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Brexit und Trump
Großer Erfolg mit Big Data?

Hat eine Firma, die Daten analysiert, den Brexit mit herbeigeführt? Gar die US-Wahl entschieden? Medienberichte legen das nahe. Doch die Wirklichkeit ist vielschichtiger.

Von Michael Borgers |
    Facebook-Mitarbeiter stehen vor einem Bildschirm.
    Um die Wahlberechtigten in den USA besser zu erreichen, sollen die Daten von 220 Millionen Wählern analysiert worden sein. (picture alliance / dpa / Mike Nelson )
    Noch immer rätselt die Welt über die Präsidentschaftswahl in den USA vor vier Wochen. Wie konnte Donald Trump das Rennen machen? Dem designierten Präsidenten sei die "Verbindung von klassischen hochemotionalen Wahlkampfauftritten mit den modernsten Mechanismen der digitalen Welt" gelungen, heißt es nun in einem Erklärungsversuch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Virale Verbreitungsstrategien aus den Notebooks der perfidesten Online-Vermarkter, eine in höchstem Maße personalisierte Ansprache und die emotionale Infektion seiner Anhänger. Es war eine einzigartige Symbiose aus Marketing, Facebook und digitalem Aufpeitschen."
    Möglich gemacht haben soll das: Cambridge Analytica (CA). Der Firma für Datenanalyse mit Sitz in London widmet sich auch ein weiterer, am Wochenende viel beachteter Artikel im Schweizer "Das Magazin". Dort heißt es, Menschen seien anhand ihres Verhaltens auf Facebook "minutiös zu analysieren". Entwickelt worden sei die Methode von dem Psychologen und Stanford-Professor Michal Kosinski, das Auswerten von Likes, Bildern oder Kontakten. Ehe sie dann - ohne eigenes Zutun - in die Hände von Cambridge Analytica gelangt sein soll - und damit in die von Brexit-Befürwortern, also plötzlich politischen Zwecken diente. Es geht um "Big Data", die Analyse großer Datenmengen, die am Ende auch für die Republikaner und Donald Trump die Präsidentschaftswahl in den USA entschieden haben soll.
    "Das alleine reicht nicht aus"
    Bereits wenige Tage nach der Wahl warnte Simon Hegelich, Professor für Political Data Science, vor der Individualisierung von Wahlkämpfen in sozialen Netzwerken. Auch Trumps demokratische Kontrahentin Hillary Clinton habe je nach Wählergruppe unterschiedliche Positionen zum selben Thema kommuniziert. "Sie konnten damit das rechte wie linke Lager ansprechen und mussten sich für keine Linie entscheiden", sagte Hegelich dem Evangelischen Pressedienst. Das sei höchst problematisch. Denn es sei dann nicht mehr nachvollziehbar, für welche Inhalte die Kandidaten eigentlich stünden.
    "Der eigentliche Clou der Technologie liegt darin, dass sie fein herausarbeiten soll, wer für welche Botschaften empfänglich ist - und darauf reagiert. In erster Linie handelt es sich also um eine besonders genaue, digitale Zielvorrichtung für jene, die für die Botschaften der Wahlkämpfer empfänglich sind", erklärt Falk Steiner, der sich beim Deutschlandfunk mit Politik- und Technologiethemen beschäftigt. Doch glaubt Steiner nicht, dass das alleine ausreicht für einen erfolgreiche Wahlausgang - und erinnert daran, dass auch der im Republikaner-Rennen um die Präsidentschaftsbewerbung seinem Rivalen Trump unterlegene Ted Cruz Kunde der Firma gewesen sei. Darüber hinaus gebe es in den USA eine breite Debatte über das Thema.
    Beispielsweise spricht der US-Politikwissenschaftler Dave Karpf CA die wissenschaftliche Qualität ab und stattdessen vor allem Vermarkterfähigkeiten für ihre eigenen Dienstleistungen zu.
    Seit der US-Wahl am 8. November schmückt sich das Unternehmen auf seiner Homepage und Social Media mit dem mutmaßlichen eigenen Erfolg sowie den Medienberichten darüber:
    Dennoch müsse man sich mit dieser Art der "Bullshit-Technik-Kampagne" beschäftigen, meint Karpf. Und zwar deshalb, weil diese von den wahren Themen ablenke: Wähler in den USA würden unterdrückt und vor den Urnen eingeschüchtert, warnte der Politikwissenschaftler in einem noch vor der Wahl veröffentlichten Artikel. So hätte Trump dazu ermutigt, bewaffnet als "Trump-Wahlbeobachter" an Wahllokalen zu erscheinen; das sei weitaus gefährlicher als sogenannte "Dark Posts" auf Facebook, also solche, die nur ausdrücklich dafür markierte Nutzer erreichen.
    "Wie kommen Menschen immer wieder auf die irgendwie religiös mathematikhörige Idee, dass man menschliches Verhalten derart leicht kategorisieren, vorhersagen und dann sogar steuern könnte?", fragte der Social-Media-Berater Jens Scholz in seinem Blog mit Blick auf die Debatte um CA.
    Trump und die Brexiter hätten mit ihrer Kommunikation auf bereits Überzeugte gezielt, schreibt Scholz weiter: mit Inhalten "so emotional und einfach wie möglich, um sie von ihrem Publikum extrem lautstark verbreitet zu bekommen, was dazu führt, dass die Botschaft alles übertönt und gegen Kritik immunisiert". Dazu brauche es keine Psycho-Algorithmen.