Unterhält man sich mit James Veck-Gilodi, dem Sänger von Deaf Havana, so wird schnell klar, dass er weit entfernt ist von einem abgehobenen Rockstar, der Musiker hat sich eher den typisch britischen Humor erhalten. Deaf Havana sind eine Alternative-Rockband, die auf musikalisch ähnlichen Wegen wie beispielsweise die angesagte schottische Gruppe Biffy Clyro wandelt. Eingängige Refrains, harte und emotionale Rockmusik mit dem Ohrwurmcharakter des Pop. Ausgerechnet beim dritten Album "Old souls", das 2013 sogar in die Top 10 der britischen Albumcharts einstieg, begann es innerhalb der Band gehörig zu kriseln.
Mit dem Erfolg kommt die Krise
"Als wir das Album "Old souls" herausbrachten, gab es verschiedene Leute, die für uns im Hintergrund gearbeitet haben. Vieles ging hinter den Kulissen ab, von dem wir nichts wussten. Außerdem liefen einige Touren nicht so gut, sodass wir im Endeffekt richtig viel Geld verloren haben. Ab dem Moment spielten wir nicht mehr aus Leidenschaft, sondern um unsere Schulden wieder zurückzuzahlen. Für mich geht es aber um den Spaß an der Musik und als der aufhörte, wollte ich mit der Gruppe auch nicht mehr weitermachen. Aber nach und nach kam die Freude, die Leidenschaft wieder zurück. Das Ganze war ein schwieriger Prozess, aber wäre der nicht gewesen, wäre dieses letzte Album nicht entstanden. Viele der Songs handeln von dieser Zeit. Heute bin ich für diese Zeit dankbar, aber mittendrin war es ganz schön schlimm."
Eine desaströse USA-Tour
Leicht hatten es Deaf Havana nicht. Ihre Tour 2014, im Vorprogramm der irischen Band Ash wurde zum Desaster.
"Für uns war diese Tour ein großer Alptraum. Wäre die besser geplant gewesen, dann wäre die auch anders ausgegangen. Dummerweise kannte in den USA niemand die Band Ash, insofern waren die Konzerte extrem schlecht besucht und wir saßen jeden Tag in klirrender Kälte um die zwölf Stunden in einem Transporter, kaum Schlaf, Appetitlosigkeit und am Ende der Tour sahen wir wie Zombies aus. Eine Tour in den USA zu spielen kann wirklich klasse sein, aber das war der glatte Horror."
Eher das Gegenteil erlebten die Briten 2016 beim englischen renommierten Rockfestival Reading, hier konnten sie als Opening Act überzeugen. James Veck-Gilodi hat an dieses Konzert eine eher lückenhafte Erinnerung.
"Ich hatte da jetzt nicht das Gefühl, das wir jetzt den endgültigen Durchbruch erzielt hätten. Es war schon eine tolle Erfahrung, man fühlt sich schon etwas privilegiert. Gerade als junger Musikfan träumt man natürlich auch mal davon, auf diesen Festivals zu spielen. Aber wenn ich auf der Bühne stehe, ist das, als würde ich mir von oben zuschauen. Ich bin dann sehr nervös und gehe in eine Art Autopilotmodus. Wenn ich das dann später auf Video sehe, weiß ich, wie es gewesen ist."
"Ich schreibe die meisten Songs ganz klassisch auf einer Akustikgitarre, nehme ein Demo auf und schicke es dann an die anderen Bandmitglieder. Die überlegen dann, was sie dazu beitragen können. Viele Bands komponieren zusammen, ich finde das eher kontraproduktiv, da ich nicht diskutieren, sondern den Song fertigstellen möchte. Also ich arbeite den Song aus, dann erst wird der Gruppe übergeben."
Über Leidenschaft und Songs schreiben
Und so leidenschaftlich wie die Songs von Deaf Havana klingen, so leidenschaftlich geht James Veck-Gilodi auch an das Songschreiben selbst heran. Beispielsweise der Song "Love" vom aktuellen Album ist eine schonungslose Abrechnung mit den eigenen Fehlentscheidungen und Ausfällen.
"Es geht hier eher um Lust anstatt um Liebe. Es geht um schreckliche Entscheidungen, die du triffst, wenn du nicht mehr nüchtern bist und am nächsten Morgen irgendwo aufwachst. Eigentlich handelt der Song vom Gegenteil der Liebe. So hab ich meine letzte Beziehung ruiniert, weil ich mich auf Tour wie ein Arsch verhalten habe und Dinge getan habe, die ich sehr schnell bereut habe. Man kann also sagen, dass der Song ziemlich emotional ist."
Erfolg und die harte Schule
Gerade läuft es für die Band, die aktuelle Europatour ist gut besucht. Doch einfach war es für Deaf Havana nie. Wie viele andere Rockbands vor ihnen, mussten sie durch eine ziemlich harte Ausbildung, die in keiner modernen Musikschule gelehrt wird.
"An die Support-Tour mit der Band Skindred werde ich mich immer erinnern. Skindred spielen eine Mischung aus Reggaeton und Metal und dann kamen wir mit unseren netten Rocksongs. Die Leute hassten uns, wir wurden ständig belästigt, es war eine furchtbare Tour. Die Fans dieser Gruppe schmissen Schuhe und Flaschen auf die Bühne. Unser Schlagzeuger hat während des Konzerts sogar eine an den Kopf bekommen!"