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Bankenpleiten und Währungsverfall
Der ukrainische Mittelstand in Not

Die ukrainische Währung hat stark an Wert verloren, außerdem gehen reihenweise Banken pleite. Millionen Menschen leiden unter den Folgen, vor allem der wirtschaftlich aktive Mittelstand. Ein Gesetz soll das ändern.

Von Florian Kellermann | 15.04.2015
    Jeden Tag steht Larissa Nikiforowa vor der Nationalbank in Kiew. Bei Regen verkriecht sie sich in eines der Zelte, die sie und andere Demonstranten mitgebracht haben. Bei Sonne steckt sie den Passanten einen Zettel zu. Darauf stehen vor allem Zahlen: Sie beweisen in den Augen der Professorin, dass sie ihrer Bank nichts mehr schuldig ist.
    "Wir haben uns 200.000 US-Dollar geliehen - und schon 220.000 Dollar zurückgezahlt. Wenn man es in unserer heimischen Währung Hrywnja rechnet, haben wir sogar schon die dreifache Summe beglichen. Und trotzdem sollen wir weiter zahlen. Bei der ganzen Sache geht es doch nur darum, uns unser Geschäft wegzunehmen. Und alles, was wir uns in unserem Leben erarbeitet haben. Selbst unsere Wohnung, die wir als Sicherheit verwendet haben, sollen wir jetzt abgeben."
    Larissa Nikiforowa hat 30 Jahre lang an einer Technischen Universität gelehrt, zuletzt war sie sogar Dekanin ihrer Fakultät. Doch das Gehalt reichte kaum zum Leben. Deshalb investierte sie in eine kleine Pension. Das Grundstück am Asowschen Meer stammte von ihren Eltern. Um den Kredit zurückzahlen zu können, gab die Professorin Massagen. Von diesem Enthusiasmus ist heute nichts mehr übrig geblieben.
    "Jetzt fehlt nur noch, dass sie uns die Ausreise aus der Ukraine verbieten. Das ist bei uns gesetzlich möglich, wenn das Vermögen beschlagnahmt wurde. Dann sind wir endgültig Sklaven der Finanzbranche - und dazu auch noch ohne Zuhause."
    Gesetz gegen Währungsverfall auf den Weg gebracht
    Die Ingenieurin streicht sich ihr rötliches, glattes Haar aus der Stirn. Dass ihr Schuldenberg einfach nicht kleiner werden will, hat zwei Ursachen: die extrem hohen Kreditzinsen in der Ukraine und - womit sie nicht rechnen konnte - der Verfall der heimischen Währung Hrywnja. Die Währungsturbulenzen treffen vor allem den schmalen Mittelstand in der Ukraine. Sie bestrafen und verunsichern gerade die Mutigen, Geschäftstüchtigen und schaden damit der Wirtschaft noch mehr. Das hat auch Präsident Petro Poroschenko erkannt. Bei einer Anhörung sagte er vor wenigen Tagen:
    "Der aktuelle Kurs der Hrywnja ist das Produkt von Finanz-Spekulation. Es gibt keine realwirtschaftlichen Grundlagen dafür, dass die ukrainische Währung so stark an Wert verloren hat. Ich verspreche, dass ich dagegen vorgehen werde. Wir müssen jetzt alle Kredite in Fremdwährungen in Hrywnja konvertieren - und zwar zum früheren Wechselkurs."
    Inzwischen hat das ukrainische Parlament ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Larissa Nikiforowa und ihren Mitstreitern wäre damit geholfen. Ihr Kredite würden schlagartig schrumpfen.
    Doch Experten zweifeln, dass die Abgeordneten das Gesetz wirklich beschließen. Denn für die ukrainischen Banken käme es einer Katastrophe gleich. Noch mehr von ihnen als bisher kämen in Schwierigkeiten - und mit ihnen diejenigen, die in diesen Banken Guthaben besitzen. Auch sie gehören in der Regel dem ukrainischen Mittelstand an.