Das wiederum schreibt Gerhard Paul in dem Band "Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts", den Bernhard Chiari, Matthias Rogg und Wolfgang Schmidt im Oldenbourg Verlag herausgegeben haben. Ein Band, der zeigt, dass der Kriegsfilm trotz seines Angebots unterschiedlicher Rezeptionsmöglichkeiten der Analyse durchaus zugänglich ist. Klaus Kreimeier:
Die Wirklichkeit des Krieges war immer schon, für die unmittelbar wie die mittelbar Betroffenen, auch Medienwirklichkeit. Was im antiken Drama die Mauerschau als Blick auf ein imaginiertes Schlachtfeld und früher Service für das zuschauende Publikum geleistet hat, setzte sich fort im mündlichen Bericht, in Mythos und Legende, in der Literatur und in den Künsten, in der Dokumentation und in der Reportage - schließlich, mit den technischen Medien des 19. und 20. Jahrhunderts, in der Fotografie, im Film, im Radio und in der Television. Stets ging es dabei - in je unterschiedlichen sozialen und kulturellen Kontexten - um Veranschaulichung, aber auch um Propaganda, um die Komplexität unserer sinnlichen Erfahrung, um die Arbeit unserer Gefühle und unserer Erinnerung, letztlich um unser Verhältnis zu den Blutspuren der Geschichte und zur eigenen unfriedlichen Gegenwart.
Kriegsgeschichte war somit immer auch Mediengeschichte, doch erst mit einem modernen, technologiegestützten Medienbegriff rückte diese enge Beziehung ins Blickfeld, wurde sie zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung und wiederum medial betriebener Reflexion. Bezeichnenderweise gab dazu die Geschichte der Kinematographie einen wesentlichen Anstoß, während wir längst - in einer merkwürdigen Mischung aus Kriegsmüdigkeit und Bilderfaszination - vor dem Fernseher sitzen oder im Internet nach den neuesten Flash-Animationen von den aktuellen Kriegsschauplätzen fahnden.
Als 1984 in Frankreich, zwei Jahre später auch in Deutschland, Paul Virilios Buch "Krieg und Kino" erschien, begann ein noch heute anhaltender, zum Teil hard ware-fixierter Diskurs über die "Logistik der Wahrnehmung", über die innige Verflechtung von Militär- und Medientechnologie. Und seitdem die Information als entscheidende Software moderner Kriegsführung erkannt wurde, beleben "information warfare", elektronische Echtzeit-Übertragung und das Videobild "aus dem Auge der Bombe" auch die Diskussionen im Feuilleton. Dabei wird die "Modellierung des Unmodellierbaren" - wie der Marburger Medienwissenschaftler Karl Prümm jegliche Kriegsdarstellung genannt hat - um so problematischer, je avancierter das technische Instrumentarium ist, über das sie verfügt.
Doch schon die Geschichte des Kriegsfilms ist eine Geschichte elliptischen Erzählens und elliptischer Erinnerung, die von der Aussparung und der Ästhetisierung lebt: von der Ausgrenzung der furchtbaren Materialität und Kreatürlichkeit des Todes - oder ihrer ästhetischen Überhöhung und Entrückung in eine Sphäre, in der sich unsere Wahrnehmung nicht mehr auf die unerträgliche Realität bezieht. Von "The Birth of a Nation" von David Wark Griffith, dem ersten spektakulären Kriegsfilm der Filmgeschichte aus dem Jahre 1915, bis Francis Coppolas Vietnamkriegsfilm "Apocalypse Now" belegt eine dichte Beispielkette dieses Scheitern in seinen vielfältigen Varianten. "Der Film" - so artikuliert es der Historiker Gerhard Paul - "formte das katastrophisch-chaotische Urereignis des Krieges zu einem zivilisatorischen Akt um und verpasste ihm eine visuelle narrative und moralische Ordnung, die der Krieg per se nicht besitzt. Auf diese Weise trägt der Kriegsfilm zur immer wieder neuen Illusion der Planbarkeit von Kriegen bei."
Gerhard Paul steuerte den einführenden Essay zu einem umfänglichen, ja nachgerade enzyklopädischen Werk bei, das - herausgegeben im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes in Potsdam und in seiner Reihe "Beiträge zur Militärgeschichte" erschienen - unter dem Titel "Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts" den derzeitigen Forschungsstand zusammenfassen will. Für die klassische Militärhistoriographie vollzieht sich damit ein Paradigmenwechsel, der von den Herausgebern in der Einleitung programmatisch formuliert wird: "Den Betrachtungen", so heißt es dort, "liegt die Feststellung zugrunde, dass sich die moderne Militärgeschichte endgültig von der traditionellen, applikatorischen Kriegsgeschichte verabschiedet und klassische Felder wie die Operationsgeschichte um neue Fragestellungen ergänzt und wesentlich erweitert hat." Mit anderen Worten: Die Kriegshistoriker wenden sich nunmehr entschlossen den kulturellen, sozialen und sozialpsychologischen Kontexten zu - von der Analyse des Schlieffen-Plans oder der Schlacht im Skagerak hin zur wissenschaftlichen Interdisziplinarität.
Wie es inzwischen guter akademischer Brauch ist, traf man sich zunächst auf einer Tagung: Mitarbeiter des Forschungsamtes, überwiegend höhere Offiziere mit Doktorgrad, hatten im November 2001 mehr als 60 Medien- und Geisteswissenschaftler nach Potsdam geladen, um sich kundig zu machen und die Varianzbreite der Fragestellungen, aber auch der möglichen Antworten zu ermitteln. Aus der Begegnung entstand der voluminöse Band - kein abschließendes, auf Lückenlosigkeit bedachtes Werk, aber als Gesamtüberblick ein großer Wurf, Ermunterung für die weitere Forschung und für die medienhistorische Kanonbildung ein Gewinn.
Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts: Die Perspektive der hier versammelten Forschungen focussiert deutsche Verhältnisse, aber über die Bedeutung des internationalen Rahmens ist man sich klar. Im ersten großen Abschnitt werden zunächst die Großmächte des vergangenen Jahrhunderts behandelt, die USA und die Sowjetunion - Stereotypen wie Gewalt, Krieg und Nation, deren filmische Verarbeitung nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition, politisch determinierte Bedeutungsverschiebungen und die Sicht auf den jeweils anderen unter den Koordinaten des Kalten Kriegs.
Danach spannt sich ein großer Bogen von den Filmen des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik über die Propaganda im Nationalsozialismus bis zu Krieg und Militär im deutschen Nachkriegsfilm. Dabei fällt auf, dass der Abschnitt über den Nationalsozialismus in vier Kapiteln ausschließlich Filme über die Luftwaffe thematisiert. Die "neue Waffengattung" spielte in der NS-Filmpropaganda zwar eine besondere Rolle, das Projekt der "Kriegsertüchtigung" mit den Mitteln des Films schloss jedoch die Marine und das Heer keineswegs aus. Die Gewichte innerhalb des Bandes sind ungleich verteilt, was wenig überrascht: Der Abschnitt über den Kriegsfilm nach 1945 - mit rund 200 Seiten umfasst er nahezu ein Drittel des Buches - muss sich dem westdeutschen Kino der 50er und 60er Jahre ebenso wie der "offiziellen Erinnerungskultur" und der Propaganda für die Nationale Volksarmee in der DDR widmen.
Von besonderem Wert für den Leser wie für den wissenschaftlichen Nutzer des Buches ist ein den historischen Untersuchungen vorangestellter Abschnitt, der sich in drei Schritten dem interdisziplinären Feld der Kriegsfilmforschung nähert und vor allem den "konservativen", gegenüber visuellen Quellen noch immer misstrauischen Historiker mit den aktuellen Methodologien vertraut macht. Günter Riederer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Literaturarchiv in Marbach, gibt hier einen prägnanten Überblick über die Vielfalt der Ansätze filmhistorischen und filmanalytischen Arbeitens; die Kulturwissenschaftler Ulrich Fröschle und Helmut Mottel werfen medientheoretische und bewusstseinsgeschichtliche Fragen im Kontext der Filmgeschichte auf und führen eine Fallstudie am Beispiel von "Apocalypse Now" durch; der Medienwissenschaftler Clemens Schwender schließlich öffnet über ein "evolutionspsychologisches Verständnis von Kriegsfilmen" der Rezeptionsforschung ein interessantes Feld.
Diese Texte leisten eine wichtige theoretische Grundlegung. Sie räumen mit antiquierten Modellen einer Medienwirkungsforschung auf, die Filmrezeption noch immer eindimensional und mechanisch an die Propaganda- oder Manipulationskonzepte der Produktionsinstanzen koppeln, und stellen den Anschluss an aktuelle konstruktivistische und intertextuelle Forschungsansätze her.
Somit erlaubt der Band den Fachwissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen, sich mit Hilfe fundierter Texte über benachbarte Wissensfelder zu orientieren. Zugleich gewährt er dem wissenschaftlich nicht spezialisierten, an der Materie jedoch interessierten Leser mancherlei Interpretationshilfen für den Einstieg in den historischen Hauptteil: deutsche Kriegsfilmgeschichte von der ersten Filmwochenschau des Jahres 1914 über den nationalsozialistischen Spiel- und Kulturfilm bis zum Armeefilmstudio der Nationalen Volksarmee. Insgesamt 16 Texte aus der Feder überwiegend jüngerer Kultur- und Filmwissenschaftler fügen sich hier zu einem Gesamtbild, das dem gegenwärtigen Forschungsstand gerecht wird, selbst wenn - wie im Fall des nationalsozialistischen Films - nicht alle Teilaspekte behandelt werden konnten. Ein gewisses Übergewicht haben die Spielfilme gegenüber den vielfältigen dokumentarischen oder para-dokumentarischen Filmformen - eine Perspektive, die allerdings der bis vor kurzem noch defizitären Forschungslage im Bereich der Wochenschau und des Kulturfilms geschuldet ist. Allen Aufsätzen ist eine umfangreiche Fachbibliographie beigefügt, den historischen Beiträgen auch jeweils eine gut recherchierte Filmographie. Der Band ist ansprechend illustriert; Film- und Personenregister ermöglichen auch seine lexikalische Nutzung. Leider fehlt ein enverzeichnis.
Klaus Kreimeier über "Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts." Der Band wird herausgegeben von Bernhard Chiari, Matthias Rogg und Wolfgang Schmidt. Er ist erschienen in der Schriftenreihe des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Oldenbourg Verlag München, 654 Seiten, 19,90 Euro.
Die Wirklichkeit des Krieges war immer schon, für die unmittelbar wie die mittelbar Betroffenen, auch Medienwirklichkeit. Was im antiken Drama die Mauerschau als Blick auf ein imaginiertes Schlachtfeld und früher Service für das zuschauende Publikum geleistet hat, setzte sich fort im mündlichen Bericht, in Mythos und Legende, in der Literatur und in den Künsten, in der Dokumentation und in der Reportage - schließlich, mit den technischen Medien des 19. und 20. Jahrhunderts, in der Fotografie, im Film, im Radio und in der Television. Stets ging es dabei - in je unterschiedlichen sozialen und kulturellen Kontexten - um Veranschaulichung, aber auch um Propaganda, um die Komplexität unserer sinnlichen Erfahrung, um die Arbeit unserer Gefühle und unserer Erinnerung, letztlich um unser Verhältnis zu den Blutspuren der Geschichte und zur eigenen unfriedlichen Gegenwart.
Kriegsgeschichte war somit immer auch Mediengeschichte, doch erst mit einem modernen, technologiegestützten Medienbegriff rückte diese enge Beziehung ins Blickfeld, wurde sie zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung und wiederum medial betriebener Reflexion. Bezeichnenderweise gab dazu die Geschichte der Kinematographie einen wesentlichen Anstoß, während wir längst - in einer merkwürdigen Mischung aus Kriegsmüdigkeit und Bilderfaszination - vor dem Fernseher sitzen oder im Internet nach den neuesten Flash-Animationen von den aktuellen Kriegsschauplätzen fahnden.
Als 1984 in Frankreich, zwei Jahre später auch in Deutschland, Paul Virilios Buch "Krieg und Kino" erschien, begann ein noch heute anhaltender, zum Teil hard ware-fixierter Diskurs über die "Logistik der Wahrnehmung", über die innige Verflechtung von Militär- und Medientechnologie. Und seitdem die Information als entscheidende Software moderner Kriegsführung erkannt wurde, beleben "information warfare", elektronische Echtzeit-Übertragung und das Videobild "aus dem Auge der Bombe" auch die Diskussionen im Feuilleton. Dabei wird die "Modellierung des Unmodellierbaren" - wie der Marburger Medienwissenschaftler Karl Prümm jegliche Kriegsdarstellung genannt hat - um so problematischer, je avancierter das technische Instrumentarium ist, über das sie verfügt.
Doch schon die Geschichte des Kriegsfilms ist eine Geschichte elliptischen Erzählens und elliptischer Erinnerung, die von der Aussparung und der Ästhetisierung lebt: von der Ausgrenzung der furchtbaren Materialität und Kreatürlichkeit des Todes - oder ihrer ästhetischen Überhöhung und Entrückung in eine Sphäre, in der sich unsere Wahrnehmung nicht mehr auf die unerträgliche Realität bezieht. Von "The Birth of a Nation" von David Wark Griffith, dem ersten spektakulären Kriegsfilm der Filmgeschichte aus dem Jahre 1915, bis Francis Coppolas Vietnamkriegsfilm "Apocalypse Now" belegt eine dichte Beispielkette dieses Scheitern in seinen vielfältigen Varianten. "Der Film" - so artikuliert es der Historiker Gerhard Paul - "formte das katastrophisch-chaotische Urereignis des Krieges zu einem zivilisatorischen Akt um und verpasste ihm eine visuelle narrative und moralische Ordnung, die der Krieg per se nicht besitzt. Auf diese Weise trägt der Kriegsfilm zur immer wieder neuen Illusion der Planbarkeit von Kriegen bei."
Gerhard Paul steuerte den einführenden Essay zu einem umfänglichen, ja nachgerade enzyklopädischen Werk bei, das - herausgegeben im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes in Potsdam und in seiner Reihe "Beiträge zur Militärgeschichte" erschienen - unter dem Titel "Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts" den derzeitigen Forschungsstand zusammenfassen will. Für die klassische Militärhistoriographie vollzieht sich damit ein Paradigmenwechsel, der von den Herausgebern in der Einleitung programmatisch formuliert wird: "Den Betrachtungen", so heißt es dort, "liegt die Feststellung zugrunde, dass sich die moderne Militärgeschichte endgültig von der traditionellen, applikatorischen Kriegsgeschichte verabschiedet und klassische Felder wie die Operationsgeschichte um neue Fragestellungen ergänzt und wesentlich erweitert hat." Mit anderen Worten: Die Kriegshistoriker wenden sich nunmehr entschlossen den kulturellen, sozialen und sozialpsychologischen Kontexten zu - von der Analyse des Schlieffen-Plans oder der Schlacht im Skagerak hin zur wissenschaftlichen Interdisziplinarität.
Wie es inzwischen guter akademischer Brauch ist, traf man sich zunächst auf einer Tagung: Mitarbeiter des Forschungsamtes, überwiegend höhere Offiziere mit Doktorgrad, hatten im November 2001 mehr als 60 Medien- und Geisteswissenschaftler nach Potsdam geladen, um sich kundig zu machen und die Varianzbreite der Fragestellungen, aber auch der möglichen Antworten zu ermitteln. Aus der Begegnung entstand der voluminöse Band - kein abschließendes, auf Lückenlosigkeit bedachtes Werk, aber als Gesamtüberblick ein großer Wurf, Ermunterung für die weitere Forschung und für die medienhistorische Kanonbildung ein Gewinn.
Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts: Die Perspektive der hier versammelten Forschungen focussiert deutsche Verhältnisse, aber über die Bedeutung des internationalen Rahmens ist man sich klar. Im ersten großen Abschnitt werden zunächst die Großmächte des vergangenen Jahrhunderts behandelt, die USA und die Sowjetunion - Stereotypen wie Gewalt, Krieg und Nation, deren filmische Verarbeitung nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition, politisch determinierte Bedeutungsverschiebungen und die Sicht auf den jeweils anderen unter den Koordinaten des Kalten Kriegs.
Danach spannt sich ein großer Bogen von den Filmen des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik über die Propaganda im Nationalsozialismus bis zu Krieg und Militär im deutschen Nachkriegsfilm. Dabei fällt auf, dass der Abschnitt über den Nationalsozialismus in vier Kapiteln ausschließlich Filme über die Luftwaffe thematisiert. Die "neue Waffengattung" spielte in der NS-Filmpropaganda zwar eine besondere Rolle, das Projekt der "Kriegsertüchtigung" mit den Mitteln des Films schloss jedoch die Marine und das Heer keineswegs aus. Die Gewichte innerhalb des Bandes sind ungleich verteilt, was wenig überrascht: Der Abschnitt über den Kriegsfilm nach 1945 - mit rund 200 Seiten umfasst er nahezu ein Drittel des Buches - muss sich dem westdeutschen Kino der 50er und 60er Jahre ebenso wie der "offiziellen Erinnerungskultur" und der Propaganda für die Nationale Volksarmee in der DDR widmen.
Von besonderem Wert für den Leser wie für den wissenschaftlichen Nutzer des Buches ist ein den historischen Untersuchungen vorangestellter Abschnitt, der sich in drei Schritten dem interdisziplinären Feld der Kriegsfilmforschung nähert und vor allem den "konservativen", gegenüber visuellen Quellen noch immer misstrauischen Historiker mit den aktuellen Methodologien vertraut macht. Günter Riederer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Literaturarchiv in Marbach, gibt hier einen prägnanten Überblick über die Vielfalt der Ansätze filmhistorischen und filmanalytischen Arbeitens; die Kulturwissenschaftler Ulrich Fröschle und Helmut Mottel werfen medientheoretische und bewusstseinsgeschichtliche Fragen im Kontext der Filmgeschichte auf und führen eine Fallstudie am Beispiel von "Apocalypse Now" durch; der Medienwissenschaftler Clemens Schwender schließlich öffnet über ein "evolutionspsychologisches Verständnis von Kriegsfilmen" der Rezeptionsforschung ein interessantes Feld.
Diese Texte leisten eine wichtige theoretische Grundlegung. Sie räumen mit antiquierten Modellen einer Medienwirkungsforschung auf, die Filmrezeption noch immer eindimensional und mechanisch an die Propaganda- oder Manipulationskonzepte der Produktionsinstanzen koppeln, und stellen den Anschluss an aktuelle konstruktivistische und intertextuelle Forschungsansätze her.
Somit erlaubt der Band den Fachwissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen, sich mit Hilfe fundierter Texte über benachbarte Wissensfelder zu orientieren. Zugleich gewährt er dem wissenschaftlich nicht spezialisierten, an der Materie jedoch interessierten Leser mancherlei Interpretationshilfen für den Einstieg in den historischen Hauptteil: deutsche Kriegsfilmgeschichte von der ersten Filmwochenschau des Jahres 1914 über den nationalsozialistischen Spiel- und Kulturfilm bis zum Armeefilmstudio der Nationalen Volksarmee. Insgesamt 16 Texte aus der Feder überwiegend jüngerer Kultur- und Filmwissenschaftler fügen sich hier zu einem Gesamtbild, das dem gegenwärtigen Forschungsstand gerecht wird, selbst wenn - wie im Fall des nationalsozialistischen Films - nicht alle Teilaspekte behandelt werden konnten. Ein gewisses Übergewicht haben die Spielfilme gegenüber den vielfältigen dokumentarischen oder para-dokumentarischen Filmformen - eine Perspektive, die allerdings der bis vor kurzem noch defizitären Forschungslage im Bereich der Wochenschau und des Kulturfilms geschuldet ist. Allen Aufsätzen ist eine umfangreiche Fachbibliographie beigefügt, den historischen Beiträgen auch jeweils eine gut recherchierte Filmographie. Der Band ist ansprechend illustriert; Film- und Personenregister ermöglichen auch seine lexikalische Nutzung. Leider fehlt ein enverzeichnis.
Klaus Kreimeier über "Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts." Der Band wird herausgegeben von Bernhard Chiari, Matthias Rogg und Wolfgang Schmidt. Er ist erschienen in der Schriftenreihe des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Oldenbourg Verlag München, 654 Seiten, 19,90 Euro.