"Hallo, hallo."
Thomas Schütte, Wollmantel, warmer Pulli, Schal, wartet mit Zigarette in der Hand.
"Ich habe extra gesagt, die sollen Sie über den Matsch tragen." - "Es geht, ich habe mir robustere Schuhe angezogen."
Der Künstler diskutiert gerade mit seinem Architekten Heinrich Heinemann über Baumängel in den Waschräumen. Die Spiegel wurden falsch eingesetzt.
"Ein unwesentliches Problem: Leider sind die Spiegel zu dünn und nicht bündig reingeklebt, leider müssen wir alle wieder rauskloppen und neu reinmachen."
Die Skulpturenhalle ist eine weitere Attraktion auf der Museumsinsel Hombroich, zu der neben der Auenlandschaft mit ihren Ausstellungspavillons auch die Raketenstation und die Langen Foundation gehören.
An sonnigen Tagen wie heute taucht die Skulpturenhalle schon von Weitem gut sichtbar zwischen den braunen Rübenackern auf. Sie erinnert an eine Mischung aus futuristischem landwirtschaftlichen Gebäude und einem eleganten Messepavillon der 50er-Jahre. Prägnant ist das Dach, das sich zur Mitte hin senkt.
"Die Grundidee war eine Streichholzschachte mit einen Pringelschild draufgelegt. Hängende Dächer, Dächer, die durchhängen gibt es nicht viel. In Brasilia gibt es das wohl."
Ein Experte für Raum
Thomas Schütte ist nicht nur ein weltweit bekannter Bildhauer, er beschäftigt sich auch schon seit den 80er-Jahren intensiv mit Fragen der Architektur. Für die "documenta 8" ließ er einen Eispavillon in die Karlsauen bauen. Fünf seiner Modelle für Ferienhäuser wurden realisiert.
Berühmt ist das sogenannte "Ferienhaus für Terroristen" in Tirol, das auf Basis einer seiner Modelle entstand. Es bietet Möglichkeit zum Wohnen und zum Ausstellen. Als Bildhauer ist Thomas Schütte ein Experte für Raum.
Auch in der Skulpturenhalle Neuss fällt dem Besucher sofort auf, wie viel Wert der Künstler auf das Zusammenspiel von innen und außen, Form und Inhalt, Materialwahl und handwerklicher Perfektion legt.
Auch in der Skulpturenhalle Neuss fällt dem Besucher sofort auf, wie viel Wert der Künstler auf das Zusammenspiel von innen und außen, Form und Inhalt, Materialwahl und handwerklicher Perfektion legt.
"Sollen wir reingehen, hier ist auch geheizt."
Gut 700 Quadratmeter misst die Halle. Zur Einweihung am 10. April sollen keine Skulpturen von Thomas Schütte, sondern von dem bereits verstorbenen Arte-Povera-Künstler Mario Merz zu sehen sein.
Große Fenster geben den Blick auf die umliegenden Felder und Wälder frei. Und sie lassen viel Tageslicht in die ovale Halle mit ihren kargen Wänden herein.
Große Fenster geben den Blick auf die umliegenden Felder und Wälder frei. Und sie lassen viel Tageslicht in die ovale Halle mit ihren kargen Wänden herein.
"Hier sind Betonwände, oval, die sind ein bisschen retuschiert, aber unheimlich gut gegossen. Die Halle ist nur für Skulpturen. Hier hundert Löcher reinbohren, Bilderchen aufhängen, das machen wir nicht.
Das, was hier fehlt, ist eine große Halle, die haben hier viele Räume auf der Raketenstation und Hombroich, aber eher weiße Kuben. Bildchen, Foto, Video - interessiert mich nicht so, aber für Skulpturen ist das gedacht."
Das, was hier fehlt, ist eine große Halle, die haben hier viele Räume auf der Raketenstation und Hombroich, aber eher weiße Kuben. Bildchen, Foto, Video - interessiert mich nicht so, aber für Skulpturen ist das gedacht."
Drei Jahre Planung
In der Mitte der Halle öffnet sich ein kleinerer ovaler Ausstellungsraum. Thomas Schütte nennt ihn augenzwinkernd "Die Kapelle". Dort darf Kunst auch an die Wand gehängt werden. Drei Jahre dauerte die Planungszeit für die Skulpturenhalle. Sieben Modelle hat Thomas Schütte insgesamt angefertigt und am Ende der Entwurfsphase das Düsseldorfer Architekturbüro RKW mit der Umsetzung beauftragt.
"Jetzt gehen wir mal in den Keller, vielleicht können wir gar nicht durch, weil die da den Boden gießen."
Die Skulpturenhalle besteht nicht nur aus einer Ausstellungshalle, sondern auch aus einem Büro für Kuratoren, aus einem Ticketschalter, einer Bibliothek und vor allem aus einem gigantischen Depot im Untergeschoss. Noch ist es leer und erinnert an eine Tiefgarage: Betonboden und kahle Wände. Nur die Decke ist viel höher, damit hier auch die großen Skulpturen reinpassen.
"Das war eigentlich der Ausgangspunkt: Wohin mit dem Zeugs, wenn man tot ist. Man kann es ja nicht einfach den Kindern hinkippen. Kunstlager kosten so viel wie eine Wohnung. Unversichert. Und wenn man 500 Quadratmeter braucht, da kommen unheimliche Summen zustande, wenn man sich nicht drum kümmert. Deshalb haben wir einen Lagerkeller, wo wir alles reinkriegen, was mir gehört und was der Stiftung gehört."
Eine Stiftugn für den Nachlass
Die Stiftung, die Thomas Schütte gegründet hat, um das Museum zu betreiben, soll sich später einmal um seinen Nachlass kümmern. Solange er lebt, bezahlt er Miete für die Lagerung seiner eigenen Kunstwerke. Und das sind einige. Thomas Schütte hat es sich nämlich zur Maxime gemacht, nur ein Viertel seiner Kunstproduktion zu verkaufen. Erstens weil er – wie er selbst sagt - längst genug Geld verdient hat, und zweitens, weil er sich über die hohen Leihgebühren der Sammler ärgert, wenn sie die Skulpturen für Museumsausstellungen hergeben sollen. Dann schickten sie Privatkuriere, verlangten hohe Versicherungssummen, flögen Businessclass zur Eröffnung. Alles viel zu teuer.
"Seit Jahren sage ich vielen Sammlern, nee, verkaufen ist ein ganz schlechtes Geschäft. Da macht ihr den Gewinn, dann kann ich keine Ausstellung mehr machen. Wenn ich das behalte, kann ich Ausstellungen machen. Weil kein Museum kann sich mehr die teuren Transporte leisten. Deswegen konnte ich in letzter Zeit so viele Ausstellungen mache, weil das fast alles von mir war oder neu von mir gemacht worden ist."
Kein Lichtschalter, keine Steckdose wurde angebracht, ohne dass Thomas Schütte sie vorher begutachtet hätte. Auf unserem Rundgang diskutiert er immer wieder zwischendurch mit den Handwerkern.
"Wir müssen hier was improvisieren. Bohren, dafür legen wir die Bohle rüber. Narrensicher machen. – "Danke, tschüss."
Die Ausstellungshalle von Thomas Schütte ist nicht nur Museum und Depot, sondern auch selbst eine Skulptur. Ein Kunstwerk, in dem Kunstwerke ausgestellt werden.