
"Ich hab nur gesehen, wie einer von diesen schwarzen SS Leuten dem Amerikaner Fußtritte verpasste und ihm ins Gesicht boxte. Der hat sich nicht gewehrt. Und wie er dann am Boden lag, zog der eine von diesen Männern plötzlich die Pistole raus und schoss ihm in den Kopf."
Der damals zwölfjährige Carl Josef Lütkens war Zeuge dieses Kriegsverbrechens, begangen zu Beginn der am 16. Dezember 1944 einsetzenden Ardennen-Offensive. Zu den angreifenden deutschen Verbänden gehörte auch die sogenannte Kampfgruppe Peiper, benannt nach ihrem Anführer, dem SS-Obersturmbannführer Joachim Peiper. Der fanatische Nazi hatte bereits diverse Kriegsverbrechen begangen. Über das, was er und seine Männer am 17. Dezember 1944 auf einer Straßenkreuzung in der Nähe des belgischen Malmedy anrichteten, hieß es in einer ersten Pressemeldung:
"Schlammverdreckte und zitternde Überlebende, die vor Wut weinten, berichteten heute, dass deutsche Panzersoldaten amerikanische Gefangene, die auf ein offenes Feld getrieben worden waren, mit Maschinengewehren niedergeschossen haben."
Die Deutschen vermeintlich "nur pubertäre Halbstarke"
Mit dieser knappen Meldung berichtete Associated Press am Tag des Geschehens über das Massaker von Malmedy. Dabei soll laut Zeugenaussagen unter den Gefangenen, eine unheilvolle Stimmung geherrscht haben. Corporal George L. Fox, einer der Überlebenden, hatte dennoch keine Angst, wie er später berichtete:
"Die Deutschen, das waren in meinen Augen doch nur pubertäre Halbstarke, die uns dort auf dem Feld bewachten. Dass es sich um SS-Truppen handelte, war mir nicht bewußt – dass es da Unterschiede gab, war uns auch nie gesagt worden, es waren eben die Deutschen."
"Die Deutschen, das waren in meinen Augen doch nur pubertäre Halbstarke, die uns dort auf dem Feld bewachten. Dass es sich um SS-Truppen handelte, war mir nicht bewußt – dass es da Unterschiede gab, war uns auch nie gesagt worden, es waren eben die Deutschen."
Verwundete erhielten Kopfschüsse
Über 80 US-Soldaten starben auf Peipers Befehl. Noch auf Flüchtende wurde gefeuert, Verwundete erhielten Kopfschüsse, und die Toten ließ man im Schnee liegen. Kurz darauf war die Ardennen-Offensive Geschichte. Aber die Erinnerung an das Massaker und die in dessen Umfeld begangenen Kriegsverbrechen blieb bei den amerikanischen Verantwortlichen ebenso lebendig wie ihr Wunsch nach Bestrafung der Täter.
Eine illustre Schar von Kriegsverbrecher-Lobbyisten
Im Malmedy-Prozess standen ab dem 16. Mai 1946 alle Kriegsverbrechen der Peiper-Truppe zur Verhandlung, auch die Morde an insgesamt 130 Zivilisten. Der Prozess war einer von fast 500 Militärgerichtsprozessen der US-Armee zwischen 1945 und 1948, die im einstigen Konzentrationslager Dachau gegen deutsche Angeklagte geführt worden sind. Zwei Monate nach Prozessbeginn ergingen die Urteile.
Von den 74 Angeklagten wurden 43 zum Tode verurteilt, darunter auch Peiper, die anderen zu teils lebenslangen Haftstrafen. Doch hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine illustre Schar von Kriegsverbrecher-Lobbyisten gebildet. Getragen von namhaften Vertretern der Kirchen, der Politik und Wirtschaft und einem Netzwerk alter SS-Kameraden, sahen sie es als ihre Aufgabe an, eine Amnestie für die angeblich zu Unrecht Verurteilten zu erwirken. Der Militärhistoriker Jens Westemeier hielt dazu in seiner Studie zu Peipers Verbrechen fest:
"Den Interessenvertretern der SS gelang es, mit Geschichtsklitterung den Malmedy-Prozess mit einem Opfermythos zu umgeben. In den Publikationen der Veteranen war von Anfang an von systematischer Folter während der Voruntersuchung die Rede und von einem Schauprozess, in dem deutsche Kriegsverbrechen erfunden worden seien."
"Den Interessenvertretern der SS gelang es, mit Geschichtsklitterung den Malmedy-Prozess mit einem Opfermythos zu umgeben. In den Publikationen der Veteranen war von Anfang an von systematischer Folter während der Voruntersuchung die Rede und von einem Schauprozess, in dem deutsche Kriegsverbrechen erfunden worden seien."
SS-Obersturmbannführer Peiper entging dem Strang
Der Foltervorwurf konnte zwar schnell entkräftet werden. Doch gab es immer noch antisemitische Anfeindungen gegen einige der Untersuchungsbeamten. Sie waren einst als Juden zur Flucht aus Deutschland gezwungen worden – weshalb ihnen nun ein "Rachefeldzug" gegen vorgeblich unbescholtene Waffen-SS Soldaten unterstellt wurde. Derlei Infamien halfen, die Umwandlungen der Todesurteile in lebenslange Haftstrafen zu erreichen. Auch Peiper profitierte davon, er wurde am 31. Januar 1951 zu lebenslänglicher Haft begnadigt. In seinem Gnadenakt charakterisierte General Thomas Troy Handy, Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Streitkräfte in Europa, die für ihn trotz allem feststehende Täterschaft Peipers so:
"Die genaue Kenntnis der Umstände würden jeden davon überzeugen, daß die Tötung von Kriegsgefangenen an so vielen verschiedenen Orten ohne Peipers Wissen und ohne seine Einwilligung, ja sogar ohne die treibende Kraft seiner Persönlichkeit nicht möglich gewesen wäre."
Kurz vor Weihnachten 1956 wurde Peiper schließlich vorzeitig aus der Haft entlassen. Die Legende vom angeblichen Heldentum Peipers und die Leugnung seiner Kriegsverbrechen leben fort und finden bis heute, vor allem in rechtsradikalen Geschichtsverdrehungen, ihren Niederschlag.