Der Mensch braucht Metalle als Bausteine in wichtigen Enzymen, vor allem Eisen. Krankheitserreger, die uns infizieren, aber auch!
"Also, wenn der Mensch mit Bakterien oder anderen Mikroben befallen wird, versuchen die Mikroben durch eine Reihe von Strategien, Eisen an sich zu binden und dadurch ihre Versorgung sicherzustellen. Umgekehrt versucht der Organismus, das Eisen vor den Mikroben zu verstecken und sie entsprechend auszuhungern und ihr Wachstum zu blockieren."
Der Clinch zwischen Mensch und Mikrobe ist eines der Forschungsfelder von Günter Weiss, Professor für Medizin und Medizinische Biochemie am Universitätsklinikum Innsbruck. In jüngster Zeit hat sich Verblüffendes herausgestellt über die Kniffe unseres Immunsystems. Offenbar variiert es seine Strategien beim Konkurrenzkampf um die begehrten Spurenelemente, wie der österreichische Forscher erzählt. Beispiel Typhus: Die Infektion wird von einer Salmonelle ausgelöst. Das Bakterium befällt die Fresszellen des Immunsystems, Makrophagen genannt.
Weiss: "Die gehen da rein und bleiben dort auch. Und der Makrophage versucht dann, durch Hochregulation von Eisen-Exportproteinen, das Eisen aus der Zelle zu schaufeln und dadurch die Mikrobe in einem eisenarmen Medium zurückzulassen."
Genau andersherum läuft die Sache bei Erregern, die nicht Zellen kapern, sondern frei im Blut zirkulieren. Da ...
"... versucht das Immunsystem, das Eisen in den Zellen, also in den Immunfresszellen, zu verstecken, dort zu speichern und für die Bakterien unerreichbar zu machen."
Reguliert das Immunsystem den Eisen-Spiegel herunter, wird auch weniger Hämoglobin gebildet. Denn in dem roten Blutfarbstoff ist das Metall ein zentraler Bestandteil. Es kommt dann unter Umständen zu einer Anämie, zur Blutarmut, die als schädlich gilt. Und daher auch als behandlungsbedürftig. Doch das könnte unter Umständen ein Irrtum sein, betonte der Facharzt für Innere Medizin in Frankfurt auf dem Ernst-Strüngmann-Forum. Bei dem Treffen diskutierten Experten Fragen über die Rolle, die Spurenmetalle bei Infektionserkrankungen spielen:
"Vieles von dem, was wir bei einer Infektion als pathologisch sehen, ist eine Reaktion des Immunsystems, um eine Infektion besser zu bekämpfen. Und wenn man sagt: Ich gebe jetzt bei einem schwerkranken oder einem infektiösen Patienten, der jetzt einen niedrigen Eisen-Spiegel hat, zusätzlich Eisen, dann konterkariere ich natürlich diese Strategie!"
Es gibt Daten, die das belegen. Zum Beispiel aus Afrika, wo tropische Infektionserkrankungen wie Malaria ein immenses Problem sind:
"Dort hat man Untersuchungen gemacht, zum Beispiel bei schwangeren Frauen oder Kindern in Malaria-Regionen. Da hat man gezeigt, daß die, die einen Eisenmangel gehabt haben oder eine mildere Anämie, vor der Infektion geschützt waren. Also, die haben seltener eine schwere Malaria bekommen und sind seltener ins Krankenhaus gekommen."
Aber auch bei uns stellt sich die Frage, ob Ärzte mit einer Anämie immer richtig umgehen. Denn chronische Infektionen, bei denen das Immunsystem ständig auf Trab ist und sich eine Blutarmut einstellt, kommen auch in Mitteleuropa vor. Tuberkulose, Gelbsucht und Abszesse – das sind Beispiele, die Günther Weiss einfallen. Auch Krebs gehöre dazu. Es sei dringend mehr Forschung auf diesem Gebiet nötig, erklärte der Innsbrucker Hochschullehrer bei dem Frankfurter Expertentreffen:
"Ein Problem bei der Behandlung von Anämien chronischer Erkrankungen ist die offene Frage, daß ich nicht weiß, was der Effekt der Anämie-Behandlung – sei es mit Bluttransfusionen oder mit Eisen – auf den Verlauf der zugrundeliegenden Erkrankung ist. Also, das ist eine wesentliche Wissenslücke, die wir haben. Dazu gibt es leider keinerlei Studien. Und das ist unser großes Dilemma."
Im Fall von Krebs zum Beispiel kann es so sein, daß die Zufuhr von Eisen die Erkrankung beschleunigt. Weil Tumorzellen schnell wachsen, brauchen sie nämlich viel von dem Spurenmetall. Liegt eine Anämie vor und behandeln die Ärzte sie mit Eisen, kann das im schlimmsten Fall sogar das Leben eines Krebspatienten verkürzen.
"Ich tu mich natürlich leichter, wenn ich weiß, daß ich keinen negativen Effekt habe. Aber wir wissen es nicht, weil es eben nie untersucht worden ist."