Thomas Frank öffnet das Rolltor einer Lagerhalle. Er ist der Leiter des neuen Dendroarchäologischen Labors der Universität zu Köln, das zum Institut für Ur- und Frühgeschichte gehört.
"Das Archiv, in dem wir uns hier befinden, liegt in Köln Lindweiler."
Seit dem Sommer befindet sich hier am Stadtrand von Köln das neue Forschungsarchiv. Die mehr als 30.000 Holzproben lagerten zuvor unsortiert auf einem Bauernhof im Bergischen Land. Jetzt sollen sie archiviert und für die Forschung nutzbar gemacht werden.
"Überwiegend ist es Eiche. Eiche ist einfach das haltbarste Holz, der Rolls Royce sozusagen unter den Hölzern, der sich vor allem unter Luftabschluss wunderbar hält. Denken wir an die jungsteinzeitlichen Brunnen aus dem rheinischen Braunkohlerevier, die etwa 7.000 Jahre alt sind und die Eichenhölzer sind noch fest und hart."
Wenn Archäologen bei einer Ausgrabung Holz finden, kann Thomas Frank das Alter des anhand der Jahresringe im Holz bestimmen.
"Die empirische Grenze liegt so bei 50 Jahrringen. Wenn es unter 50 Jahrhinge gibt, ist das Wuchsmuster des Baumes, was wir dann an diesem Abschnitt an Jahrringe sehen, nicht individuell genug und von Zufällen bestimmt, so dass wir das nicht ganz sicher auf unseren Chronologien einhängen können."
Regionale Wissenschaft
Ist die Holzprobe jedoch groß genug, dann ist die Altersbestimmung kein Problem.
"Wenn Sie ein Stück Holz in eine Synchronlage zum Jahrringkalender gebracht haben und wissen, wo es anfängt und aufhört, dann haben sie eine jahrgenaue Datierung der Jahrringe und sie können von jedem Jahrring sagen: das ist 1723, 1724 und so weiter."
Das meiste Holz hier stammt aus Nordrhein-Westfalen, denn Dendrochronologie sei eine regionale Wissenschaft, weil die Bäume überall anders wachsen. Eine einzelne Holzprobe zeigt aber nur bedingt, in welchem Jahr ein Haus gebaut wurde. Denn bei Fachwerkhäusern etwa wurde Bauholz häufig wiederverwendet.
"Wir haben, zum Beispiel bei Eichen - Kernholz – den inneren Bereich – dann einen äußeren Splintholzbereich und dann den allerletzten Jahrring, die sogenannte Waldkante. Wenn die noch erhalten ist, dann haben wir das letzte Jahr des Baumes und dann haben wir auch ein Fällungsdatum, was jahrgenau ist."
Gute Schreiner würden heute das Splintholz entfernen, das war früher sicher nicht anders, gibt der Forscher zu bedenken. Thomas Frank führt durch die Regalreihen. Rund 300 Quadratmeter bieten Platz für die Hölzer aus den vergangenen 10.000 Jahren.
"Wir haben von der Gegenwart, übers Mittelalter zurück bis in die Jungsteinzeit hier alles Mögliche liegen….da hinten in diesen Becken, die sie dahinten sehen, in Wasser gelagert. Da sind tatsächlich noch Hölzer, auch von jungsteinzeitlichen Brunnen….sie sehen, das sieht nicht so schön aus, ab und zu müssen wir das Wasser wechseln und frischhalten, aber hier haben wir eben Hölzer im Wasser schwimmen….das gluckert hier noch ein bisschen….so genannte Spaltbohlen."
Probleme bei der Konservierung von Nasshölzern
In der Jungsteinzeit habe es noch keine Sägen gegeben, daher wurde das Holz für Brunnen nur grob gespaltet.
Die Konservierung von Nasshölzern ist eines unserer größten Probleme, denn dafür gibt es immer noch kein Patentrezept.
Daher sei das Dendo-Archiv nicht nur zu Lagerungszwecken gebaut worden, sondern soll auch der Grundlagenforschung dienen.
"Und hier sehen sie jetzt also…Funde von der so genannten Konstantinbrücke."
Die Brücke wurde 310 nach Christus über den Rhein im römischen Köln gebaut.
"Und sie sehen hier noch alte Holzstücke…und sie sehen schon, hier sind teilweise noch feste Bereiche, aber manches ist auch schon sehr weich. Die Brücke hat in etwa auf der Höhe der heutigen Deutzer Brücke gestanden."
Thomas Frank zufolge wird es noch ein paar Monate dauern, bis alle 2.500 Umzugskartons ausgepackt und die Holzproben eingeordnet sind. Wobei bloßes Auspacken untertrieben ist. Manchmal seien da schon große Holzscheiben dabei. Auch Teile alter Brückenpfeiler oder Holzbalken ließen sich manchmal nur schwer wuchten. Daher muss er ab und an auch mit der Säge ran.
Archiv nimmt Gestalt an
"Mittwochs ist immer mein Sägetag, da schwinge ich hier die Kettensäge - in Schutzkleidung natürlich."
Das Archiv soll nicht nur Archäologen und Forschern der Ur- und Frühgeschichte dienen, sondern auch Klimahistorikern. Immer häufiger gebe es Anfragen, etwa zur Rekonstruktion des so genannten Hallstattdesasters, als es zwischen 800 und 400 vor Christus viel Regen gab und bisherige Datierungsmethoden kaum gute Daten liefern. Für ihn sei es kein Problem, Holzproben der vergangenen Jahrtausende herauszusuchen, an denen auch chemische Analysen wie etwa Isotopenuntersuchungen vorgenommen werden können. Das Archiv nimmt langsam Gestalt an.
"Das Ganze wird mit einer Datenbank vernetzt, mit Barcode-Scanner und alles, was man heute an modernen Möglichkeiten hat, um dieses Holzarchiv, was eben 10.000 Jahre zurückreicht, nutzbar zu machen."
Wichtig sei auch, dass nicht nur altes Holz ins Archiv kommt, sondern auch junges. Denn jedes Jahr kommt ein neuer Baumring hinzu und wenn es vor allem im Herbst oder Frühjahr Stürme gibt und alte Bäume umfallen, rückt Thomas Frank schon mal mit der Kettensäge aus, um für das Dendroarchiv neues Material zu sichern.