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Brand in Tröglitz
"Gehe selbstverständlich davon aus, dass es Rechtsextreme waren"

Für den zurückgetretenen Tröglitzer Bürgermeister steht fest: Der Brand im geplanten Flüchtlingsheim ist eine Schande für den Ort, und dahinter stecken Rechtsextreme. Markus Nierth sagte dem DLF, noch heute werde es eine Kundgebung in Tröglitz geben, um zu zeigen, dass die Bevölkerung dergleichen nicht hinnehme.

Markus Nierth im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Der zurückgetretene Ortsbürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, spricht vor einer Bürgerversammlung am 31.03.2015 mit Journalisten in einem Veranstaltungszentrum in Alttröglitz (Sachsen-Anhalt)
    Der zurückgetretene Ortsbürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Markus Nierth war vor einigen Wochen zurückgetreten, nachdem er von Rechtsextremen bedroht worden war, der Fall hatte bundesweit eine Debatte über den Schutz von Lokalpolitikerin in Gang gebracht. Tröglitz liegt in Sachsen-Anhalt. In dem Ort hatte es wiederholt Kundgebungen gegen die geplante Unterbringung von Flüchtlingen gegeben. Heute Nacht nun ist der Dachstuhl des Gebäudes ausgebrannt, Polizei und Staatsschutz ermitteln, eine politische Motivation kann nicht ausgeschlossen werden.
    Markus Nierth betonte, er sei fassungslos, traurig und wütend, dass "die braune Saat nun schon so weit gediehen" sei, dass man Häuser niederbrenne, in denen hilfsbedürftige Familien eine Bleibe finden sollten. Er werde sich nun dafür einsetzen und das auch selbst anbieten, dass die Flüchtlinge zur Not in Privatwohnungen unterkämen. Zudem werde es noch heute, und zwar um 17 Uhr, eine Kundgebung geben, eventuell sogar eine Lichterkette rund um das betroffene Haus. Das Zeichen müsse lauten: "So nicht in unserem Ort."
    Der Brand sei in jedem Fall ein "ganz übles Zeichen", und das entspreche keinesfalls der Haltung der Bevölkerung. Es dürfe nicht passieren, dass eine "kleine, pöbelnde rechte Minderheit" versuche, einen ganzen Ort in den Griff zu bekommen. Nun müsse die "fragile Mitte" aktiv werden und ein Zeichen setzen, etwa mit der geplanten Demonstration heute.

    Das komplette Interview zum Nachlesen
    Markus Nierth: Die Nachricht hat mich heute durch eine Anwohnerin, heute Morgen gegen fünf Uhr erreicht. Und wir sind als Familie und ich persönlich auch sehr fassungslos, traurig und natürlich wütend, dass die braune Saat so weit aufgegangen ist, dass man nun lieber Häuser niederbrennt, in denen Familien eine neue Bleibe finden sollten. Es war ja auch ausgemacht, dass Familien vor allem kommen werden. Also dass irgendwelche bösen, kranken Gehirne selbst diesen Familien aus Kriegsgebieten den freistehenden Wohnraum, der saniert war, nicht gönnen, ist eine furchtbare Sache, ist auch eine Schande für Tröglitz, die sicher auch bleiben wird und es mit anderen bösen Geschehnissen in Verbindung bringt und unabsehbare Folgen haben wird.
    Heckmann: Jetzt ist es ja so, dass die Ermittlungsbehörden ja noch ermitteln und versuchen herauszubekommen, ob es sich wirklich um einen Brandanschlag gehandelt hat, aber Sie haben daran keinen Zweifel?
    Nierth: Also logisch denkender Weise brennt es nicht in einem Teil eines Hauses, der gar nicht bewohnt ist. Ich habe keinen Zweifel, zumal auch schon Gerüchte im Ort kursiert sind.
    Heckmann: Und Sie haben auch keinen Zweifel daran, dass hinter einer solchen Tat dann Rechtsextreme gesteckt haben müssen?
    Nierth: Das vermute ich natürlich sehr stark. Es wird natürlich geunkt, diese üblichen Propagandamaßnahmen der Rechten, das seien Linksradikale. Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass es die Rechtsradikalen sind, weil sie, wenn es nun gelingen würde, dass keine Asylbewerber kommen, ja für sich einen Sieg feiern könnten. Aber ich denke, das wird sich umdrehen. Es geht ein Aufschrei durch die Bevölkerung, ich persönlich werde mich dafür einsetzen, auch andere Tröglitzer, notfalls in Privatwohnungen die Leute aufnehmen, weil die Not ist wirklich groß und weil eben Tröglitz nicht verlieren soll.
    Heckmann: Was ist das strategische Ziel, wenn wirklich Rechtsextreme dahinterstecken sollten, was wäre das Ziel einer solchen Tat?
    Nierth: So nicht, nicht mit unserem Ort!
    Nierth: Na sicher, dass die Bevölkerung, die nicht so viel nachdenkt oder sich gerne von populistischen Parolen anstecken lassen möchte, denkt, die tun was für uns, die schützen uns. Das wäre das fatale Signal, was zum Teil rüberkommen könnte. Deswegen stellen wir uns als Ort dagegen. Wir werden heute eine Demonstration machen, die spontan die Menschen folglich in Tröglitz zusammenbringen wird. Und wir werden auch wahrscheinlich eine Lichterkette um die niedergebrannte Asylunterkunft machen und sagen: So nicht, nicht mit unserem Ort!
    Heckmann: Also Sie reagieren direkt auf die jüngsten Ereignisse, dahinter steckt aber – und das höre ich bei Ihnen raus – diese Sorge, dass da auch ein Teil der Bevölkerung, derjenigen, die in Tröglitz leben und die Befürchtungen haben, die Ängste haben, dass diese Ängste noch weiter steigen vor einer Unterbringung von Flüchtlingen.
    Nierth: Nun ist der Grund für die Ängste inzwischen wohl mehr der, dass man vor den Rechten und ihren Untaten Sorgen und Ängste haben könnte. Das habe ich auch rausgehört aus den Leuten, die sich jetzt zurückmelden. Heute Nacht standen ja auch schon viele vor der brennenden Unterkunft und haben wirklich Sorge und Angst gehabt, weil sie wussten, das ist ein ganz übles Zeichen nach außen und entspricht nicht der Bevölkerung des Ortes. Aber die Angst ist nun gewiss nicht mehr vor den Asylbewerbern das Problem, sondern eher, dass eine kleine pöbelnde rechte Minderheit hier versucht, einen Ort in den Griff zu kriegen.
    Heckmann: Aber auch damit wäre dann ein Ziel der Rechtsextremisten erreicht, immer gesetzt den Fall, dass wirklich ein rechtsextremer Anschlag hinter diesen Ereignissen steht.
    Nierth: Das Ziel wäre dann erreicht, wenn jetzt die fragile Mitte, wie sie so schön beschrieben wird, nicht aufsteht und nichts tut. Wenn sich dieser Ort einschüchtern lässt, dann wäre das Ziel erreicht, davon gehe ich aber nicht aus. Und ich werde auch mit anderen vielen Unterstützern, die wir hier haben, und auch Bürgern, die sich das nicht so gefallen lassen wollen, dagegen aufstehen.
    Heckmann: Was erwarten Sie jetzt von Ihren Mitbürgern?
    Nierth: Deutlich Zeichen setzen
    Nierth: Dass sie aufstehen, dass sie Zeichen setzen, zum Beispiel heute zu der Kundgebung kommen, aber dass sie auch deutlich Zeichen setzen, wir werden uns dafür einbringen, wir werden uns das nicht gefallen lassen, dass ein deutlicher Aufschrei durch den Ort geht: Das war zu viel!
    Heckmann: Glauben Sie, abschließend gefragt, Herr Nierth, dass in den nächsten Monaten eine Unterbringung der Flüchtlinge doch noch realisiert werden kann?
    Nierth: Das hoffe ich schon, nicht in diesem Gebäude, das ist natürlich auch durch das Löschwasser geschädigt, aber es sind ja noch andere Blöcke im Visier gewesen, die aber vorher noch etwas saniert werden müssten. Das muss der Landrat entscheiden. Und ich hoffe, dass er sich für Tröglitz entscheiden wird.
    Heckmann: Der ehemalige ehrenamtliche Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, war das hier im Deutschlandfunk. Herr Nierth, ich danke Ihnen für das Gespräch!
    Nierth: Ich danke Ihnen auch, und dann noch ein gesegnetes Osterfest!
    Heckmann: Ja, das wünsche ich Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.