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Böse Zwerge

Die Nanotechnologie hat Einzug in alle Bereiche der Technik gehalten und damit in den Alltag vieler Menschen. Kleinste Teilchen aus Siliziumdioxid, Titandioxid oder Eisenoxid erzeugen in Autolacken schillernde Farbeffekte. Sie weisen Wasser, Staub und Schmutz von glatten Oberflächen. Verglichen mit dem Ausmaß ihrer stürmischen Verbreitung ist das Wissen über mögliche gesundheitliche Folgen dagegen noch dürftig.

Von Thomas Liesen |
    Guten Tag, willkommen im Nano-Shop. Am besten, sie folgen mir, dann zeige ich ihnen, was wir führen. Da ist bestimmt für sie was dabei. Vielleicht zunächst unsere Lebensmittelabteilung?

    Also, das gehört der Vergangenheit an. Hier unser neuer Ketchup. Kein Ärger mehr, wenn die Flasche fast leer ist und der Rest nicht heraus will. Dieser Ketchup hier, der fließt immer wie warmer Honig. Dank unserer patentierten Nano-Zusätze. Winzige Teilchen mit großer Wirkung.

    Aber Sie sind sicher mehr an Technik interessiert: Unsere Autoabteilung. Das hier wäre eine gute Wahl: Unser Breitreifen für den sportlichen Autofahrer. Der ist extrem standfest, dank unserer Nano-Veredelung. Wir haben Nanoröhrchen aus Kohlenstoff in den Gummi gemischt. Tolles Produkt.

    Und dann - wenn Sie mir bitte folgen - natürlich unsere Nano-Sonnencreme. Mit Titandioxid-Partikeln. Die ist nicht mehr so ekelig weiß, die ist durchsichtig.

    "Das demonstriere ich ihnen gerne. Sie sehen, das ist eine weiße Milch und wenn ich sie verreibe, ist sie im nu völlig transparent. Und damit sie mir das auch alles glauben, nehme ich mir mal ein Pigment. (...) Und auch das reibe ich mir auf die Haut und sie sehen: Die Haut ist plötzlich ganz weiß, ich sehe aus wie ein Clown an der Stelle."

    Und das sei nicht besonders schön, sagt Prof. Wolf-Dieter Griebler von der Chemiefirma Sachtleben. Die alten Sonnencremes enthalten große, weiße Farbpigmente. Die erfüllen ihren Zweck als UV-Schutz, färben aber gleichzeitig die Haut ein. Die neue Nanocreme ist dagegen vollkommen transparent. Trotzdem filtert sie sehr effektiv das UV-Licht, dank der darin enthaltenen, völlig unsichtbaren Nanopartikel aus Tintandioxid. Nano kommt vom griechischen "nanos", der Zwerg. Und tatsächlich sind die Teilchen kleiner als 50 Nanometer, also 50 Milliardstel Meter und für das Auge völlig unsichtbar.

    Die neuen Sonnencremes sind Teil einer Revolution, die sich von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt vollzieht: der Nano-Revolution. Teilchen, noch 1000 mal kleiner als der Durchmesser eines Haares, verleihen bereits jetzt hunderten von Produkten ganz neue Eigenschaften. Und abertausende sind in der Entwicklung. Nanopartikel reinigen Glasscheiben wie von Zauberhand, lassen Autolack über Jahre glänzen wie am ersten Tag, lassen Ketchup aus der Flasche flutschen oder reduzieren den Abrieb von Autoreifen. Dr. Wolfgang Kreyling, Toxikologe vom GSF-Forschungszentrum:

    " Wir erwarten, dass eine Explosion an Nanotechnologie-Produkten entsteht, weil die Technologie ist so interessant, das ist wie damals, als der Rechner eingeführt worden ist. Das ist eine Technologie, die unsere Gesellschaft enorm weiter entwickeln wird. Und von daher sollten wir jetzt rechtzeitig Methoden entwickeln, mit denen wir das Risiko bewerten können, die von den verschiedenen neuen Entwicklungen ausgehen."

    Sprecher 2: Nano ein Risiko? Man sieht den Teilchen zunächst nichts Ungewöhnliches an, wenn sie so in milliardenfacher Ausfertigung in einem kleinen Fläschen liegen. Zum Beispiel Titandioxid, normalerweise ein beliebtes weißes Pigment für Farben und Lacke

    " Es sieht genauso weiß aus, das Nanomaterial, wie das Pigment. Da können sie, wenn sie es in der Flasche als Pulver sehen, überhaupt keinen Unterschied sehen. Die Hausfrau würde sagen: Es sieht ja aus wie Mehl. "

    Ein Mehl, erklärt Wolf-Dieter Griebler, das UV-Licht absorbiert und daher in Sonnencremes gemischt wird. Doch welche Eigenschaften haben die Nanoteilchen noch? Können sie giftig sein? Schädlich für die Haut? Oder was ist, wenn dieses Mehl bei der Herstellung als Staub frei wird und man es einatmet? Die Antwort lautet: niemand weiß es so genau. Doch es gibt einen begründeten Verdacht, dass Nanoteilchen alles andere als harmlos sind. Bereits in den Neunzigerjahren haben Toxikologen sich erstmals mit Feinstäuben beschäftigt. Damals ging es vor allem um Dieselruß, also winzige Kohlenstoffpartikel, die aus den Auspuffrohren der immer beliebter werdenden Dieselfahrzeuge quollen. Damals zeigte sich: Die Rußpartikel sind gesundheitsschädlich, und: Je kleiner die Partikel sind, desto gefährlicher sind sie auch.

    Toxikologen hegen nun den Verdacht, dass auch die winzigen Nanoteilchen eine Gefahr darstellen. Einige Projekte zur Nano-Sicherheitsforschung laufen europaweit an, aber bisher liegen kaum Ergebnisse vor. Mit wenigen Ausnahmen. Und die haben es in sich.

    GSF-Forschungszentrum, Abteilung für Inhalationsbiologie. Wolfgang Kreyling mischt in die Atemluft von Ratten ein weißes Pulver. Der Stoff sieht aus - wie Mehl: Es sind Iridium-Nanopartikel, so klein wie Titandioxid und all die anderen Nanopartikel, die mittlerweile in rauen Mengen hergestellt werden. Dabei ist es gar nicht so entscheidend, aus welchem Stoff genau die Partikel sind. Wenn es um die Wirkung auf die Lunge geht, zählt zunächst ihre Größe.

    Der Versuch beginnt, wenn die Ratten anfangen, die mit Nanostaub angereicherte Luft einzuatmen. Die einzelnen Staubpartikel sind dabei radioaktiv markiert.

    " Dann schauen wir nach verschiedenen Zeiträumen - nach ein paar Stunden oder nach 6 oder 24 Stunden oder nach einigen Tagen nach, wie sich das Material, das ursprünglich nur in die Lunge gekommen ist, wie sich das im Organismus verteilt hat. (...) Dazu haben wir hier diese hochempfindlichen Messgeräte stehen, mit denen wir Radioaktivität in Proben von Organen, die wir den Tieren entnommen haben, messen."

    Wolfgang Kreyling fahndet mit einer Art High-Tech-Geigerzähler nach dem Verbleib der Partikel.

    "Hier ist gerade eine Hirnprobe von einem Tier drin und wenn sie genau hinschauen, dann sehen sie hier über dem Hintergrundsignal eine kleine Spitze, die klar zeigt, dass wir eine kleine Menge von Radioaktivität - dieses hier sind jetzt Iridium-Nanopartikel, die wir hier als Testsysteme verwenden - dass wir also eine kleine Menge Iridium im Hirn nachweisen können. Das war eine Inhalation, die wir durchgeführt haben, das heißt die Partikel sind nur in die Lunge gekommen, trotzdem können wir nach 24 Stunden nachweisen, dass ein paar Partikel im Hirn angekommen sind. "

    Sprecher 2: Was für eine Reise: Eingeatmet und im Gehirn gelandet. Normalerweise ist das Gehirn durch die sogenannte Blut-Hirn-Schranke extrem gut gegen Eindringlinge von außen geschützt, seien es Bakterien oder Chemikalien. Selbst Medikamente können diese Barriere kaum überspringen. Anders die Nanopartikel. Sie überwinden die Blut-Hirn-Schranke. Und sie dringen auch in andere Bereiche des Körpers vor, teilweise in beträchtlicher Zahl.

    " Die Mengen, die wir nachweisen können, relativ zu dem, was ursprünglich in die Lunge gekommen ist, kann ein Zehntausendstel sein, allerdings können wir es immer noch nachweisen. Und das Überraschende ist: Bis zu dem Wert von 1/100.000 finden wir Material in den verschiedenen Organen. Wenn 100 Prozent in der Lunge waren, finden wir in der Leber um ein Prozent, im Hirn weniger als 0,1 Prozent, aber in der Größenordnung befinden wir uns. Wir konnten Iridium-Partikel nachweisen, wir konnten Goldpartikel nachweisen, das sind im Wesentlichen die beiden, die wir im Augenblick untersuchen."

    Von 1000 eingeatmeten Nanopartikeln kommt also rund eines im Gehirn an und 10 in der Leber. Und Wolfgang Kreyling geht noch einen Schritt weiter: Als besonders gut abgeschirmt gilt der Fötus in der Gebärmutter.

    "Das war die nächste Frage: Kann es überhaupt sein, dass diese Partikel durch die Plazenta der Mutter in ein Fötus durchdringen? Wir haben dann Untersuchungen gemacht an Ratten, an schwangeren Tieren, entweder über das Blutsystem oder direkt über Einspülen in die Lunge hinein und da war tatsächlich die Aufnahme in die Plazenta überraschend hoch. Und wenn in der Plazenta relativ viel Material gespeichert wurde, dann dringt auch wieder ein gewisser Anteil bis zu den Föten vor. Und das bedeutet eben, dass der Fötus nicht komplett geschützt ist, wie wir ursprünglich angenommen haben."

    Die Versuche zeigen, dass Nanopartikel einzigartige Eigenschaften haben: Sie können Abwehrmechanismen des Körpers nahezu problemlos durchdringen. Schon der Weg in die Lunge ist für Fremdkörper normalerweise versperrt. Flimmerhärchen sorgen dafür, dass eingeatmete Partikel sämtlich wieder hinaus befördert werden. Nicht so Nanopartikel. Sie werden von den Flimmerhärchen nicht erfasst und bleiben daher in der Lunge praktisch kleben.

    Dann der Weg von der Lunge in den Körper: Normalerweise wirft sich eine ganze Armee von so genannten Fresszellen auf jeden Eindringling, der es bis hierhin geschafft hat - und beseitigt ihn. Doch auch hier schlüpfen Nanoteilchen in beträchtlichen Mengen durch und wandern in die Wandzellen der Lunge, der Blutgefäße und anderer Organe.
    Aber was heißt das nun für Menschen? Wolfgang Kreyling geht davon aus, dass die Ergebnisse der Rattenversuche durchaus auf den Menschen übertragbar sind. Und das verheißt für seine Gesundheit nichts Gutes:

    " Dann passieren in diesen Epithelzellen, wie wir sagen, in diesen Wandzellen und in anderen Zellen, nachgeschaltete hinter dem Epithel, Reaktionen, die zu einem Stress führen, der mit Oxidation verbunden ist, wir nennen das oxidativen Stress, der wiederum der Initiator von Abwehrreaktionen ist und zwar von entzündlichen Abwehrreaktionen. (...) Dann kommt es eben zu diesen Entzündungsprozessen, von denen wir vermuten, dass sie langfristig gesehen zu einer erheblichen Gefährdung führen. "

    " Herr Markens, machen sie bitte die Tür für uns einmal auf? Dankeschön."

    Sprecher 2: Eine Kulisse, wie man sie bei einer Fabrik der Kategorie Großchemie erwartet: Riesige Hallen, von außen an ein Gewirr meterdicker Rohre angeschlossen. Innen führen Stahltreppen nach oben. Immer den Handlauf anfassen, lautet die Vorschrift, Sicherheit geht vor in dieser Nanopartikel-Produktionsanlage bei Sachtleben in Duisburg, direkt am Ufer des Rheins. Hier arbeitet Wolf-Dieter Griebler.

    " Der Grundrohstoff für das Produkt kommt aus unserer Titandioxid-Großanlage. Das ist ein sogenanntes Titanyl-Chlorid oder auch Titanyl-Sulfat, je nachdem, was wir machen wollen. Und in diesen verschiedenen Behältern wird dann durch Zusatz von Chemikalien das jeweilige Produkt hergestellt. Das ganze findet in wässrigen Lösungen statt, aber in diesen wässrigen Lösungen sind neben der Komponente Titan auch noch eine ganze Reihe anderer Chemikalien enthalten und die sind notwendig, um das Kristallwachstum in die Richtung zu steuern, wie wir das haben wollen."

    Über ein Schauglas kann man in den meterhohen Kessel hineinschauen, in dem die Nanoteilchen aus Titandioxid wie winzige Kristalle heranwachsen. Viel ist nicht zu sehen: Ein Rührwerk mischt trübe Brühe um. Wenn die Partikel die richtige Größe haben, stoppt der Prozess und sie werden getrocknet. Das fertige Produkt sieht dann aus wie Mehl.

    " Die gesamte Nanoproduktion findet in geschlossenen Systemen statt und sie sehen das hier an den Apparaten, das sind alles Edelstahlbehälter, Edelstahlrohre, zum Teil emaillierte Behälter, die absolut hermetisch nach außen abgeschlossen sind.
    Wir führen regelmäßige Staubmessungen durch im Gebäude, würde eine Undichtigkeit auftreten, dann signalisiert uns das erst mal die Messwarte, wenn es eine gravierende Undichtigkeit wäre, würden sie das sofort hier hören und sie würden es auch riechen und sehen."

    Der Toxikologe Wolfgang Kreyling hört solche Aussagen immer wieder von den Nano-Herstellern. Doch er ist skeptisch:

    " Die meisten Nanopartikel, mit denen ich gearbeitet habe, sind geruchlos, so dass man das per Geruch nicht erkennen kann. Und die Detektion von Nanopartikeln ist nicht ganz einfach. Wir haben Messmethoden, mit denen wir die Anzahlkonzentrationen bestimmen können und das funktioniert. Allerdings muss man das von dem Hintergrund, der sowieso in einer solchen Fabrikhalle vorhanden ist, subtrahieren, was das Ganze wieder etwas komplizierter macht."

    Die Luft in jeder Fabrikhalle ist voller Staub, von fein bis grob. Und es ist messtechnisch sehr kompliziert, in einer ohnehin staubigen Umgebung allein die Anzahl der Nanoteilchen in der Luft zu bestimmen. Doch bei Sachtleben, so versichert Wolf-Dieter Griebler, habe man die Sicherheit in der Produktionsanlage im Griff. Und nicht nur die. Selbstverständlich sei auch die Sicherheit der Produkte getestet, seien es Sporttextilien oder Verpackungen für Lebensmittel. Und erst recht sei die Titandioxid- oder TiO2 Sonnencreme auf Herz und Nieren geprüft worden.

    "Wir haben damals, bevor wir dieses Produkt wirklich kommerzialisiert haben, wirklich extreme Tests gemacht. Zunächst so genannte in vitro Tests, also an künstlicher Haut getestet, ob das TiO2 in die Haut geht. Und später in vivo-Tests, also an Ratten und Mäusen getestet, ob das TiO2 aufgenommen wird oder nicht - wir konnten es in keinem Fall nachweisen und inzwischen hat es viele Versuche gegeben: Es wird nicht aufgenommen über die Haut."

    Wie alle Kosmetika musste die Nano-Sonnencreme per Gesetz auf ihre Sicherheit und Hautverträglichkeit geprüft werden. Doch Wolfgang Kreyling hat Zweifel, ob die vorgeschriebenen Testverfahren bei Nanoprodukten überhaupt Sinn machen. Denn die Hauttests bilden seiner Meinung nach die Wirklichkeit kaum ab. So wird nur an gesunder Haut das Risiko untersucht. Doch was ist mit dünner Kinderhaut? Mit Haut, die verletzt ist? Oder mit Haut von Menschen, die Allergien oder Ekzeme haben?

    " Das ist das, was ich immer fordere, dass wir solche Untersuchungen unbedingt nachreichen müssen, um wirklich auch bei der empfindlichen Haut oder der verletzten Haut (...) sicher gehen können, dass die Konditionen genauso herrschen wie bei der gesunden Haut. Es ist zu vermuten, dass die verletzte Haut eher durchlässig ist. Mindestens bei der Wunde weiß man, dass auch grobe Partikel relativ rasch eindringen und über das Blut aufgenommen werden können. Das heißt diese Untersuchungen stehen aus. Es ist tatsächlich schwierig, diese standardisiert auszuführen und das ist der Grund, warum sie noch nicht gemacht worden sind. Aber das ist keine Entschuldigung. Meines Erachtens muss das unbedingt nachgereicht werden, insbesondere, weil wir Sonnenschutzmittel bereits im großen Maßstab verwenden."

    Hinzu kommt: Nicht immer kann der Verbraucher erkennen, ob Sonnencremes, Nahrungsmittel oder andere Produkte überhaupt Nanoteilchen enthalten. Es kommt vor, dass Nano draufsteht, aber Nano gar nicht drin ist. Umgekehrt kann Nano drin sein, aber es steht trotzdem nicht auf der Verpackung. Denn eine verbindliche Kennzeichnungspflicht gibt es bisher nicht.

    Folgen sie mir, unser Nano-Shop hat noch viel mehr zu bieten. Hier, diese Schokoriegel machen ja bekanntlich mobil bei Arbeit, Sport und Spiel.

    Sprecherin 1: Wollen sie mal probieren? Das ist eines der ersten Nano-veredelten Exemplare. Mit Titandioxid oben drauf. Können sie zwar nicht erkennen. Aber auch nach Monaten Lagerung sehen die ansehnlich aus wie am ersten Tag. So, und hier unsere Sanitär-Abteilung.

    Sprecherin 1: Das kennen sie bestimmt: Das Waschbecken ist mit Nanopartikeln imprägniert. Kalk, Schmutz, nichts bleibt dran haften. Das freut die Hausfrau - und natürlich den Hausmann. Und jetzt unsere Sportartikel!

    " Was ich hier mitgebracht habe, ist ein Eishockeyschläger. Hier geht es um die mechanische Festigkeit. Das Produkt besteht aus Epoxydharz, ein Kunstharz, aus Kohlefasern und aus Carbonanotubes. Der Kniff dabei ist die Einarbeitung der Kohlenstoffnanoröhrchen in das Epoxydharz und das ergibt in Verbindung mit der Kohlefaser eine höhere mechanische Festigkeit im Vergleich zu einem Schläger ohne Nanotubes."

    Martin Schmid leitet das Nano-Geschäft bei Bayer. Der Chemieriese ist einer der vielen Hersteller, die eine besondere Form der Nanoteilchen produzieren, die Kohlenstoffnanoröhrchen oder im Fachjargon Carbonanotubes. Das sind winzige, röhrenförmige Gebilde aus Kohlenstoff, denen wahre Wunderdinge nachgesagt werden. Entsprechend sind sie zur Zeit der absolute Renner im Nano-Business. Im Falle des Hockeyschlägers dienen sie als Verstärkungsmaterial.

    " Der Schläger wird in einer Ligamannschaft getestet, muss bestehen ein komplettes Eishockeyspiel und anschließend 100 Slapshots, also 100 mal richtig auf den Puck. Üblicherweise ist ein Produkt dann in Ordnung, wenn von 100 Schlägern 80 diesen Test bestehen. In diesem Fall haben von 100 Schlägern 100 den Test bestanden."

    Ein beeindruckendes Material also. Und es kann noch mehr. Zum Beispiel Strom leiten. Arbeitet man Nanoröhrchen in Kunststoffe ein, erhält man elektrisch leitende Kunststoffe. Das eröffnet für viele Hersteller ganz neue Dimensionen. Allerdings - wie bei anderen Nanomaterialien auch - die Sicherheit ist bisher kaum untersucht. Und gerade die Nanoröhrchen könnten ein Risiko bergen. Denn unter dem Mikroskop sehen sie aus wie Fasern. Und wenn Toxikologen "mikroskopisch kleine Fasern" hören, klingeln bei ihnen die Alarmglocken. Denn das gab es schon einmal. Der Name des berüchtigten Stoffes, der aus "mikroskopisch kleinen Fasern" bestand: Asbest.

    " Unsere Kohlenstoffnanoröhrchen haben mit Asbest absolut gar nichts zu tun. (...) Die Baytubes muss man sich jetzt nicht als einzelne gerade Röhrchen vorstellen, sondern als längere, spiralförmige Gebilde, (...) ähnlich einem Teller Spaghetti, während Asbest langgestreckte Nadeln sind. Und das ist hier mit Sicherheit nicht der Fall."

    Martin Schmid betont, die Nanopartikel klebten aneinander. Sie würden gar nicht als einzelne Nanoröhrchen oder Fasern existieren.

    "Aus dem Reaktor gelangen keine einzelnen Kohlenstoffnanoröhrchen heraus. Es gelangen Agglomerate heraus, wie sie hier auch sehen in diesem kleinen Röhrchen. Das sind also wirklich schon Produkte, die man sehen kann, die aus diesen Kohlenstoffnanoröhrchen bestehen."

    In dem Glasröhrchen, das er zeigt, sind wirklich eher sandkorngroße schwarze Brocken zu sehen. Entwarnung also? Wolfgang Kreyling:

    "So einfach ist es nicht. Das Prinzip ist richtig. Gerade bei der Verwitterung ist es eher unwahrscheinlich, dass die Nanopartikel als Nanopartikel, sondern eher in größeren Strukturen freigesetzt werden. Sie könnten dann aber, wenn sie mit biologischen Systemen in Berührung kommen, tatsächlich von der größeren Struktur freigesetzt werden und dann als Nanopartikel in der Biologie vorhanden sein. Sind Fragen, die zu klären sind, die wir noch nicht wissen."

    Möglicherweise sind doch einzelne winzige Fasern im Körper unterwegs. Und was dann passiert - auch das ist bisher völlig unbekannt.

    " Da gibt es noch gar keine Untersuchungen, (...) ob Akkumulationen in den nachgesetzten Organen, wie zum Beispiel der Leber, der Milz, den Nieren dem Herzen oder auch dem Hirn überhaupt eintreten können."

    In einigen Labors schaut man jetzt immerhin nach, was passiert, wenn Nanopartikel mit menschlichen Zellen in Berührung kommen. Zum Beispiel an der Universität Düsseldorf.

    "Wir befinden uns hier im Zellkulturraum, hier werden Zellen gezogen unter sterilen Bedingungen, das heißt nur die Zellen sollen wachsen und keine Pilze oder Bakterien. Die Zellen werden in Plastikgefäßen gezogen, diese Plastikgefäße werden zunächst mit den Nährmedium, von dem diese Zellen leben, befüllt. "

    Anna von Miekecz ist Biologin am Institut für Umweltmedizinische Forschung. Und ihre Arbeitsgruppe war eine der ersten überhaupt, die sich mit der Giftwirkung von Nanopartikeln auf menschliche Zellen beschäftigt hat.

    Die Tests, die Forscher entwickelt haben, sind eigentlich ganz einfach: Menschliche Lungen- oder Nervenzellen werden in Plastikschalen gegeben. Dort wachsen sie zu einer Schicht heran, die den Boden des Gefäßes bedeckt. Dann geben die Forscher Nanopartikel in die Nährlösung. Und nach ein paar Stunden oder Tagen schauen sie nach, was passiert ist.

    Die Nanopartikel sind mit einem Fluoreszens-Farbstoff markiert. Sie leuchten daher, wenn man sie mit Licht bestrahlt.

    " Wir haben jetzt so genannte Aufnahme- oder uptake-Studien gemacht. Und diese Partikel gelangen sehr schnell, innerhalb von Minuten in das Zytoplasma hinein. In den Zellkern, das dauert ein bisschen länger, innerhalb von ein paar Stunden. Aber diese Barrieren, die man denken würde, also die Zellmembran, scheint für diese Partikel überhaupt keine Barriere zu sein. Also wir können anhand dieser gefärbten Partikel wirklich sehen, dass sie innerhalb von Minuten in die Zelle hinein gelangen."

    Die nächste Frage war natürlich: Was heißt das? Welche gesundheitlichen Auswirkungen könnte das haben, wenn so etwas im lebenden Organismus geschieht? Von manchen Nanopartikeln weiß man, dass sie sehr reaktiv sind, das heißt sie können andere Stoffe oder Moleküle zerstören, wenn sie mit ihnen in Berührung kommen. Bei solchen Partikeln wäre die verheerende Wirkung auf die Zelle vorhersehbar. Und genau deshalb wählte Anna von von Miekecz andere, als völlig harmlos geltende Stoffe für ihr Experiment: zum Beispiel Siliziumdioxid, das auch als Überzug für Vitamintabletten dient.
    Anna von Miekecz legt Zellen, die mit den Partikeln in Berührung gekommen sind, unter das Mikroskop.

    " Wir sehen jetzt diese runden Strukturen, das sind die Zellkerne. Wir haben hier zwei Färbungen, wir sehen einen roten Farbstoff und einen grünen Farbstoff. Der rote Farbstoff gibt uns an, wo die DNS im Zellkern ist. Und der grüne Farbstoff gibt uns an, wo die Partikel sind und wir finden, dass diese Nanopartikel aus Siliciumdioxid Aggregate, ganz spezifische, klebrige Aggregate im Zellkern verursachen."

    Und das hat Folgen:

    " Der Zellkern ist die Schaltzentrale der Zelle, diese Schaltung wird praktisch umgelegt. Wir sehen, dass die Zelle in eine Art Ruhezustand verfällt, nicht mehr wächst. Dieser Ruhezustand ist irreversibel, das heißt die Zelle geht in eine Art Dornröschenschlaf und kommt da auch nicht mehr heraus."

    Und noch etwas beunruhigt die Forscher. Diese klebrigen Proteinverklumpungen, die von den Nanopartikeln verursacht werden, sind ein durchaus bekanntes Phänomen.

    "Was wir da sehen, diese Proteinaggregation, ist eine ganz typische Pathologie, die man auch bei neurodegenerativen Erkrankungen findet. Und die ist auch diagnostisch für solche Erkrankungen wie Parkinson oder Chorea Huntington. Also sehen wir jetzt praktisch eine Funktionsstörung im Zellkern, und diese Funktionsstörung ist genau dieselbe, die wir auch bei Erkrankungen, bei neurodegenerativen Erkrankungen sehen.

    Wir haben ehrgeizige Pläne, wir wollen in diesem Bereich massiv wachsen, wir wollen zu einem maßgeblichen Anbieter im Markt werden, ganz klar.

    Unsere Umsätze mit Nanopartikeln wachsen im zweistelligen%bereich, also über 20 Prozent pro Jahr.

    Man rechnet mit einem Potential von bis zu 3 Billionen Dollar bis zum Jahr 20015. Das sind natürlich gewaltige Zahlen. Das sind gewaltige Zahlen. "

    "Das Schritthalten ist schwierig, das ist wirklich ein Problem. ( ... ) Die Synthese und Anwendung dieser Partikel ist zwangsläufig schneller als die Testung auf die Zytotoxizität. Und das liegt an den Methoden auch ( ... ), wir brauchen ein bis drei Jahre, bis wir einen Partikel eigentlich validiert haben, mit unseren Methoden, mit der Zellkultur, der Fluoreszensmikroskopie, mit der konfokalen Mikroskopie. Wenn da alle Kontrollen - das muss ja gut kontrolliert sein, weil wir auch nicht Aussagen machen wollen, die dann nicht validierbar bleiben - da sind wir in einem ganz anderen Zeitfenster. Das dauert zwangsläufig länger. "

    Ein bis drei Jahre dauert es, bis ein Test steht - pro Partikelsorte. Und es kommen immer neue auf den Markt, jede wieder mit neuen Eigenschaften, keine ist wie die andere. Aber immerhin: In der EU gibt es jetzt mehrere Projekte zur Nano-Sicherheitsforschung. Sie heißen zum Beispiel Nanocare oder Nanotox. Verschiedene Labors und auch die Industrie arbeiten zusammen. Das Ziel ist die Suche nach Testverfahren, mit denen möglichst schnell und kostengünstig Partikel gecheckt werden können: gefährlich, ja oder nein. Doch von einer Art Standard-Methode ist man noch weit entfernt. Denn die Forscher wissen noch nicht einmal so genau, was genau die Teilchen gefährlich macht: Ist es ihre Größe, ihre Oberfläche, oder Chemikalien, die an ihrer Oberfläche kleben? Kommen sie immer als größere Klumpen daher oder sind sie einzeln im Körper unterwegs? Wenig hilfreich ist dabei, dass viele Firmen ihre neuen Partikel für die Sicherheitsforschung gar nicht erst zur Verfügung stellen. Aus Patentschutzgründen, wie es heißt. Martin Schmid von Bayer:

    " Wir entwickeln natürlich auch eigene Messmethoden im eigenen Haus und wir prüfen unsere Produkte. Es gibt Testmethoden, die definiert sind, da sind wir natürlich sehr glücklich, dass wir diese Spezialisten im eigenen Haus haben, die diese Tox und Ökotoxprüfungen durchführen, da sind wir massiv dran."

    Aber was heißt "massiv", wie hoch ist im Vergleich zu den Entwicklungskosten der Anteil der Sicherheitsforschung?

    " Das sind Zahlen, die möchte ich nicht beschreiben.
    409. Ich kann die Frage verstehen, aber verstehen sie bitte, dass wir bei solchen betriebswirtschaftlich relevanten Daten nicht in der Lage sind, die nach draußen zu geben.

    In der Wissenschaft bastelt jeder so vor sich hin, für das, was er braucht, in der Wirtschaft ist es ähnlich. Was notwendig wäre, wären solche Kontroll-Labors, die im Auftrag der Industrie oder der Wissenschaft solche standardisierten Tests durchführen und sagen: Nach dem und dem Kriterium ist die Bewertung so und so. Diese Struktur fehlt und die ist meines Erachtens sehr notwendig, gerade jetzt zu diesem Zeitpunkt. Denn wenn wir die Sache verschlafen und die Entwicklung uns überholt, so wie es jetzt schon bei mehreren technologischen Entwicklungen in der Vergangenheit gewesen ist, dass dann die Effekte uns einholen, der Toxikologie vorgeworfen wird, dass sie wie immer zu langsam ist und die Industrie nachher entsetzt ist, über das, was passiert ist und die Bevölkerung sagt: Wir sind mal wieder betrogen worden.

    Man kann zum Beispiel Fenstergläser damit beschichten, man kann aber auch Tapeten damit beschichten und dann kann im Raum schädlicher Geruch abgebaut werden. Und man kann damit auch eine gewisse keimabtötende Wirkung erreichen, so dass bestimmte Keime auf einer solchen beschichteten Oberfläche sich gar nicht bilden können.

    Ich habe ihnen hier noch ein Beispiel mitgebracht für eine Anwendung. Das ist der Deckel für ein Fass, für ein Kunststoff-Fass, in dem verschiedene Materialien transportiert werden..."