Ankunft in Bandiogoula, etwa 900 km westlich der malischen Hauptstadt Bamako.
Hierher führt keine Straße. Nach Bandiogoula kommt man nur über Sandpisten, quer durch die Savannen-Landschaft. Das Dorf hat etwa 8.000 Einwohner, sagt der Dorfälteste, als wir uns zur Begrüßung im Hof seines Hauses niederlassen. Links und rechts neben diesem gelb gestrichenen Haus stehen traditionelle Lehm-Hütten. Der Dorfälteste hat ein Haus aus Stein gebaut. Gut ausgestattet, gepflegt, fast wohlhabend wirkt es. Salomou Traoré hat es mit dem Geld gebaut, das er in Frankreich verdient hat:
"Ich war 19 als ich weggegangen bin. Und ich war 43 Jahre in Frankreich, weil es hier im Dorf so viele Probleme gab."
Das war in den 1960er-Jahren. Keine Schule im Dorf, kaum Arbeit, wenig Chancen, Geld zu verdienen. Also ging Salomou Traoré nach Frankreich.
Moussas Traum von der Migration nach Europa
Am nächsten Tag treffe ich den jungen Moussa im Dorf: 23 Jahre alt, er hat die Schule abgeschlossen, hat aber kein Geld, um in einer großen Stadt zu studieren. Er träumt von der Migration nach Europa:
"Ich könnte nach Marokko gehen und dann versuchen auf eines der Boote zu kommen, die übers Meer nach Europa fahren. Aber viele Boote gehen unter, mir ist das zu gefährlich. Ich kann es mit einem Visum versuchen. Aber das ist schwierig. Ich kenne niemanden in Frankreich, der mir helfen könnte."
Moussa weiß, dass Visa kaum zu bekommen sind. Er weiß auch, dass er eventuell einen Asyl-Antrag stellen könnte – aber auch da stehen die Erfolgschancen schlecht. Also bleibt er in Bandiogoula. Nur eine Idee, was hier aus ihm werden soll, hat er nicht.
Diese Fortschritte hätte es ohne Migration nie gegeben
Dabei hat sich einiges verbessert im Dorf. Und jeder hier sagt: Diese Fortschritte hätte es ohne die Migration nie gegeben. Denn Migranten aus Bandiogoula überweisen nicht nur Geld an ihre eigenen Familien. Sie haben sich obendrein zusammengeschlossen und investieren in die Infrastruktur von Bandiogoula: zwei Schulen sind so entstanden, ein Wasserturm, die Moschee wurde renoviert und eine Gesundheitsstation gebaut.
Als ich im Dorf bin, werde ich zu einer feierlichen Eröffnungszeremonie eingeladen. In der kleinen Gesundheitsstation ist jetzt ein Zimmer für Geburten eingerichtet worden. Das wird jetzt eingeweiht:
Das ganze Dorf kommt dafür zusammen, es werden Reden gehalten, es wird getanzt.
"Der malische Staat hat hier nichts gemacht"
Die Dorfbewohner sind stolz. Es sind ihre Familienangehörigen, die in Europa schuften und das Geld für solche Investitionen nach Hause schicken. Salomou Traoré, der Dorf-Älteste, betont das gleich ein paar Mal:
"Alles, was es in unserem Dorf gibt, haben wir selbst gemacht. Der malische Staat hat hier nichts gemacht."
Es gibt keinen Strom, kein fließendes Wasser. Aber immerhin hat das Dorf jetzt zwei Schulen, einen Wasserturm und eine Gesundheitsstation. Das ist mehr, als viele andere Dörfer vorweisen können.
"Wir leben von der Diaspora"
Aber dennoch lebt der Traum von der Migration weiter. Warum? Ein alter Herr, auch er hat lange Jahre in Europa gearbeitet, beantwortet die Frage so:
"Wir haben doch keine Wahl – wir leben von der Diaspora. Wenn es hier mal wieder nicht regnet, so wie im vergangenen Jahr, als es keinen Tropfen Wasser gab, dann leben wir vom Geld der Migranten in Frankreich, in den USA, in Spanien oder in Deutschland."
Die jungen Leute im Dorf sehen keine Zukunft in der Landwirtschaft, die wegen des Wassermangels und des extremen Klimas schon immer schwierig war. Der Viehhandel bringe auch nicht genug ein, sagen sie.
Ein Visum für Europa bleibt Moussas Ziel
Moussa, der junge Mann, der davon träumt nach Frankreich zu gehen, sagt über seine Zukunft hier im Dorf:
"Die Zukunft", sagt Moussa, "ich weiß nicht wie die sein wird. Ich habe niemanden in Frankreich, in Europa. Ich bin alleine."
Aber er träumt weiter von einem Visum für Europa – irgendwie.