprüfen. Das war eine Haltung, die ich einfach wiedergegeben habe, und eine Haltung, die ich nicht einmal getroffen habe, sondern häufig. "Die Kirche der Martyrer" nennt sich die koptische Kirche übrigens schon seit sehr langer Zeit, seit den Verfolgungen des Kaisers Diokletian.
    Florin: Sie beschreiben die Familien dieser Männer als "stolze Hinterbliebene". Warum keine Trauer, warum keine Wut oder keine Rachegelüste?
    Mosebach: Für diese Menschen stellte sich der Tod ihrer nächsten Angehörigen – ihrer Söhne, Väter, Ehemänner – als ein Triumph des Glaubens dar, der diese Menschen zu buchstäblich gekrönten Heiligen verwandelt. Der Blick war ganz ins Jenseits gerichtet. Man stand in diesen Familien, in diesen sehr einfachen und armen Bauernfamilien mit dem Rücken zu den Tätern. Die wurden gar nicht weiter beachtet. Das waren Satansgesandte, wie es sie in der Weltgeschichte immer wieder gibt, und das war auch zeitlich gesehen, kann man sagen, für diese Menschen gar kein Unterschied, ob ihre Angehörigen von den Schergen des Kaisers Diokletian oder vom IS getötet worden sind. Das war eine grundsätzliche, überzeitliche Auseinandersetzung zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen.
    Florin: Aber meinen Sie denn nicht, dass die Menschen gerne ihren Ehemann, Sohn, Bruder wiedergehabt hätten? Ist Trauer ein Zeichen von Schwäche?
    "Als mein Sohn stark geblieben ist und getötet wurde, war ich dankbar und froh"
    Mosebach: Was ich meine – darum geht es überhaupt nicht. Mir ging es ausschließlich darum, diese Menschen kennenzulernen, ihre Haltung dazu kennenzulernen. Da war die überwiegende Stimmung – zum Teil sogar wirklich ganz krass – Mütter, die sagten: "Ich habe nicht darum gebetet, dass mein Sohn wiederkommt, sondern ich habe darum gebetet, dass er stark bleibt. Und als er stark geblieben ist und getötet wurde, da war ich dankbar und froh."
    Florin: Aber so bekommen Gewalt und Krieg einen Sinn!
    Mosebach: Ja, das ist im Christentum so.
    Florin: Ist das so?
    Mosebach: Ja, es ist die Religion des Gekreuzigten, nicht? Also, im Mittelpunkt des Christentums steht eine entsetzliche Gewalttat, die dann allerdings überwunden wird.
    Florin: Eben. Sie wird überwunden!
    Mosebach: Ja, aber zunächst einmal wird sie ganz und gar durchlitten.
    Florin: Aber sehen Sie im Christentum die Aufforderung, dass jeder bereit sein soll, sich so zu opfern?
    Mosebach: Die Kirche hat immer versucht, hier mäßigend zu wirken. Sie hat – zum Beispiel übrigens auch in Ägypten – immer gesagt: "Es ist keine Pflicht, Martyrer zu werden." Aber im Zentrum der christlichen Lehre steht die Nachfolge Jesu, das Kreuz auf sich zu nehmen, und dieses ist auch keine Phrase. Also, aus dem Mund Jesu dürfen wir das auch nicht bloß als ein Symbol betrachten.
    "Ich habe alle Gründe, an meiner Standhaftigkeit zu zweifeln"
    Florin: Diese Männer, deren Lebensgeschichte Sie nachzeichnen, sind – Sie haben es schon gesagt – aus sehr einfachen Verhältnissen. Sie haben als Wanderarbeiter in Libyen gearbeitet und waren auch vorher nicht als Glaubenseiferer aufgefallen. Wie erklären Sie sich diese Bereitschaft, am Glauben festzuhalten, auch wenn da der Tod droht?
    Mosebach: Eigentlich in einem sehr einfachen, ganz unverstellten Verhältnis zum Christentum. Als Eiferer, würde ich denken, ist in diesem Milieu, in dem ich mich da aufgehalten habe, niemand zu betrachten. Es sind Leute, die in einem sehr starken Maß ein christliches Leben zu führen versuchen. Da auf dem oberägyptischen Dorf steht die Liturgie der Kopten – die eine sehr lange Liturgie ist, drei Stunden – im Mittelpunkt dieses Lebens. Diese Getöteten sind zum Teil bischöflich bestallte Hymnensänger gewesen, die diese lange Liturgie auswendig konnten. Der Gottesdienst stand in einem Maße im Mittelpunkt des Lebens dieser Menschen, das wir uns hier gar nicht vorstellen können. Dann war das eine solche Bereitschaft, einfach auch eine ruhige Konsequenz. Ich stelle mir vor, es ist sehr stark in der Gemeinschaft gelebt worden. Diese 21 haben alle in einem Saal geschlafen, auf dem Boden, waren übrigens auch alle verwandt miteinander. Und das ist eine Gemeinschaft, aus der auszutreten wohl einfach auch denkunmöglich ist.
    Florin: Wären Sie selbst auch gern so standhaft? Oder sind Sie es vielleicht?
    Mosebach: Ich habe alle Gründe, an meiner Standhaftigkeit zu zweifeln. Standhaftigkeit ist aber doch eine große Tugend, etwas Bewundernswertes – für mich auf jeden Fall. Vielleicht auch deswegen, weil sie mir selber fern ist.
    Florin: Sie haben, als Sie in das Dorf gegangen sind, in den Häusern vor allem die Frauen angetroffen, und Sie schreiben, verheiratete Frauen, dürfen die Häuser nicht verlassen. Wie ist der Status von Frauen in der koptischen Kirche?
    Mosebach: Der Status der Frauen in der koptischen Kirche unterscheidet sich nicht wesentlich von der gesamten nahöstlichen Gesellschaft, welcher Religion auch immer die Menschen angehören. Es ist eine patriarchalische Welt.
    Florin: Das heißt, die Frau muss sich unterordnen?
    Mosebach: Also, rechtlich bestimmt. Was praktisch geschieht, ist natürlich was ganz Anderes. Zugleich ist ja diese patriarchalische Welt immer auch eine Welt der starken Mütter. Zugleich ist sie eine Welt des Familienverbandes. Also, das heißt, der auch den Männern nur beschränkte Freiheiten gibt.
    Florin: Individuelles Hadern mit Gott, Zweifeln oder individuelle Glaubensauseinandersetzung, das ist Ihnen nicht begegnet?
    Mosebach: Das ist mir in dieser Welt, bei diesen Menschen nicht begegnet. Das heißt ja nicht, dass es nicht stattfindet. Es heißt nur, dass es nicht den Weg in die Sprache findet und jetzt vor allen Dingen nicht zu einem Fremden.
    Florin: Nun ist diese Märtyrerverehrung nicht nur eine Sache der Kirche. Die Häuser dieser Familien wurden vom ägyptischen Staat saniert. Was hat der Staat von diesen Männern?
    Mosebach: Der Staat hat von den Männern erst einmal gar nichts. Die Männer waren für den Staat eine enorme Verlegenheit. Der Staat hat sich während der 43 Tage der Gefangenschaft, die der Hinrichtung vorangingen, überhaupt nicht um die Freilassung dieser Menschen bemüht. Aber da die koptischen Christen einen beträchtlichen Anteil an der ägyptischen Bevölkerung bilden, war die Empörung dann so groß an dieser Tatenlosigkeit, dass der Staat unbedingt irgendetwas tun musste. Und so hat er dann für die Familien der Getöteten Unterstützung angeboten und auch gewährt. Und vor allen Dingen: Er hat – was in Ägypten vollkommen ungewöhnlich ist – für das Gedächtnis der Getöteten eine Wallfahrtskirche gestiftet.
    Florin: Aus schlechtem Gewissen sozusagen.
    Mosebach: Ja, aus schlechtem Gewissen und aus dem Versuch, die Kopten zu beruhigen.
    "Ich achte den koptischen Papst sehr hoch"
    Florin: Welcher Papst steht Ihnen eigentlich näher, der koptische Papst oder Papst Franziskus?
    Mosebach: Ich achte den koptischen Papst natürlich sehr hoch, weil er eines der vier Urpatriarchate der alten Kirche innehat, nämlich das Patriarchat von Alexandria. Ja, ich sehe zwischen ihm und dem Papst in Rom keinen bedeutenden Unterschied.
    Florin: Das heißt, Sie achten beide gleichermaßen?
    Mosebach: Ja.
    Florin: Sie schreiben bewundernd darüber, dass in der koptischen Kirche die geistlichen Autoritäten nicht infrage gestellt werden, dass es so etwas wie einen Bischofsrücktritt nicht gibt, und die Bischöfe treten auch fürstbischöflich auf.
    Mosebach: Manche. Es gibt sozusagen alle Spielarten. Es gibt den asketischen und mönchischen Bischof, und es gibt durchaus in der Ostkirche das Wort Ethnarch, der Volksführer. Das ist also ein Titel, den die türkischen Sultane den Bischöfen gegeben haben. Und diesen Volksführertypus, den gibt es auch.
    Florin: Sie schreiben, es komme dort nicht vor, dass ein Bischof wegen Verfehlungen "gehetzt" werde. Welcher Bischof wird denn hier in Deutschland wegen Verfehlungen gehetzt?
    Mosebach: Naja, es hat ja Fälle gegeben, nicht? Das ist doch auch wahrscheinlich in Ihrem Gedächtnis geblieben.
    Florin: Wen meinen Sie denn? Tebartz-van Elst?
    Mosebach: Zum Beispiel Tebartz-van Elst oder den Bischof Mixa. Ich meine, wo es ohne Zweifel in beiden Fällen Beanstandenswertes gab, aber das wären Fälle gewesen, aufgrund derer ein Bischof in Ägypten nicht aus dem Amt scheiden müsste.
    Florin: Aber es gibt doch berechtigte Kritik an diesen Bischöfen. Also, es war doch ganz richtig, dass die dann irgendwann ihres Amtes enthoben wurden, beziehungsweise zurücktreten mussten.
    Mosebach: Naja, also das ist durchaus umstritten. Das Bischofsamt ist traditionell ein sehr hohes Amt, es wird nicht von der Kirche verliehen, sondern es wird nach katholischer und orthodoxer Vorstellung von Christus verliehen. Das müssen schon ganz massive Vorwürfe sein, weswegen ein Bischof aus dem Amt scheiden muss. Also, bei einem Missbrauch-Vorwurf zum Beispiel, selbstverständlich. Aber wegen irgendwelcher finanziellen Ungenauigkeiten ganz bestimmt nicht.
    "Martyrer sind der Samen des Christentums"
    Florin: Also, die hätten bleiben sollen, Ihrer Ansicht nach.
    Mosebach: Ja, nach alter Auffassung hätte es keinen Grund gegeben, sie zu entfernen.
    Florin: Sie wünschen sich, dass die katholische Kirche dieser koptischen Märtyrer gedenkt – auch die Kirche in Deutschland. Was wäre damit gewonnen, wenn es irgendeine Art der offiziellen Erinnerung an diese 21 Männer gäbe?
    Mosebach: Ich greife damit eigentlich einen Gedanken von Johannes Paul II. auf, der von der Ökumene der Märtyrer sprach, und das ist die Ökumene, die mir am plastischsten vor Augen steht. Für die Christen ist die Existenz von Martyrern von großer Bedeutung. Martyrer sind der Samen des Christentums. Die Kirche ist so lange lebendig, verbreitet sich so lange, wie sie Menschen hat, die bereit sind, bis zum Letzen für sie einzustehen. Und das sind eben diese 21 gewesen, und deswegen sind sie ein Lebenszeichen, ein Stärkezeichen für die ganze Kirche.
    Florin: Aber ich muss ehrlich sagen, ich bin recht dankbar, in einem Land zu leben, wo der Glaube nicht so auf die Probe gestellt wird, wo es also zum Beispiel Religionsfreiheit gibt und man nicht wegen seines Glaubens um sein Leben fürchten muss. Sind Sie dafür nicht dankbar?
    Mosebach: Ja natürlich! Ich bin nicht nur dafür dankbar, das ist ein Recht des Menschen, seine Religion zu leben. Das ist ein Zustand einer wünschenswerten Rechtsordnung. Man muss sich das ja nicht herbeisehnen, wie gesagt, diese Zeugenschaft. Aber wir wissen auf der anderen Seite auch, dass das Christentum gegenwärtig eine in vielen Ländern verfolgte Religion ist, und dass dieser Zustand, in dem wir leben, in Westeuropa, ein Ausnahmezustand ist – ein glücklicher.
    "Widerstand tut der Kirche immer gut"
    Florin: Schwächt Religionsfreiheit den Glauben, weil sie gerade keine Märtyrer hervorbringt?
    Mosebach: Eine Schwäche der gegenwärtigen Kirche ist im Westen ohne Zweifel zu verzeichnen. Aber das hat natürlich viele Gründe, wahrscheinlich nicht nur die Religionsfreiheit. Ich meine, sie hat eine lange geistiche Vorgeschichte. Aber es steht zugleich fest, dass die Kirche überall dort gewinnt, wo sie zu kämpfen hat. Widerstand tut der Kirche immer gut.
    Florin: Und was heißt das jetzt praktisch?
    Mosebach: Das ist jetzt einfach eine historische Erfahrung.
    Florin: Was heißt das für die Kirche in Deutschland?
    Mosebach: Ja, hier hat sie sich gegenwärtig in einem Kohabitationszustand mit der Gesellschaft eingerichtet und versucht, so wenig Konflikt wie möglich mit ihr zu haben. Also, Früchte trägt das jedenfalls nicht.
    Florin: Wenn Sie eine Prognose aufstellen sollen, wo die koptische Kirche in zehn Jahren steht und wo die katholische Kirche in Deutschland in zehn Jahren steht, wie sieht diese Prognose aus?
    Mosebach: Also, ich bin ein ganz schlechter Prophet und beschäftige mich überhaupt nicht mit der Zukunft. Aber eines kann man sagen: Die koptische Kirche hat 1 400 Jahre Dasein in der unterdrückten Minorität hinter sich und die aktuellen Verfolgungssituationen reihen sich da nur ein in unendlich lange Zeit, in der es so ähnlich gewesen ist – und hat überlebt! Also, infolgedessen finde ich, ihre Prognose für die nächsten zehn Jahre wird eher günstig sein. Sie ist gegenwärtig eine Kirche, die sehr stark ist, eben mit Gläubigen, die unterrichtet sind, und die wissen, wofür sie stehen. Wer Kopte ist, muss sich zu dem Koptentum bekennen. Das wird ihm nicht geschenkt, das wird ihm nicht abgenommen. Er trägt auf dem Handrücken ein tätowiertes Kreuz in einer Umwelt, die ihm nicht unbedingt günstig gegenüber steht. Also, für die Kopten sehe ich gar keine schlechte Zukunft voraus.
    Braucht Glaube die Lebensgefahr?
    Florin: Und für die Katholiken in Deutschland?
    Mosebach: Das wird nicht so viel anders sein, als es jetzt ist.
    Florin: Aber das klingt so, als brauche der Glaube die Lebensgefahr.
    Mosebach: Es scheint eine historische Erfahrung zu sein, dass die Kirche in der Verfolgung besser besteht als in der Zeit, in der sie sich mit der weltlichen Macht arrangieren kann. Das scheint tatsächlich eine Erfahrung zu sein. Und da ist übrigens die koptische Kirche etwas ganz Besonderes: Aufgrund dieser langen Existenz unter der islamischen Majoritätsgesellschaft ist sie die einzige christliche Kirche, die niemals Anteil an der weltlichen Macht hatte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    *Martin Mosebach benutzt das Wort "Martyrer". Gebräuchlicher ist im Deutschen das Wort "Märtyrer".