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"BRD - Nein, Danke!"
Wie gefährlich sind die Reichsbürger?

Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an, drucken eigene Pässe und wollen keine Steuern zahlen. Die Reichsbürger. Manche von ihnen planen vernetzt einen "Sturm auf den Reichstag". Andere geben sich ihren Ideen nur im stillen Kämmerlein hin. Wie gefährlich sind diese Gegner unseres Staates, deren bekanntestes Gesicht Xavier Naidoo ist?

    Ein selbst gebastelter Fantasie-Personalausweis einer Frau mit der Aufschrift Deutsches Reich aus dem Jahr 2010.
    "Reichs"-Fantasiepapier - hier ein Amtsausweis. (Verfassungsschutz Brandenburg)
    "Hochverrat im Bundestag. Wir zeigen am 9. Mai 2015 am Reichstag Gesicht. An dem Tag rechnen wir mit der Regierung ab." Mit solchen Worten wurde im Frühjahr auf einer Facebook-Seite zum Sturm auf den Parlamentssitz aufgerufen. Mobilisieren wollte man gegen das "Merkel-Regime". Unter den sonstigen ideologisch-polemischen Zutaten immer mit dabei: eine Prise Antiamerikanismus und ein wenig "Wir-sind-das-Volk"-Rhetorik.
    Der "Sturm auf den Reichstag" blieb aus
    Aus dem geplanten "Sturm auf den Reichstag" wurde ein Sturm im Wasserglas. Statt der angekündigten 50.000 Teilnehmer erschienen etwa 350 Menschen zu einem Ereignis, das die "tageszeitung" ein "Stelldichein der rechten Szene" nannte. Dennoch beunruhigt das Phänomen der "Reichsbürger" viele Menschen. Einige unserer Hörer und Nutzer haben uns gebeten, dem einmal nachzugehen. Hier unser Versuch einer Annäherung.
    "Die Bundesrepublik existiert nicht"
    Und so ungefähr sieht die Gedankenwelt der Gruppen und Grüppchen aus, die unter dem Oberbegriff "Reichsbürger" zusammengefasst werden: Die Bundesrepublik Deutschland ist kein echter Staat, sondern eine Firma mit staatsähnlichen Strukturen, eine "BRD-GmbH". So steht es zum Beispiel auf der Website "Republik Freies Deutschland". Die "Reichsbürger" bestreiten die völkerrechtliche Existenz und Unabhängigkeit unseres Landes. Die Bundesrepublik Deutschland sei juristisch nicht existent, mithin illegal. Es handle sich um ein reines "Verwaltungskonstrukt".
    Das Reich bis Königsberg mit kommissarischer Regierung
    Das Deutsche Reich hingegen besteht für sie völkerrechtlich fort. Zumeist wird dabei an die Grenzen von 1937 gedacht, also bis Breslau und bis Königsberg. Dieses Reich sei allerdings immer noch besetzt, wobei der Hinweis auf die Militärpräsenz etwa der USA selten fehlt. Daher gebe es auch nur eine kommissarische Reichsregierung - legal, aber machtlos.

    Aus Ihrem Gedankengut folgerichtig versuchen die "Reichsbürger", staatliche Strukturen aufzubauen, zum Beispiel mit eigenen "Ausweisen". Den hier links zu sehenden Ausweis hat der Verfassungsschutz Brandenburg dokumentiert.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    "Reichs"-Fantasiepapier - hier ein Amtsausweis (Verfassungsschutz Brandenburg)
    "Beschweren Sie sich beim König von Preußen"
    Manch einer der "Reichsbürger" weigert sich, Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder zu bezahlen. Das beschäftigt immer wieder die Behörden. Einem der Steuer-Verweigerer beschied die Staatsanwaltschaft Osnabrück, der Mann könne sich ja "beim König von Preußen beschweren". Der Fall, über den die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtet, machte Schlagzeilen. Es hat eine komische Note, dass sich der "Reichsbürger" ausgerechnet bei einem Organ des Staates beschwerte, den er partout nicht anerkennen will.
    Der König von Deutschland
    Oft belächelt wird auch der selbsternannte "König von Deutschland", der sein "Reich" mit eigener Webpräsenz in Sachsen-Anhalt ausgerufen hat. Die Behörden dort bescheinigen ihm laut einem Bericht der "Welt": "Er verfolgt inhaltlich das Ziel der Bildung einer neuen, esoterisch-ökologisch ausgerichteten Staatsform mit abwegigen utopischen Vorstellungen. Die Vorstellung von der Schaffung eines eigenen Staates in Deutschland bedeutet die Schaffung eines 'Scheinstaates'." Der König von Deutschland wird ebenfalls dem Rand der Reichsbürgerbewegung zugeordnet.
    Auch Waffen sind im Spiel
    Der Spaß hört aber beim Thema "Reichsbürger" schnell auf. Wie gefährlich etwa die Vernetzung von bestimmten Reichsbürgern, Neonazis und rechtsradikalen Schlägertrupps werden kann, hat Dradio Wissen jüngst recherchiert. Leidtragende waren Bürger der Kleinstadt Bitterfeld: Anfangs störte sich niemand an den ruhigen Versammlungen der Reichsbürger. Inzwischen machen Neonazis Jagd auf Jugendliche, die eine klare Stellung beziehen.
    Im März gab es im beschaulichen Willebadessen bei Höxter eine aufsehenerregende Razzia. Darüber hat unter anderem der WDR berichtet: Die Ermittler suchten nach Waffen. Sie warfen zwei Verdächtigen – einem 30 Jahre alten Mann und einer 65-jährigen Frau – vor, sie hätten versucht, sich u.a. ein Maschinengewehr aus Russland zu beschaffen. Ziel soll es gewesen sein, eine eigene Polizei-Truppe für den von ihnen ausgerufenen "Freistaat Preußen" aufzubauen.
    Gar nicht so weit entfernt vom Kreis Höxter wurde im November 2014 ein Polizist suspendiert. Dem Beamten wurde vorgeworfen, der Gruppierung der sogenannten "Germaniten" anzugehören, hieß es in einer Pressemitteilung. Das ist eine weitere Spielart der "Reichsbürger".
    Grünen-Politikerin Mihalic ruft den Bund zum Handeln auf
    Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic beschäftigt sich schon länger mit dem Thema. Sie fordert die Beobachtung der Bewegung durch das Bundesamt für den Verfassungsschutz. Dem Deutschlandfunk sagte Mihalic, man brauche unbedingt mehr Detailwissen zu den Reichsbürgern: "Welche Parteien, Vereine, Personen engagieren sich mit je welchen Methoden und Zielen? Welchen Einfluss haben sie auf klassische rechtsextreme Gruppierungen? All das müssen wir wissen, um eine bessere Analyse der Mobilisierungskraft der Bewegung zu bekommen." Einige Landesämter beobachteten die Reichsbürger schon heute, betonte Mihalic. Da sei es unverständlich, dass der Bund kein Interesse zeige, wo doch gerade die Bundesinstitutionen fundamental von den Reichsbürgern in Frage gestellt würden.
    Irene Mihalic, Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen für innere Sicherheit, warnt vor den Reichsbürgern.
    Irene Mihalic (picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler)
    Die Grünen-Politikerin dürfte unter anderem an den Verfassungsschutz in Brandenburg gedacht haben. Er bietet einen Flyer zu den Reichsbürgern an. Danach ist die Szene alleine in diesem Bundesland sehr vielfältig. Es gibt die "Exilregierung Deutsches Reich", "Die Regierung des Deutschen Reichs" und einen "Volks-Bundesrath". Daneben agieren aber auch die "Volksbewegung Dem Deutschen Volke", ein "Fürstentum Germania" oder eine "Republik Freies Deutschland". Fazit der Landes-Verfassungsschützer in Potsdam: "Die sektenartigen Gruppen stehen untereinander in Konkurrenz. Nicht selten zerstreiten sich die Akteure und gründen weitere Gegen-"Reichsregierungen".

    "Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen registriert seit Beginn des Jahres 2014 eine steigende Zahl von Vorfällen mit Personen, die als ,Reichsbürger' oder ,staatliche Selbstverwalter' bezeichnet werden". So steht es in einem vertraulichen Papier der Behörde, das der "Welt" vorliegt. Es müsse sich nicht zwangsläufig "in jedem Einzelfall um Rechtsextremisten handeln, jedoch besteht – schon rein inhaltlich – eine hohe Affinität zu diesem Phänomenbereich".
    Aufmerksamkeit dank Xavier Naidoo gesteigert
    Einem breiteren Publikum wurden die Reichsbürger durch einen der berühmtesten deutschen Popstars bekannt. Der Sänger Xavier Naidoo trat am Tag der deutschen Einheit 2014 auf einer Veranstaltung der Reichsbürger auf. Naidoo predigte über die von den USA besetzte Bundesrepublik und rief zum Widerstand auf. Von seinen Zuschauern wurde er im Berliner Regierungsviertel beklatscht - doch seither bekommt er viel Schelte. Vorwürfe, er sei rechtsgerichtet, wurden laut. Kritik an der Politik der USA äußert er seit Jahren.
    Der Musiker Xavier Naidoo bei einem Auftritt in Mannheim in der SAP-Arena
    Verschaffte den Reichsbürgern Aufmerksamkeit: der Musiker Xavier Naidoo (picture alliance / dpa)
    Im März wiederholte er seine Äußerungen, Deutschland sei nicht souverän, weil es mit den USA geheime Verträge abgeschlossen habe. Dem Magazin "Stern" sagte er weiter: "Mein Image war eh schon immer etwas verdreht. Man bezeichnete mich als homophob, als esoterischen Spinner und als religiösen Fanatiker. All das bin ich genauso wenig wie rechtspopulistisch." Auf Anfrage des Deutschlandfunks teilte sein Management mit, Xavier halte sich derzeit nur für Open-Air-Veranstaltungen in Deutschland auf, daher werde die Beantwortung der von uns gestellten Fragen "in absehbarer Zeit nicht klappen". (tgs/mb)