Wer will, kann mit dem Rückblick auf die legendäre Beat Generation in Paris auch draußen in der Stadt anfangen. In der Rue Gît-le-Coeur, einer kleinen Seitenstraße, nicht weit vom Place Saint-Michel. Am Haus mit der Nummer 9 erinnert eine Gedenktafel an das "Beat Hotel", wo Allen Ginsberg, William S. Burroughs, Brion Gysin und viele andere in den Jahren 1957 bis 1963 lebten. Und wo der Künstler Jean-Jacques Lebel, einer der Kuratoren der Ausstellung, die Protagonisten der "Beat Generation" damals kennenlernte. Er erinnert sich:
"Es war das lausigste und billigste Hotel von Paris. Pro Etage gab es eine Toilette und fürs ganze Haus ein Telefon. Wenn man da anrief, lief Madame Rachou raus und brüllte nach ihren Gästen."
Das Beat Hotel von damals ist heute ein Vier-Sterne-Haus. Im Centre Pompidou aber wurde jetzt Zimmer Nr. 25 wieder aufgebaut. Der Raum, in dem der Beat-Künstler Brion Gysin die "DreamMachine" erfand – eine Stroboskop-Lampe mit mutmaßlich psychedelischer Wirkung. Und wo er zusammen mit William Burroughs die berühmte Cut-up-Collagetechnik für literarische Texte entwickelte. Der Kurator betont die wichtige Stellung der Stadt für die Künstler:
"Die Pariser Zeit war von fundamentaler Bedeutung für die Geschichte der Beat Generation. Und es ist schon sehr merkwürdig, dass vor allem die akademische Forschung in den USA das nie erwähnt. Insofern sehe ich es als eine Art poetische Rache, dass diese Ausstellung jetzt in Paris zu sehen ist."
Eine Reise an die Orte der Beat Generation
Die Stimme von Jack Kerouac – seine "Poetry for the beat generation" - führt in der Ausstellung direkt "On the Road". An den Wänden hängen die grandiosen Reportagebilder des Fotografen Robert Frank aus den 50er-Jahren - Alltagsbeobachtungen aus dem legendären Fotoband "The Americans", Straßenszenen "From the bus". Und wie eine lange Straße erstreckt sich in der Mitte das Originalmanuskript von Kerouacs Roman, der auf Deutsch unter dem Titel "Unterwegs" erschien: 36 Meter lang, vergilbtes Papier, mit der Schreibmaschine dicht beschrieben, ohne Zeilenabstand, und fast ohne Punkt und Komma.
Auch Allen Ginsbergs berühmtes und in den USA anfangs als obszön skandalisiertes Gedicht "Howl" ist zu hören: "Das Geheul", der Sound des Beat-Lebensgefühls zwischen Bewusstseinserweiterung und Wahnsinn, zwischen romantischer Naturmystik und Jazzmusik, Drogen, Sex und real existierendem amerikanischen Kapitalismus der 50er-Jahre. Und vor allem: Rhythmus, Beat, Bewegung ...
Wie eine Reise führt die Ausstellung an die Orte der Beat Generation - von New York über Kalifornien, Mexiko und Marokko bis ins Pariser Beat Hotel. Es ist eine Grenzen und Genres überschreitende Retrospektive auf eine der wohl folgenreichsten kulturellen Bewegungen des 20. Jahrhunderts: Die Vorgeschichte von Underground und Punk, von Popliteratur und Heroin-Chic, von Remix- und Crossover-Kultur. Und vielleicht könnte die Beat Generation ja auch, meint der alte Beatnik Jean-Jacques Lebel, Inspiration sein für die desillusionierten neuen Generationen von heute:
"Es gibt überall doch nur noch Blut, Massaker, Schrecken. Krieg und Brutalität sind eine Art Normalzustand geworden. Die Beat Generation mit ihrer entschieden anti-militaristischen Poesie, ihrem Internationalismus und Anti-Nationalismus, ihrer Vision eines kollektiven Unbewussten - diese kreative, rebellische, subversive Beat Generation kann da vielleicht ein wenig Hoffnung geben."