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Bildungssystem in Ägypten
Deutschland als Vorbild

Bildung ist eine Währung: In Ägypten glaubt man vor allem an die Qualität des deutschen Bildungssystems. Viele erhoffen sich für ihre Kinder eine bessere Perspektive. Der Ansturm auf deutsche Schulen und Universitäten in Kairo ist so groß, dass einige Einrichtungen 80 Prozent der Bewerber wieder abweisen müssen.

Von Anna Osius |
    Arbeiter tragen Topfpflanzen am Auditorium der Deutschen Universität in Kairo am vorbei.
    Die German University Cairo, kurz GUC: Sie war die erste deutsche Hochschule im Ausland. (dpa/picture alliance/epa Nelson)
    Große Pause an der Deutschen Evangelischen Oberschule, kurz Deo – mitten in Kairo. Sie ist eine der renommiertesten Schulen Ägyptens. Seit Generationen setzen Ägypter auf deutsche Bildung für ihre Kinder – in der Hoffnung, dass diese damit bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben oder irgendwann man nach Deutschland gehen können. So auch bei Halia, einer Schülerin aus der Oberstufe.
    "Meine Mutter war auch hier an der Schule und meine Tante und mein Onkel. Mein Bruder hat letztes Jahr Abitur gemacht und studiert jetzt in München.
    Thomas Schöder-Klementa leitet die DEO. 1200 Schüler werden heute hier unterrichtet – vom Kindergarten bis zum Abitur, nach deutschem System. Die Unterrichtssprache ist ausschließlich Deutsch. Ein Großteil der Schüler sind ägyptische Kinder. 80 Prozent der Absolventen der DEO in Kairo studierten später in Deutschland oder in Österreich, erzählt der Schulleiter.
    "Der deutsche Staat und das Auswärtige Amt und die Regierung haben ein großes Interesse daran, gute ägyptische junge Leute gut auszubilden.
    Enormer Ansturm auf deutsche Schule
    Damit sie später mit ihrem Know-how wieder ihr Heimatland bereichern können. Und damit zur Stabilisierung Ägyptens beitragen. Ein groß angelegtes Entwicklungsprogramm?
    "Ich würde das nicht Entwicklungsprogramm nennen. Wir wollen die deutsche Kultur jungen Leuten vermitteln – das ist Völker verbindend."
    Der Ansturm auf die Schule ist enorm: Jedes Jahr bewerben sich hunderte Elternpaare um die Aufnahme ihrer Kinder in den Vorschul-Kindergarten, viele vergeblich. Es gibt richtige Aufnahmeprüfungen für die gerade mal 4-jährigen Kinder.
    "Sie legen da den Finger auf die Wunde, denn 80 Prozent der Anmeldungen werden leider abgewiesen.Welcher Pädagoge macht das schon gerne, so kleine Kinder dann nicht aufzunehmen. Das ist sehr sehr unangenehm."
    Doch noch größer könne die Schule einfach nicht werden, argumentiert der Schuldirektor.
    Damit die Kinder an einer der deutschen Schule angenommen werden, fangen die ägyptischen Eltern früh mit der deutschen Bildung an. Es gibt zahlreiche deutschsprachige Kindergärten. So wie die Kita "Mein Haus" mitten in Kairo.
    Dina Koura, selbst Ägypterin und Absolventin der deutschen Schule, übt hier schon mit Kleinkindern die deutsche Sprache.
    "Wir versuchen das alles den Kindern spielerisch beizubringen. Und wir versuchen bestimmte Schlüsselqualifikationen den Kindern auch beizubringen wie Kreativität, wie Kompetenz, wie Selbstständigkeit."
    "Ich darf kritisieren!"
    Das sei ein großer Vorteil des deutschen Bildungssystems im Vergleich zu anderen, sagt sie: Die Erziehung zu einer kritischen, selbst denkenden Persönlichkeit.
    "Ich kann mich ganz gut daran erinnern – das war in der ersten Klasse und wir durften unsere Schule kritisieren. So bin ich also aufgewachsen: Ich darf kritisieren! Ich darf kritisieren!"
    "Ich heiße Abdel Rahman", "ich heiße Selma"
    Während die Kleinsten erst mal lernen, ihren Namen auf Deutsch zu sagen, wird am anderen Ende von Kairo höhere Mathematik und Informatik gelehrt – auch das nach deutschem System. Die German University Cairo, kurz GUC, setzt auf ein deutsches Hochschulsystem mitten in Ägypten – in enger Kooperation mit Partneruniversitäten in Deutschland.
    "Deutsch für Ägypter heißt Pünktlichkeit, Sauberkeit, Autos. Für die meisten Ägypter Deutschland ist ein eigentlich so das Traumland."
    Pro-Rektor Professor Slim Abdennader hat selbst in Deutschland studiert und habilitiert, der Tunesier kennt den Bildungsaustausch zwischen Deutschland und Nordafrika gut. Viele seiner Studenten hoffen auf ein Leben in Deutschland, denn Ägypten steckt in einer massiven Wirtschaftskrise. Viele gute ausgebildete Akademiker finden keinen oder keinen gut bezahlten Job. Auch Judy, eine junge Ärztin, sieht in Ägypten momentan keine Perspektive für sich und ihre Familie. Obwohl sie bereits ihren Facharzt gemacht hat, verdient sie umgerechnet nicht mehr als 300 Euro im Monat. Davon kann sie noch nicht mal das Schulgeld ihrer Kinder bezahlen.
    "Man hat jahrelang studiert und gehörte zu den Besten. Wir sind beide Dozenten an der Uni und verdienen ziemlich wenig. Es gibt eine deutliche Diskrepanz zwischen unserem sozialen Status und unserem finanziellen Status."
    Deutschland als Ausbildungshelfer
    Judy sucht jetzt nach einer Stelle in Deutschland. Doch das ist nicht so einfach, denn ihr Facharzt in Rheumatologie wird nicht ohne weiteres in Deutschland anerkannt:
    "Das ist natürlich schade, dass man dann, wenn man nach Deutschland gehen möchte und auch Deutschland was zu bieten hat. Leute, wie wir wären vielleicht eine Bereicherung für Deutschland und trotzdem habe ich nicht die Chance, nach Deutschland zu gehen. Das ist ein bisschen traurig."
    Judys Mutter, die selbst lange in Deutschland gelebt hat, bedauert, dass Ägypten es nicht schafft, seine gut ausgebildeten Kinder zu halten.
    "Ägypten hat es noch nicht gelernt, die guten Leute zu behalten. So viele gute Ägypter, Wissenschaftler – die Universitäten haben diese Leute nicht gesehen und nicht erkannt und das tut mir leid für dieses Land. Ägypten braucht gute Leute."
    Judy: "Vielleicht kann Frau Merkel Ägypten bei der Ausbildung helfen. Unser Problem ist die Ausbildung. Wir haben Schulen, wir haben Universitäten, aber die Qualität der Ausbildung ist ziemlich katastrophal. In einer Klasse sind vielleicht hundert Schüler – die bekommen nichts mit. Und vielleicht kann Deutschland uns, mehr als jedes andere Land, helfen, dass es uns – was die Ausbildung betrifft – dass wir uns bessern können."