Angela Merkel ist nur gut vier Stunden in Dubrovnik. Für einen Rundgang auf der historischen Stadtmauer – für jeden Touristen hier ein Muss – bleibt keine Zeit. Nur ein kurzer Gang durch die Altstadtgassen ist zum Auftakt geplant. Die Reiseleiterin Maja Milovcic wird es kaum schaffen, mit der Kanzlerin ins Gespräch zu kommen und ihre Enttäuschung loszuwerden:
"Wir hatte mehr deutsche Investitionen erwartet in Kroatien als traditionellem Tourismusmarkt", sagt Milovcic. "Deutschland ist das wirtschaftlich stärkste Land in der EU. Die Deutschen könnten investieren." Dubravka Suica hat schon bessere Chancen, mit Merkel sprechen zu können. Sie ist EU-Abgeordnete, war früher Bürgermeisterin von Dubrovnik, und wirbt für eine zweieinhalb Kilometer lange Brücke auf die Halbinsel Peljesac.
Kroatien ist zweigeteilt, die Region Dubrovnik ist vom Rest des Landes abgeschnitten, weil sich Bosnien-Herzegowina mit einem 20 Kilometer langen Küstenstreifen dazwischenschiebt. Wer von Norden mit dem Auto nach Dubrovnik fährt, muss zweimal eine EU-Außengrenze passieren: nach Bosnien hinein und wieder heraus. Das will Suica ändern - mit EU-Geld:
"Jetzt nennen wir diese Brücke die kroatische Brücke. Weil wir möchten, dass Kroatien in einem Teil ist. Das ist auch eine symbolische Einheit, nicht nur Verkehr."
Es geht um die Hoffnung auf den EU-Beitritt
Angela Merkel wird mit einer ganzen Reihe von Forderungen dieser Art konfrontiert werden, auch aus anderen Balkan-Ländern - Serbien etwa, das auf Unterstützung für neue Schienenwege auf der Transit-Strecke München-Istanbul hofft. Doch eigentlich geht es in Dubrovnik um das große Ganze, um die Hoffnung aller Westbalkan-Länder, eines Tages EU-Mitglied zu werden. Slowenien und Kroatien sind in der Union, sie wollen mit regelmäßigen Gipfeln die Nachbarn unterstützen:
"Die Einbeziehung des Westbalkans in die EU ist viel mehr als eine nur geografische Erweiterung", sagt der kroatische Präsident Ivo Josipovic. "Es geht um eines der wichtigsten strategischen Projekte der EU und der europäischen Konsolidierung, die man allerdings noch vollenden muss."
Vergangenes Jahr war der französische Präsident Hollande beim Balkan-Gipfel. Angela Merkels Teilnahme in diesem Jahr gilt als Signal, dass sich Deutschland wieder stärker auf dem Balkan engagieren will. Dafür spricht auch eine große Westbalkan-Konferenz, die Ende August in Berlin stattfinden soll. Bei früheren Besuchen in der Region hat Merkel ihre Haltung so formuliert:
Beitritt-Bedingungen: Korruptionsbekämpfung, Bürokratieabbau, Medienfreiheit
"Wir haben immer gesagt, die Länder des westlichen Balkans müssen eine Beitrittsperspektive haben. Aber es müssen auch die Bedingungen eingehalten sein."
Die Bedingungen – das sind etwa Reformen in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, Bürokratieabbau und Medienfreiheit. Und die Beilegung alter Streitigkeiten aus der Zeit der Balkan-Kriege. Das gilt für Serbien, das als nächstes vor der EU-Tür steht und auf den Beitritt bis 2020 hofft. Und es gilt erst recht für Bosnien, das am weitesten zurückliegt, nach wie vor durch ethnische Teilung geprägt, auch wenn die Hilfsbereitschaft während der Hochwasser-Katastrophe im Mai innerbosnische Trennlinien zu überwinden schien. Das größte Hindernis aber liegt womöglich in der EU selbst. Die Erweiterungsmüdigkeit, das ist auch Merkel bewusst, ist nach den jüngsten Krisen groß.