Die schwarz-verkohlten Dachbalken des zweistöckigen Hauses in der Tröglitzer Ernst-Thälmann-Straße ragen wie hohle Zähne in den blauen Himmel. Die Ruine der angezündeten Flüchtlingsunterkunft: eine offene Wunde. Besucher erschreckt der Anblick. Doch die Menschen im Ort winken auf Nachfrage ab.
"Keine Ahnung, ich weiß nichts, kein Kommentar."
Der Anschlag in Tröglitz in Sachsen-Anhalt hatte zu Ostern ein weltweites Echo ausgelöst. Denn zuvor hatte dort der Bürgermeister seinen Posten abgegeben: Er fühlte sich von Rechtsextremen bedroht, nachdem er für die Flüchtlingsunterkunft eingetreten war. Vier Wochen später brannte das Haus.
Viele im Ort wundern sich überhaupt nicht, dass es ein halbes Jahr nach dem Brand noch immer keine konkreten Spuren gibt. Denn die Ermittler - erzählen sie - sehe man im Ort schon lange nicht mehr, ihr provisorisches Büro im Hotel Elsterblick hätten sie längst geräumt.
"Die sind rumgelaufen, haben gefragt, waren in Wohnungen. Denen hab ich gesagt, nachts schlaf ich. Da weiß ich von nichts", erzählt ein Mann in abgewetzten Jeans. Mit einem Kollegen steht er vor einem geschlossenen Supermarkt, der Kaufhalle, wie man in Tröglitz sagt.
"Haben Flyer verteilt, wir sollten unsere Meinung dazu sagen. Aber wenn man das sieht, die haben kein Interesse daran. Das Haus steht jetzt noch da, das Dach ist offen. Mal eine Plane drüber zu machen, dass man das ein bisschen abdeckt, dass nicht noch mehr Schaden entsteht, aber anscheinend ist das allen egal."
"Lediglich mit einem halben Dutzend Kameras wird das Haus observiert, das mittlerweile eingerüstet ist."
Die einzige offizielle Quelle zum Stand der Ermittlungen ist das Landeskriminalamt in Magdeburg. Dort hält man sich aber bedeckt. Staatsanwaltschaft und Landesregierung äußern sich aktuell nicht. Vor einem halben Jahr noch versprach Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff schnelle Aufklärung.
"Alle zur Verfügung stehenden Ressourcen werden eingesetzt, um dieses gemeine Verbrechen aufzuklären. Das kann ich an dieser Stelle nochmals nur betonen, weil es ein Thema ist, was nicht nur Verbrechensbekämpfung heißt, sondern hier geht es um die Demokratie."
Bundesinnenminister Thomas de Maizière sekundierte, das sei eine abscheuliche Tat, die unverzüglich aufgeklärt werden müsse.
Das Einzige, was Andreas von Koss vom Landeskriminalamt heute berichten kann: Man habe ein Bild der Personenbewegungen zur Tatzeit.
Täter kamen voraussichtlich von vor Ort
"Wir gehen davon aus, dass ein oder mehrere Täter sich gewaltsam Zugang zum Objekt verschafft haben. Und an mehreren Stellen mit Brandbeschleuniger einen Brand verursacht haben."
Die oder Täter sollen aus näheren Umgebung kommen.
"Die Motivation dahinter ist noch etwas unklar. Aber am ehesten ist davon auszugehen, dass es eine politische Motivation gab. Hier sollte verhindert werden, dass Flüchtlinge in dieses Objekt einziehen."
Obwohl man jeden der 1.700 Einwohner befragt habe, tappe man im Dunkeln, gesteht LKA-Sprecher Andreas von Koss. Eine schnelle Aufklärung werde es nicht geben, ergänzt er noch. Nachfragen etwa nach der Zahl der Ermittler oder zur Zusammenarbeit mit anderen Behörden lässt er unbeantwortet.
Tröglitz ist kein Einzelfall. Bis auf eine Einzeltat eines Hannoveraner Feuerwehrmanns wurde bislang bundesweit noch kein einziger Brandanschlag beziehungsweise Übergriff auf eine Asylunterkunft aufgeklärt. Nun machen Gerüchte die Runde, dass gar bundesweit operierende rechtsextreme mobile Einsatzkommandos unterwegs seien, die an verschiedenen Orten Asylunterkünfte angezündet haben sollen. Doch nehmen weder das Bundesinnenministerium noch das Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt Stellung.
"Ich glaube, dass die Sicherheitsbehörden das Problem haben, dass sie selber verunsichert sind, angesichts der Tatsache, dass es im Drei-Tages-Takt Anschläge auf Asylbewerberunterkünfte gibt. Das heißt, die sind selber in einer Orientierungsphase, die fahren auf Sicht. Sie prüfen."
Mehr aber auch nicht, sagt der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich.
Immer mehr Übergriffe auf Asylunterkünfte
2014 gab es nach Angaben des Bundesinnenministeriums 203 Übergriffe auf Asylunterkünfte. In der ersten Jahreshälfte 2015 waren es bereits 202, die meisten werden Neonazis zugeschrieben. Ein Grund, warum Andreas Zick vom Institut für Konfliktforschung an der Universität Bielefeld von einer mutmaßlichen terroristischen Bewegung spricht.
Der Dessauer Kriminalist Hanno Schulz spricht dagegen von fehlenden Beamten und einer viel zu kurzen Ausbildung der jungen Kollegen. Um den schleppenden Ermittlungen in Tröglitz etwas Dampf zu geben, würde er es begrüßen, wenn sich die Generalbundesanwaltschaft einschalten würde.
"Der subjektive Ermittlungsdruck wird damit möglicherweise höher. Es ist ja nicht auszuschließen, dass hier die Tat in Tröglitz auch möglicherweise im Zusammenhang mit anderen Taten stehen kann."
Kaum ein Tag ohne Nachrichten, dass irgendwo in Deutschland eine Asylunterkunft angegriffen wurde. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff spricht statt von schneller Aufklärung inzwischen lieber davon, dass Tröglitz überall sei. Wie erst kürzlich wieder in einer Talkshow des Mitteldeutschen Rundfunks.
"Ich muss schon drauf hinweisen, dass diese Dinge in ganz Deutschland passieren, die ersten geplanten Flüchtlingsheime haben übrigens in den alten Bundesländern gebrannt.
Zurück nach Tröglitz. Denn hier sind sich einige ziemlich sicher: "Man ist da nicht konsequent genug."